Beim Winter Game - hier eine Aufnahme aus Düsseldorf 2015 - herrscht meistens eine Top-Stimmung.

Beim Winter Game - hier eine Aufnahme aus Düsseldorf 2015 - herrscht meistens eine Top-Stimmung.

Foto: Kurek/dpa

Bremerhaven

Vorfreude auf das Winter Game am Sonnabend in Sinsheim

Von nord24
6. Januar 2017 // 14:30

Markus Wincher steht im dicken Mantel auf der Tribüne der Rhein-Neckar-Arena, den Schal hat er fest um den Hals gebunden. Es ist kalt im Sinsheimer Stadion. Hier, wo normalerweise die Fußballer der TSG 1899 Hoffenheim dem Ball hinterherjagen, legen Arbeiter mit kalten Händen Planen aus, schlägt ein Zimmermann Nägel in eine Holzkonstruktion, tragen Gärtner Schilfbüschel heran.

Alle zwei Jahre ist Winter-Game-Zeit

„Feinarbeiten“ nennt Wincher das, Kosmetik für den zugefrorenen See, der in der Mitte des Fußballfeldes erschaffen wurde. Ein See in einem Stadion? Die alten Römer sollen bereits das Kolosseum geflutet haben, um das Volk mit nachgestellten Seeschlachten zu unterhalten. Im Prinzip passiert in Sinsheim das Gleiche, nur dass das Wasser hier zu Eis gefroren wird, damit am Sonnabend die Schwenninger Wild Wings gegen die Adler Mannheim Eishockey spielen können. Winter Game nennt sich das, wenn eine Eishockey-Fläche in ein Fußball-Stadion verlegt wird. Alle zwei Jahre gönnt sich die höchste deutsche Spielklasse diesen Spaß, die Premiere fand 2013 in Nürnberg vor 50.000 Fans statt – mehr Menschen hatten nie zuvor in Europa gemeinsam ein Eishockey-Ligaspiel gesehen. 2015 wurde der Rekord in Düsseldorf mit 51.125 Zuschauern sogar überboten.

Das Event in Sinsheim kostet eine Million Euro

„Es ist sicherlich der Eventcharakter, der viele Menschen fasziniert“, versucht Wincher das Phänomen zu erklären. Der 41-Jährige ist Technischer Leiter in der SAP-Arena, der eigentlichen Heimspielstätte der Mannheimer Adler, und einer von zwei Veranstaltungsleitern des Winter Games in Sinsheim, dessen Kosten auf eine Million Euro geschätzt werden. „Wir hoffen auf eine schwarze Null“, sagt Wincher.

SERC-Coach Pat Cortina: Das Winter Game ist etwas ganz, ganz Besonderes

Da Mannheims Geschäftsführer Daniel Hopp der Sohn von Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp ist, der mit seinem Milliarden-Vermögen den Aufstieg des ehemaligen Amateurclubs ermöglichte, war der Austragungsort schnell gefunden. Ebenso der Gegner: Spiele zwischen Mannheim und Schwenningen sind oft ausverkauft, auch wenn die Adler in den vergangenen Jahren stets ein Titelfavorit waren und die Schwenninger darum kämpfen, nicht Letzter zu werden. „Das Winter Game ist etwas ganz, ganz Besonderes. Solch ein Spiel erlebt man als Trainer oder Spieler vielleicht nur einmal im Leben“, sagt SERC-Trainer Pat Cortina. „Ein positives Erlebnis bei diesem Highlight kann meiner Mannschaft auch viel Kraft für den weiteren Saisonverlauf geben. Ich war bei den bisherigen zwei DEL-Winter-Games im Stadion. Es war der Wahnsinn.“

Ein Stadion-Innenraum mit der Optik eines zugefrorenen Sees

Rekordzahlen wird es am Sonnabend allerdings nicht geben. 29.700 passen in die Rhein-Neckar-Arena, am Sonnabend werden etwa 27.500 Zuschauer dabei sein, da die Plätze in den unteren Reihen wegen zu schlechter Sicht auf die Eisfläche nicht verkauft werden. Gegen die Mitbewerber setzte sich das Konzept der Mannheimer dennoch durch. „Wir haben einen anderen Ansatz verfolgt“, erklärt Wincher. „Wir wollen an die Ursprünge unseres Sports erinnern, entsprechend wird der gesamte Innenraum der Arena in der Optik eines zugefrorenen Sees gestaltet.“

2014 kamen 105.491 Zuschauer zum Winter Game zwischen Toronto und Detroit ins Michigan Stadium

Das Motto lautet „The good old hockey game“, was bei jedem Fan den Reflex auslöst, die legendäre Liedzeile von Stompin’ Tom Connors Song fortzusetzen: „is the best game you can name“. Das beste Spiel der Welt? Für den kanadischen Country-Sänger und Kettenraucher, der 2013 viel zu früh starb, gab es daran keinen Zweifel. In Kanada ist Eishockey Volkssport Nummer eins, wenngleich auch hier längst in Hallen und seltener auf gefrorenen Seen gespielt wird. Winter Games haben in Nordamerika dennoch Tradition, 2014 verfolgten etwa 105.491 Zuschauer die Partie zwischen den Toronto Maple Leafs und den Detroit Red Wings unter freiem Himmel im Michigan Stadium.

Schwenninger Blöcke sind in Sinsheim schnell ausverkauft

Für die Partie in Sinsheim waren die Karten des Schwenninger Kontingents schnell verkauft, zwei weitere Blöcke wurden den Schwarzwäldern zugewiesen, sodass mindestens 5300 Fans es mit den Wildschwänen halten werden. Zum Vergleich: Bei einigen Spielen der Fußballer, etwa wenn Wolfsburg oder Leverkusen bei 1899 Hoffenheim antreten, könnte man die Anhänger der Gästemannschaft einzeln und per Handschlag begrüßen.

Die Offiziellen erwarten eine entspannte Atmosphäre auf den Tribünen

So groß die Rivalität zwischen den Clubs auch ist, Problemfans gibt es wenige, die Atmosphäre ist im Eishockey allgemein entspannter als bei den kickenden Kollegen. „Auf der Tribüne darf es laut hergehen, auf dem Eis auch gerne körperlich“, wünscht sich Wincher. Mehr nicht. Schal und Mantel wird er auch am Sonnabend tragen. „Ich hoffe auf fünf Grad Minus und Sonnenschein. Bis 15 Grad Plus ist alles in Ordnung, selbst bei Regen.“ Wer Eishockey liebt, verlässt seinen zugefrorenen See ohnehin erst, wenn Fische von unten durch die Oberfläche schielen.  

Beim Winter Game - hier eine Aufnahme aus Düsseldorf 2015 - herrscht meistens eine Top-Stimmung.

Beim Winter Game - hier eine Aufnahme aus Düsseldorf 2015 - herrscht meistens eine Top-Stimmung.

Foto: Kurek/dpa