Florian Lukas spielt Hans Rosenthal: „Wichtig, diese Geschichte zu erzählen“

Florian Lukas spielt Hans Rosenthal: „Wichtig, diese Geschichte zu erzählen“

Spannende Einblicke in Hans Rosenthals Leben: Ein ZDF-Film zeigt, wie der Berliner Showmaster trotz schwerer Schicksale zum Idol wurde. Schauspieler Florian Lukas in der Titelrolle würdigt den Entertainer, der am 2. April 100 Jahre alt geworden wäre.

„Enormen Respekt vor Rosenthal“

Interview mit Florian Lukas, der Hans Rosenthal in ZDF-FIlm verkörpert

Herr Lukas, im April vor 100 Jahren kam Hans Rosenthal zur Welt – Sie verkörpern den beliebten Entertainer in einem Fernsehfilm. Was bedeutet Ihnen diese Rolle?

Ich hatte enormen Respekt, denn ich weiß natürlich um die Bedeutung von Hans Rosenthal. Er war nicht nur einer der größten Showmaster, sondern eine der berühmtesten Persönlichkeiten überhaupt in Nachkriegsdeutschland. Viele Millionen Menschen verbinden private, persönliche Erinnerungen mit ihm. Ich wollte ihn so spielen, dass das glaubhaft ist. Ich wollte mich ja auch nicht blamieren.

Millionen Deutsche können sich an gemütliche Fernsehabende mit Hans Rosenthals „Dalli Dalli“ erinnern. Sind Sie auch mit dem „Spitze-Sprung“ und „Dalli-Klick“ groß geworden, wenngleich Sie in Ost-Berlin geboren und aufgewachsen sind?

Nein, aber das liegt nicht daran, dass ich aus Ost-Berlin komme, sondern dass ich mit meinen 52 etwas zu jung bin. Samstagabends habe ich damals zwar Fernsehen gucken dürfen, aber „Dalli Dalli“ lief ja donnerstags, da durfte ich das nicht. Den Satz „Das war Spitze!“ kannte ich natürlich trotzdem, und dass Hans Rosenthal dabei in die Luft sprang, das gehört ja regelrecht zum deutschen Kulturerbe. Aber die Dimensionen, die Massen von Zuschauern, die er erreicht hat, nicht nur im Fernsehen, sondern auch schon vorher im Radio, und das über Jahrzehnte, das war mir nicht klar. Ich habe vieles erst bei meiner Recherche in der Vorbereitung auf die Rolle begriffen. Auch die tragischen Erlebnisse seiner Jugendjahre und das Spannungsfeld, in dem er sich zeitlebens bewegt hat, das war mir alles nicht so bewusst.

Hans Rosenthal hatte ein schweres Schicksal: Er musste als Jude im Dritten Reich erst Zwangsarbeit leisten, versteckte sich dann bis zum Kriegsende zwei Jahre lang in einer Kleingartenanlage vor den Nazis, mehrere Familienmitglieder wurden ermordet. 1980 schrieb er darüber in seiner Autobiographie „Zwei Leben in Deutschland“.

Es ist super wichtig, diese Geschichte zu erzählen. Ich habe zur Vorbereitung natürlich seine Autobiografie gelesen. Er ist ja mehrmals durch unglaublich glückliche Umstände der Deportation und der Ermordung entgangen, bis er sich kurz vor seinem 18. Geburtstag entschlossen hat, sich zu verstecken. Aber ich habe mich nicht nur mit Rosenthals Leben auseinandergesetzt, sondern auch mit den Zusammenhängen, die ja auch in unserem Film eine Rolle spielen: Wie war die Situation überhaupt im Nachkriegsdeutschland, wie haben sich junge jüdische Intellektuelle gegenüber Rosenthal verhalten? Die hatten sehr wenig Verständnis dafür, dass er vor dem Fernsehpublikum im vormaligen Nazi-Deutschland den fröhlichen Showmaster spielte.

Hans Rosenthal moderierte "Dalli Dalli"

© Istvan Bajzat

Der beliebte Quizmaster Hans Rosenthal während einer „Dalli-Dalli“-Sendung im Juni 1978.

Wie konnte er diesen Spagat schaffen?

Ich glaube dass die Beliebtheit, die er sich erarbeitet hat, bei ihm aus einer bestimmten Motivation kam. Rosenthal hat gefühlt, dass diese unglaubliche Beliebtheit ihn irgendwie schützen könnte vor einer Wiederholung seiner lebensbedrohlichen Erfahrung, die er als Kind und als Jugendlicher gemacht hat. Er hat sich sozusagen in der Öffentlichkeit versteckt.

Der Film fokussiert sich auf einen Schlüsselmoment: Am 9. November 1978 bat Hans Rosenthal das ZDF, „Dalli Dalli“ zu verschieben, weil es der Gedenktag zur Reichspogromnacht 1938 war.

Ich weiß von anderen Leuten, dass schon jahrelang versucht wurde, Hans Rosenthals Leben zu verfilmen, aber es war schwierig. Die entscheidende Inspiration lieferte dann die Dokumentation „Kulenkampffs Schuhe“, die vor ein paar Jahren bundesdeutsche Nachkriegsgeschichte am Beispiel von Rosenthal, Hans-Joachim Kulenkampff und Peter Alexander beleuchtete. So kam es zur Idee, diese beiden parallelen Leben, die Rosenthal gelebt hat, an jenem 9. November 1978 zusammenzuführen – in einer entscheidenden Minute, in der sich jeder positionieren musste.

Das ZDF blieb damals stur, verwies darauf, dass die Zuschauer ein Recht auf Unterhaltung hätten: Rosenthal musste moderieren. Wirft das nicht ein schockierendes Licht auf die mangelnde Aufarbeitung des Holocausts zu jener Zeit?

Das tut es, aber ich kann schon auch verstehen, dass die Leute damals nicht willens oder nicht in der Lage waren, darüber zu sprechen. Es war ein gegenseitiger Schweigevertrag. Es war Aufgabe der nächsten Generation, das zu ändern. Flankiert auch durch die Serie „Holocaust“ änderte sich dann das gesellschaftliche Klima, und auch Rosenthal hat sich sicherer gefühlt, hat sich mehr geöffnet und auch mehr erzählt, hat schließlich seine Autobiografie geschrieben. Zuvor wollte er lange nicht in der Öffentlichkeit über seine Vergangenheit sprechen. Ich kann das auch persönlich nachvollziehen.

Inwiefern?

Natürlich hatte das bei Hans Rosenthal eine völlig andere Dimension als bei mir. Aber ich erinnere mich an die 90er Jahre, als ich selber nicht gerne erzählt habe, dass ich aus Ost-Deutschland komme. Für mich war das etwas, das keinen positiven Stempel hatte, ich hatte Sorge, dass es negative Folgen für mich haben würde. Die 90er Jahre spalteten sich in Ostalgie und westdeutsche Sicht auf Ostdeutsche als unbelehrbare Neonazis, das änderte sich dann erst mit Filmen wie „Good Bye, Lenin!“, wo ich ja zufälligerweise mitgespielt habe.

Haben Sie sich im Vorfeld auch mit den Kindern von Hans Rosenthal getroffen?

Ich habe mich mehrmals mit seiner Tochter Birgit Hofmann und seinem Sohn Gert Rosenthal getroffen, die mir erzählt haben, wie sie ihn als Vater wahrgenommen haben, wie der Alltag mit ihm war. Das hat mir viel bedeutet. Es war mir wichtig, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen zu den Kindern, über deren Vater wir einen Film drehen, dass sie uns wohlwollend begleiten. Wir haben den Film dann gemeinsam angeschaut und das war sehr berührend für uns alle.

Sie haben sich im Film sichtlich bemüht, seine Körperhaltung und seine Gestik wiederzugeben. Wer hat Ihnen dabei geholfen?

Das habe ich mir alles selber erarbeitet, das mache ich grundsätzlich für mich allein in meinem Zimmer. Damit habe ich gleich angefangen, als ich die Einladung zum Casting bekommen habe. Ich habe mir viele „Dalli Dalli“-Folgen angeschaut und Interviews angehört, um mir körpersprachliche Äußerungen und seinen Sprachrhythmus anzueignen, rauszuhören, wo er seinen Berliner Dialekt versteckt und wo er ihn bewusst eingesetzt hat.

Rosenthals legendären Spitze-Sprung mussten Sie ja nicht einstudieren...

Genau, diese Sendung am Gedenktag der Novemberpogrome war wohl die einzige, in der er eben nicht gesprungen ist. Weil es an diesem Tag keinen Anlass für diesen fröhlichen Hüpfer gab. Ich habe den Sprung trotzdem am letzten Tag der Dreharbeiten für Fotos gemacht, aber die haben mit dem Film nichts zu tun.

Hauptdarsteller Florian Lukas kam 1973 in Ost-Berlin zur Welt und begann schon als 17-Jähriger mit dem Theaterspielen. Er hatte seinen Durchbruch 2003 mit der Tragikomödie „Good Bye, Lenin!“ und war unter anderem in den vielbeachteten Serien „Weissensee“ und „Die Wespe“ zu sehen. Florian Lukas ist verheiratet, er hat vier Kinder und lebt in Berlin.

Florian Lukas

© Karsten Klama

Schauspieler Florian Lukas.

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Erstellt:
05.04.2025, 17:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 24sec

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