„Habe 20 Kilo zugenommen“
Vater und Sohn gemeinsam vor der Kamera: Im opulenten Historiendrama „Bach – Ein Weihnachtswunder“ (18.12., 20.15 Uhr, ARD) verkörpert Devid Striesow den Barockkomponisten Johann Sebastian Bach und sein Sohn Ludwig den ebenfalls genial begabten Bach-Spross Carl Philipp Emanuel.
Herr Striesow, Sie haben schon mit sechs Jahren Geige gelernt und verkörpern jetzt Johann Sebastian Bach, einen der bedeutendsten Komponisten aller Zeiten. Was ist Ihre Lieblingsmusik von Bach?
Ich liebe die Sonaten und Partiten für Violine solo sehr. Gerade neulich habe ich in einer stressigen Situation eine Aufnahme davon mit Gidon Kremer aufgelegt, aber wegen des Umfelds konnte ich die Musik leider nicht genießen – die Kinder waren laut und ich musste Koffer packen. Wegen meiner sehr fundamentalen Beschäftigung mit dem Weihnachtsoratorium für meine Rolle als Bach ist mir natürlich auch dieses Stück sehr ans Herz gewachsen, zumal ich für den Film ein Orchester und den Thomanerchor dirigieren durfte.
Sie können dirigieren?
Ehrlich gesagt habe ich schon als Kind oft vor dem Spiegel gestanden und zum Schallplattenspieler Beethovens Neunte dirigiert. Wer würde das als Sechsjähriger, der klassikbegeistert ist und Geige spielt, nicht machen? Vor Drehbeginn habe ich dann ausgiebigen Dirigierunterricht bei einem Studenten in Weimar genommen. Beim barocken Dirigieren steht man ja quasi wie ein Metronom vor Chor und Orchester und muss klar den Takt vorgeben, die andere Hand gibt die Einsätze, reguliert laut und leise, diese Dinge. Das haben wir intensiv geübt, und die Dreharbeiten haben letztlich zwei Tage gedauert. Wenn dann die Pauken und der Chor einsetzen und man das Ganze selber in der Hand hat, und wenn alle auf einen reagieren, das ist wirklich ein unglaubliches Erlebnis.
Ein berühmtes Zitat lautet: „Nicht alle Musiker glauben an Gott, aber alle glauben an Bach.“ Was macht ihn so einzigartig?
Bachs Musik hören ist für mich wie nach Hause kommen. Bach hatte die Fähigkeit, unglaublich tolle Melodien zu schreiben, seine Musik hat eine hohe Emotionalität und zugleich eine Jazzkomponente, die glaube ich daher kommt, dass Bach viel improvisiert hat. Außerdem ist diese Musik super strukturiert und man hört wie bei keinem anderen Komponisten die Qualität der ausführenden Musiker heraus. Bach sprengt einfach jeden Rahmen.
Es gibt nur ein als authentisch geltendes Bach-Porträt, das nachweislich ihn zeigt. Woran haben Sie sich für die Figur orientiert?
Es gibt sehr wenig Material über den privaten Bach, ähnlich wie bei Luther, den ich ja auch gespielt habe. Also viel Detailwissen haben wir leider wirklich nicht, da ist viel künstlerischer Spielraum. Ich habe im Vorfeld zu den Dreharbeiten 20 Kilogramm zugenommen und mich auf 105 Kilo hochgefuttert. Seit Ende der Dreharbeiten bin ich jetzt wieder am Abnehmen, 17 Kilo habe ich seit April geschafft.
Der Bach im Film ist ein ziemlich cholerischer Typ…
Der junge Bach wird ja als cholerisch geschildert und es gibt einen Bericht über einen Streit, bei dem er auf eine Provokation mit dem Degen geantwortet hat. Er hatte bestimmt seinen eigenen Kopf. Man darf ja auch nicht vergessen, dass er in diesem Haus gelebt hat, wo auch die Thomaner gewohnt haben, er hatte selber eine Schar von Kindern, er hatte Ämter, einen Alltag, und war doch so unglaublich produktiv. Ich sehe Bach als jemanden, der eine Inselbegabung hatte.
Ihr Sohn Ludwig ist wie Sie Schauspieler und spielt im Film Bach Sohn Carl Philipp Emanuel, der selber ein berühmter Komponist und Virtuose war. Wie kam es dazu?
Die Produktion hatte das vorgeschlagen. Ich fand die Idee super und habe gehofft, dass Ludwig das genauso sieht. Als wir uns dann telefonisch kurzgeschlossen haben, war ganz schnell klar, dass er Lust darauf hat. Da ist ein Traum in Erfüllung gegangen und es hat wunderbar funktioniert. Obwohl wir ja keine Vater-Sohn-Beziehung spielen, die gut funktioniert hat, es gab ein großes Spannungspotential zwischen den beiden. Wenn man damit nicht gut umgeht, kann das ja eventuell über die Dreharbeiten hinaus auch zu unguten Gefühlen führen.
Wie haben Sie das vermieden?
Wir haben sehr professionell schon im Vorfeld über die Rollen gesprochen, haben uns die Höhe der Emotionen vergegenwärtigt und uns auch während der Drehzeit immer gegenseitig Feedback gegeben: Wie fandest du das jetzt, und wie wollen wir die nächste Szene machen? Das war schon sehr harmonisch.
Ist es Ihnen wichtig, Ihren Kindern klassische Musik nahezubringen?
Ich versuche auf jeden Fall, meinen Kindern, zu denen ich eine große Nähe habe, klassische Musik als alltäglichen Bestandteil des Lebens zu vermitteln. Bei uns Zuhause beginnt der Tag mit einem Klassiksender im Radio beim gemeinsamen Frühstück, und die langen gemeinsamen Autofahrten finden auch mit klassischer Musik statt. Die Kinder haben Klavierunterricht und spielen auch andere Instrumente. Ich weiß noch nicht, wohin das führt, ob das dieselbe Leidenschaft für Musik weckt wie bei mir, aber ich hoffe es sehr.
Gehört ein Besuch des Weihnachtsoratoriums, um dessen Entstehung es in dem Film geht, bei Ihnen an den Feiertagen dazu?
Ab sofort wird das auf jeden Fall so sein. Ich bin atheistisch groß geworden, ich komme aus einer Familie, wo wird jedes Silvester Beethovens Neunte gehört haben, das war unsere Tradition zum Jahresausklang. Aber jetzt hat es das Weihnachtsoratorium auf Platz eins bei mir geschafft, weil es einfach so schön ist, es ist so ein unglaubliches Jubilieren in dieser Musik. Ich hoffe, dass viele interessierte Familienmitglieder mich ins Konzert begleiten.
Welche Weihnachtsrituale hat Ihre Familie noch zum Fest?
Es gibt ein wirklich tolles Essen und eine ganz klassische Bescherung – bei uns kommt das Christkind durchs Fenster und der Weihnachtsmann kommt auch. Es gibt viele Geschenke und es wird gesungen, und zum ersten Mal werden mein achtjähriger Sohn am Klavier und ich auf der Geige ein kleines Weihnachtsständchen zum Besten geben. Einen richtig großen Weihnachtsbaum haben wir auch, ich hoffe er fällt nicht wieder um wie letztes Jahr.
Wenn Sie professioneller Musiker geworden wären, wären Sie irgendwann in einem Orchester gelandet?
Nein, ich habe zwar mit sechs angefangen mit der Geige, war aber nie gut genug für eine Profikarriere. Dann habe ich angefangen, E-Gitarre zu studieren, und schließlich kam ja das mit dem Schauspielstudium. Vielleicht wäre es mir auch schwergefallen, mich in ein Orchester einzufügen (lacht).

© ARD Degeto Film/MDR/BR/ORF/EIKON Media/epo Film/Ricardo Gstrein
Das opulente Weihnachtsoratorium wird von Emanuel Bach (Ludwig Simon/Sohn von Devid Striesow) begutachtet.

© Sven Hoppe
ARCHIV - Schauspieler Devid Striesow lebt jetzt in Wien. Foto: Sven Hoppe/dpa
Devid Striesow kam 1973 auf Rügen zur Welt und wuchs in Rostock auf. Er begann nach einer geplatzten Goldschmiede-Lehre ein Musikstudium und absolvierte dann eine Ausbildung an der renommierten Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin – zu seinem Abschlussjahrgang gehörten auch Nina Hoss und Lars Eidinger. Im Kino war der 51-Jährige unter anderem im Drama „Yella“ und als Hape Kerkeling in „Ich bin dann mal weg“ zu sehen, dem Fernsehpublikum wurde er auch als Saarbrücker „Tatort“-Kommissar (2013 – 2019) bekannt. Devid Striesow war in den 90er Jahren mit der Schauspielerin Maria Simon liiert, aus dieser Beziehung ging 1996 Ludwig Simon hervor, der inzwischen selber Schauspieler ist. Papa Devid Striesow ist mit seiner Managerin Ines Ganzberger verheiratet, das Paar hat zwei gemeinsame Kinder und lebt in Wien.