Interview: Veronica Ferres über Horror und die Angst im Dunkeln

Interview: Veronica Ferres über Horror und die Angst im Dunkeln

In der Horrorserie „Hameln“ (ZDFneo, 30.12) spielt Veronica Ferres die Mutter eines gehörlosen jungen Mannes. Im Interview spricht sie über moderne Rattenfänger, Angst im Dunkeln und was ihr Mann Carsten Maschmeyer zu ihrer Filmkarriere sagt

„Horror braucht es immer“

Interview: Veronica Ferres über Horror und die Angst im Dunkeln

Frau Ferres, ist „Hameln“ Ihr erster Ausflug ins Horrorgenre?

Was Serien betrifft ja, bei Filmen aber nicht. Ich habe vor Jahren mal in einem amerikanischen Mysterythriller mit dem Titel „Pay the Ghost“ mitgewirkt, in dem Nicolas Cage die Hauptrolle gespielt hat. Als Regisseur Rainer Matsutani jetzt mit der Idee auf mich zukam, in einer Serie mitzuspielen, die die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln ins Heute holt, war ich sofort begeistert. Die Dreharbeiten haben dann auch viel Spaß gemacht, das war eine richtig schöne Zeit.

Die Zeiten, in denen wir leben, sind gruselig genug, braucht es da noch eine Horrorserie?

Aber klar, Horror braucht es immer, das Genre hat ja gerade beim jungen Publikum eine riesige Fangemeinde. Die Faszination für Grusel hat nicht nur damit zu tun, dass man sich im Kino mal in den schützenden Arm von jemanden schmeißen will, wenn man jung ist. Sondern das hat auch viel mit der Überwindung von Urängsten zu tun. Da findet durch das Erleben des Dramas eine wohltuende Katharsis statt, für die wahrscheinlich jeder empfänglich ist.

Was sagt uns die Sage vom Rattenfänger von Hameln heute?

Vor allem, dass es unfassbar wichtig ist ein Versprechen zu halten. Der Rattenfänger von Hameln hat die Stadt von Ratten befreit und wurde dann nicht bezahlt, die Stadtoberen haben ihr Wort gebrochen. Er nimmt dann furchtbar Rache, verzaubert mit seiner Flöte die Kinder der Stadt und führt sie ins Ungewisse.

Wer sind die Rattenfänger unserer Zeit?

Da gibt es natürlich einige, viel interessanter finde ich aber die Frage, wer die Stadtoberen unserer Zeit sind, die Versprechen machen und dann ihr Wort nicht halten – und da fällt mir in erster Linie die Politik ein. Aber es gibt auch im privaten Umfeld viele Menschen, bei denen man vorsichtig sein und einen Unterschied machen muss zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie tun.

Wurden Ihnen als Kind Märchen vorgelesen?

Oh ja, von meinen Eltern, und ich erinnere mich genau an die Angst, die ich empfand, als ich die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln gehört habe. Das ist ja eines der populärsten Märchen der Gebrüder Grimm, das Millionen Menschen überall auf der Welt kennen.

Haben Sie Ihrer Tochter Märchen vorgelesen, als sie klein war?

Jeden Abend. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die finden, dass Märchen Kinder überfordern, wobei natürlich wichtig ist, dass man sie dabei begleitet. Man muss mit ihnen darüber sprechen und die Geschichten erklären. Dadurch können Kinder dann auch ihre eigenen Ängste überwinden, glaube ich. Also ich glaube schon an eine wohltuende pädagogische Funktion von Märchen.

Wovor haben Sie sich als Kind am meisten gegruselt?

Im dunklen Wald. Ich bin im Bergischen Land mit seinen wunderschönen Wäldern aufgewachsen, in denen ich viel unterwegs war. Wenn es dann dunkel wurde, habe ich aber immer geschaut, dass ich schnell wieder nach Hause kam. Als Jugendliche hat mich dann Stanley Kubricks Horrorklassiker „Shining“ stark beeindruckt, den finde ich zum Fürchten schön.

Wovor gruseln Sie sich heute?

Dass sich unsere Gesellschaft weiter spaltet, dass sich die Menschen immer weniger zuhören, dass es immer mehr Kriege gibt – das alles sind Dinge, die mich ängstigen. Und vor allem gruselt mich die Vorstellung, dass wir den Planeten, auf dem wir leben, vielleicht eines Tages völlig zerstört haben könnten.

Sie haben vor kurzem in den USA einen Western mit Samuel L. Jackson und Pierce Brosnan gedreht. Wie war‘s?

Es war vor allem ein grandioses Naturerlebnis, wir haben ja im Yellowstone-Nationalpark gedreht, das war landschaftlich einfach ein Traum. Ich habe außerdem gelernt, wie man mit dem Gewehr schießt und sich mit harten Jungs prügelt, das war schon spannend (lacht). Ich habe die Ehefrau von Pierce Brosnan und die Gegenspielerin von Samuel L. Jackson gespielt – eine tolle Herausforderung.

Wie sind die beiden denn so?

Das sind sehr entspannte und hochprofessionelle Kollegen.

Was sagt denn Ihr Mann Carsten Maschmeyer dazu, dass seine Frau mit Hollywoodstars wie diesen beiden Filme dreht?

Ihm ist vor allem wichtig, dass mir solche Dreharbeiten Spaß machen und dass sie eine Herausforderung für mich sind. Er weiß, dass ich mit jeder Rolle auch Neues entdecken will, was meinen Beruf betrifft, und auch Grenzen überschreiten will – ganz gleich ob körperlicher, sprachlicher oder künstlerischer Natur. Wenn das der Fall ist, macht mich das glücklich, und das freut ihn.

Stimmt es eigentlich, dass der TV-Philosoph Richard David Precht im Gymnasium in Solingen ihr Sitznachbar war?

Wir waren tatsächlich auf dem gleichen Gymnasium, von der fünften bis zur 13. Klasse.

Und war er damals verknallt in Sie?

Nein (lacht). Aber wir waren zusammen in der Theater-AG und standen beide das erste Mal auf der Bühne. Wir haben auch gute Gespräche geführt, er war ja damals schon sehr an Philosophie interessiert. Er ist ein hochintelligenter Zeitgenosse.

Veronica Ferres kam 1965 in Solingen als Tochter eines Kohlen- und Kartoffelhändlers zur Welt. Zu Beginn ihrer Schauspielkarriere war sie in Serien zu sehen, in Kinofilmen wie „Schtonk!“ wurde sie als sinnliche Blondine besetzt – ihren Durchbruch hatte sie 1996 mit der Komödie „Das Superweib“. Seitdem war Veronica Ferres als Star vieler großer TV-Produktionen zu sehen, oft in der Rolle der starken und kämpferischen Mutter. Außerdem tritt sie regelmäßig in deutschen und internationalen Kinofilmen auf, zuletzt drehte sie in den USA einen Western mit Samuel L. Jackson. Ferres ist mit dem Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer verheiratet und hat eine Tochter aus einer früheren Ehe, das Paar lebt in München und Los Angeles.

Der Rattenfänger (Götz Otto) stellt sich dem direkten Kampf mit den jungen Helden. Wird es ihm gelingen, sie zu vernichten und Hameln seinem Schicksal zuzuführen?

© Roland Guido Marx

Der Rattenfänger (Götz Otto) stellt sich dem direkten Kampf mit den jungen Helden. Wird es ihm gelingen, sie zu vernichten und Hameln seinem Schicksal zuzuführen?

Veronica Ferres.

© Sina Schuldt

Veronica Ferres.

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Erstellt:
29.12.2024, 17:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 54sec

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