„Mord und Totschlag will ich nicht sehen“

Früher war sie als „Tatort“-Kommissarin in Bremen auf Gaunerjagd, jetzt kämpft sie als Anwältin für Arme und Außenseiter: Fernsehstar Sabine Postel hat als Hamburger Juristin Isa von Brede in der Serie „Die Kanzlei“ viele Marotten, aber das Herz auf dem rechten Fleck. In der neuen Staffel (Dienstag, 22. Oktober, 20.15 Uhr, ARD) bekommt es die Anwältin wieder mit kniffligen Fällen zu tun, und zu allem Überfluss zieht auch noch ihre Mutter bei ihr ein.

Sabine Postel: „Mord und Totschlag will ich nicht sehen“

Sabine Postel über die neue Staffel der Anwaltsserie „Die Kanzlei“, ihre starke soziale Ader und warum sie den „Tatort“ nicht mehr regelmäßig schaut

Frau Postel, die Serie „Die Kanzlei“ ist ein echter Dauerbrenner, jetzt startet eine neue Staffel. Was macht die Serie so beliebt?

Ein Faktor ist sicherlich, dass Herbert Knaup und ich als Gespann gut rüberkommen. Die meisten Zuschauer einer solchen Serie sind ja selber keine 20 Jahre mehr, die freuen sich, wenn sie sich in den Hauptfiguren altersmäßig wiedererkennen, wenn lebenserfahrene Menschen in den Hauptrollen agieren. Ein anderer wichtiger Grund: Es gibt zurzeit ja wirklich Krimis ohne Ende im Fernsehen. Zugleich ist unsere Realität im Moment sehr belastend, und da sehen die Leute gerne eine Serie, die zwar einen realistischen Anspruch hat, aber auf humorvolle Art doch immer zu einem guten Ende kommt.

Und das aus dem Mund einer Schauspielerin, die viele Jahre lang selber „Tatort“-Kommissarin war?

Ach, ich merke das doch an mir selber. Wir haben im Moment, mit so vielen Problemen zu kämpfen – die weltpolitische Lage gerät aus den Fugen, die Gesellschaft spaltet sich. Da will ich doch abends nach den Nachrichten nicht noch blutigen Mord und Totschlag sehen, mein Limit ist da manchmal erreicht. Ich mag dann einfach nicht mehr, und so geht es glaube ich vielen.

Haben Sie Einfluss auf die Rollengestaltung bei Isa von Brede?

Die Vorlagen sind so gut, da halte ich mich zurück. Aber bestimmte Macken, die diese Frau hat, die neurotischen Anfälle, ihr Putzwahn, ihre Pillen, ihr hysterisches Abwischen von Oberflächen, das hatte ich mir ursprünglich selber gewünscht. Leider hat uns die Realität da böse eingeholt: Früher haben die Leute gelacht, da war das skurril, dass Isa von Brede keine Türklinke anfasst, ohne sich danach drei Stunden die Hände zu waschen. Seit Corona ist das nicht mehr lustig, deshalb haben wir es zuletzt auch reduziert.

Sind Sie auch so eine Gerechtigkeitsfanatikerin wie Isa?

Ich bin ein sehr sozialer Mensch, so bin ich erzogen. Ich bin sehr gerechtigkeitsliebend und in diesen Momenten auch mutig. Da mache ich mich stark, setze mich für Leute ein.

Bei welchen Gelegenheiten zum Beispiel?

In meinem langen Drehleben habe ich mich schon oft auf die Hinterbeine gestellt, denn beim Arbeiten gibt es unzählige Situationen, die nicht gut fürs Team sind. Aber nur ich als Hauptdarstellerin kann fordern, dass etwas geändert wird, das kann ja niemand tun, der nur für zwei Tage mit dabei ist und froh ist, den Job überhaupt gekriegt zu haben. Ich habe schon oft genug auf den Tisch gehauen, wenn bei Produktionen an den falschen Stellen gespart wurde. Wenn etwa das Catering so schlecht war, dass ich gesagt habe: Das geht gar nicht – wenn ihr die Leute hart arbeiten lasst, müsst ihr sie auch richtig verköstigen. Aber nicht bei der „Kanzlei“, da ist das Catering super (lacht).

Vermissen Sie manchmal die Rolle als Kommissarin Inga Lürsen, die Sie von 1997 bis 2019 im „Tatort“ gespielt hatten?

Am Anfang nicht so. Inzwischen habe ich aber manchmal ein bisschen Sehnsucht, denn es war doch eine lange Spanne meines Lebens, und die Menschen, die ich für die Filme zweimal im Jahr getroffen habe und auf die ich mich immer gefreut habe, fehlen mir. Ansonsten war es glaube ich der richtige Zeitpunkt aufzuhören, auf dem Zenit, wo wir wirklich sehr beliebt und die Quoten super waren.

Schauen Sie noch regelmäßig Tatort?

Regelmäßig nicht, aber gerne. Ich finde allerdings das ganze Krimigenre mittlerweile etwas inflationär, und man kann ja auch das Rad nicht neu erfinden. Bei manchen Geschichten denke ich: Das haben wir doch schon dreimal erzählt, das kenne ich schon. Ich gucke natürlich auch anders und ich weiß genau: Wenn in einer scheinbar nicht so großen Rolle eine hochkarätige Kollegin oder ein hochkarätiger Kollege von mir auftaucht, dann ist das der Mörder, sonst hätte der die Rolle gar nicht angenommen (lacht).

Würden Sie in einem „Tatort“ eine Gastrolle spielen, als Mörderin zum Beispiel, wenn man Sie bittet?

Das würde ich gerne machen! Aber das werden die mir nicht so bald anbieten, es muss zunächst genug Abstand von mir als Kommissarin entstehen. Sonst wäre es für die Zuschauer vielleicht irritierend, wenn ich im „Tatort“ in einer ganz anderen Rolle auftauche.

Sie haben in jungen Jahren mal Bildende Kunst studiert. Malen Sie denn in Ihrer Freizeit?

Nein. Ich war zwar immer ein sehr künstlerisch veranlagter Mensch, konnte gut schreiben und zeichnen. Aber dieses Studium war im Rahmen einer Ausbildung zum Gymnasiallehrer, ich hatte Germanistik und Kunst an der Uni Oldenburg belegt. Ich habe aber niemals kreative Produkte erschaffen, die die Welt braucht (lacht).

Sabine Postel kam 1954 im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge zur Welt. Schon als Achtjährige nahm die Tochter eines WDR-Fernsehredakteurs Kinderhörspiele auf.

Nach dem Besuch der Schauspielschule Bochum und ersten Theaterrollen stand Postel ab 1982 fürs Fernsehen vor der Kamera, vor allem ihre Rolle in der Serie „Nicht von schlechten Eltern“ machte sie in den 90ern bekannt.

Von 1997 bis 2019 ermittelte sie als „Tatort“-Kommissarin Inga Lürsen in Bremen, seit 2009 spielt sie in der Serie „Die Kanzlei“ mit, die bis zum Tod von Hauptdarsteller Dieter Pfaff „Der Dicke“ hieß.

Sabine Postel ist verwitwet und hat einen erwachsenen Sohn, die 70-jährige Schauspielerin lebt in Köln.

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Erstellt:
22.10.2024, 17:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 46sec

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