
Elisabeth Frank (rechts) als Ilsemann, Adjutant des Kaisers. Wilhelm (Mitte) wird von Richard Gonlag verkörpert.
Foto: Kawka
Letztes Kleinod zeigt Dokumentarstück über das Leben von Wilhelm II.
An ein ganz neues Thema wagt sich die Geestensether Theatergruppe Das Letzte Kleinod. Bei der dokumentarischen Vorstellung im Ozenblauen Zug steht das Leben des Kaisers Wilhelm II. im Vordergrund.
Ungebetener Gast im niederländischen Exil
November 1918, der Erste Weltkrieg geht zu Ende, Europa liegt in Schutt und Asche: Der Soldatenaufstand bricht aus, und Kaiser Wilhelm II. geht mit seinem Zug auf die Flucht. An dem kleinen niederländischen Grenzbahnhof Eijsden wartet er auf die Gewährung von Asyl. Die niederländische Königin Wilhelmina zögert, den Deutschen Kaiser ins Land zu lassen, der von den Alliierten als Kriegsverbrecher bezeichnet wird. Doch schließlich lässt sie das Signal auf freie Fahrt stellen. Mehr als zwei Jahrzehnte wird der ungebetene Gast im niederländischen Exil verbringen.
Ururenkel des letzten deutschen Kaisers lebt in Fischerhude
Das Thema hat auch einen Bezug zur Region und der unmittelbaren Nachbarschaft der Vorstellungen in Worpswede: Georg Friedrich Prinz von Preußen, der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., lebt mit seiner Familie in dem Dorf Fischerhude bei Bremen. Einhundert Jahre nach dem Ende der Monarchie in Deutschland fährt der Kaiser wieder mit dem Zug von Potsdam in die Niederlande. Doch dieses Mal wird der Kaiser von einem Schauspieler eines Deutsch-Niederländischen Ensembles dargestellt.
Zuschauer erleben Geschichte hautnah
Das Besondere dieses dokumentarischen Theaterstücks: Gespielt wird im eigenen Ozeanblauen Zug des Theaters Das Letzte Kleinod, der wie der Hofzug des Kaisers eingerichtet ist und auf dem Schienenwege zu Aufführungsorten zwischen Potsdam und Utrecht (Niederlande) fährt. Die Zuschauer erleben die Geschichte des Kaisers hautnah im Speisewagen, in den Unterkünften des Hofstaates, im Salonwagen des Kaisers, in einem Güterwagen und auf den Bahnsteigen.
Patenkind der Kaiserin Hermine befragt
Für das Theaterstück „Wilhelm*Ina“ interviewte der Regisseur und Autor Jens-Erwin Siemssen in Deutschland und den Niederlanden ältere Zeitzeugen und ihre Nachfahren, die ihre Eindrücke über den Kaiser, sein Exil und die Bedeutung für die heutige Zeit erzählten. Dabei ist es sogar gelungen, das Patenkind der Kaiserin Hermine ausfindig zu machen. Auch die Enkelin des niederländischen Grafen Bentinck, bei dem der Kaiser mehrere Monate logierte, konnte für das Stück befragt werden. Mit historischen Tagebüchern und Presseberichten wurde das Bild von der Flucht und dem Exil des Kaisers vervollständigt.
Intimer Einblick in das Privatleben des Kaisers
Entstanden ist ein Stück, das einen intimen Einblick in das Privatleben des Kaisers gibt: Ein gescheiterter Herrscher, der seine Frustration über den Verlust der Macht durch das Abholzen und Zersägen ganzer Wälder abbaut. Der seinem auf wenige Personen verkleinerten Hofstaat oft stundenlange Monologe hält und dabei so sprunghaft und inkonsequent ist wie der derzeitige amerikanische Präsident, so einer der befragten Zeitzeugen. Das Stück setzt sich mit viel Humor und Musik mit diesem bizarren und wenig bekannten Kapitel deutsch-niederländischer Geschichte auseinander.

Elisabeth Frank (rechts) als Ilsemann, Adjutant des Kaisers. Wilhelm (Mitte) wird von Richard Gonlag verkörpert.
Foto: Kawka