Premiere im Stadttheater Bremerhaven: Riesenapplaus für „My fair Lady“

Premiere im Stadttheater Bremerhaven: Riesenapplaus für „My fair Lady“

Am Ende hielt es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Es gab stehende Ovationen für „My fair Lady“ am Stadttheater. Den Applaus gab es für beste Unterhaltung mit Witz und Ironie, temporeich, bunt und musikalisch beschwingt.

„Spaniens Blüten“ beschwingt und bunt

Stadttheater feiert Premiere: Riesenapplaus fürs Musical „My fair Lady“ im ausverkauften Haus

Ganz in Schwarz, in Hose und Pumps steht sie schließlich auf der Bühne, diese Eliza Doolittle. Aus dem armen Blumenmädchen mit Berliner Kodderschnauze und dem Wunsch nach sozialem Aufstieg wurde eine moderne Frau, die weiß, was sie tun muss. Sie wirft dem Macho-Helden Professor Higgins die Pantoffeln vor die Füße.

Diesen Klassiker kennt fast jeder. Bei „Es grünt, so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“ oder „Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht“ können Musicalfans problemlos mitsingen. „My fair Lady“ taucht seit gut 60 Jahren auf den Spielplänen der deutschen Theater auf. Seine Hits garantieren meist volle Häuser, und auch in Bremerhaven war am Sonnabend die Premiere im Großen Haus des Stadttheaters ausverkauft.

Opulente Tanz- und Gesangseinlagen und die Hits von einst

Doch die Aufführung birgt auch Gefahren. Da die meisten Theatergänger mit dem Musical vertraut sind, liegt die Messlatte hoch. Das weiß auch Regisseur Toni Burkhardt - und erfüllt die Erwartungen des Publikums nach Amüsement, opulenten Tanz- und Gesangsszenen und dem Schwelgen in den Hits von einst. Er bietet aber noch mehr.

Zuallererst hat Burkhardt gut daran getan, das Stück nicht mit der Brechstange in die Moderne zu hieven, sondern sich ans Original von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe (Deutsch von Robert Gilbert) zu halten, es aber etwas zu verjüngen.

Die Inszenierung setzt auf temporeiche Szenen, in denen auch der Opernchor und die Ballettcompagnie brillieren. Wenn etwa Vater Alfred P. Doolittle (Ulrich Burdack) sich mit seinen Kumpels auf den Weg zum Altar begibt, stimmt alles. Tanz, Gesang, Musik, Timing. Die Szene macht einfach Spaß, wie auch das Ascot-Pferderennen, wenn der Adel seine Hüte ausführt. Glückwunsch dafür auch an Choreografin Kati Heidebrecht.

Tanzend auf dem Weg zum Altar ist Alfred P. Doolittle (Ulrich Burdack im Frack) mit seinen Kumpels Harry (Róbert Tóth) und Jamie (MacKenzie Gallinger) sowie der Ballettcompagnie und dem Opernchor.

© Sandelmann

Tanzend auf dem Weg zum Altar ist Alfred P. Doolittle (Ulrich Burdack im Frack) mit seinen Kumpels Harry (Róbert Tóth) und Jamie (MacKenzie Gallinger) sowie der Ballettcompagnie und dem Opernchor.

Eliza als Dreckstück und Schlampe beschimpft

Mit dem Humor ist es so eine Sache. Der ist reichlich vorhanden, aber nicht immer einfach in dem Stück. Als Frau muss man schlucken angesichts mancher Sprüche des Phonetik-Professors Henry Higgins (Dirk Böhling), der unbekümmert Eliza als Dreckstück, als Schlampe bezeichnet und seiner Haushälterin zuruft „Stecken Sie sie in die Mülltonne“. Burkhardt lässt es so stehen und stärkt dafür die emanzipatorische Entwicklung Elizas (Victoria Kunze). Das Musical holt er zudem raus aus dem Jahr 1912, versetzt es in eine Fantasiezeit. Eine, die die Zeitspanne von 1920 bis 1970 umfasst. Sichtbar wird das an den Kostümen (Susana Mendoza). Während Higgins, Oberst Pickering und die Haushälterin Mrs. Pearce mit Anzug, Frack und knöchellangem Kleid noch in der alten Zeit verhaftet sind, ist Eliza zunächst in den 50er Jahren zu Hause mit ihrem Petticoat-Kleid. Später wird sie modisch noch moderner. Freddy (Andrew Irwin), wie der gesamte Adel in Pastell gekleidet, wirkt mit seiner blonden Föhnwelle wie ein Schlagersänger aus den 70ern. Auch das Bühnenbild (Wolfgang kurima Rauschning) vereint Gegensätze. Ein riesiger Trichter, der in knalligen Farben fast futuristisch wirkt, beherbergt Higgins Biedermeier-Möbel: Passt das zusammen? Es passt und nimmt dem Stück optisch das verstaubte Image.

Doch all das wäre rein gar nichts ohne die Musik. Großartiges leisten die Musiker des Philharmonischen Orchesters unter der Leitung von Hartmut Brüsch. Sie bringen die berühmte Partitur zum Funkeln. Gerade die leichte Unterhaltung ist Schwerstarbeit. Hier ist sie geglückt.

Isabel Zeumer ist die resolute Mutter, die mit trockenem Humor die Lacher erntet. Iris Wemme-Baranowski überzeugt als gutmütige Haushälterin Mrs. Pearce und Kay Krause gibt Oberst Pickering als abgeklärten Zeitgenossen, bleibt aber etwas blass.

Die Sorge von Andrew Irwin war unnötig. Vor Beginn der Aufführung ließ er ausrichten, dass er aufgrund einer Erkältung um Verständnis bittet, wenn die Stimme nicht ganz mitmacht. Doch sein Gesang ist zum Dahinschmelzen, wenn er als Freddy „Weil ich weiß in der Straße wohnst du“ anstimmt. Elizas Herz erobert er zwar nicht, aber das des Publikums.

„In der Straße wohnst Du“: Freddy Eynsford-Hill (Andrew Irwin), mit blonder Föhnwelle, brachte mit dem Lied zwar nicht Eliza, aber das Publikum zum Schmelzen.

© Sandelmann

„In der Straße wohnst Du“: Freddy Eynsford-Hill (Andrew Irwin), mit blonder Föhnwelle, brachte mit dem Lied zwar nicht Eliza, aber das Publikum zum Schmelzen.

Das gehört auch Ulrich Burdack, der nicht nur mit seiner Gesangsstimme glänzt. Wenn er von Higgins 5 Pfund für seine Tochter fordert, würde man als Zuschauer dem rhetorisch gewieften Schnorrer für diese schauspielerische Leistung glatt das Dreifache in die Hand drücken.

Dirk Böhling überzeugt schauspielerisch und gesanglich als Professor Higgins, der empathielos seine Beleidigungen ausgießt. Der Mann, der kein Herz zu haben scheint, entdeckt, dass seines nur leer war und am Ende schmerzt.

Auf der noch vergeblichen Suche nach dem H: Die Sprechübungen überfordern Eliza (Victoria Kunze), hier mit Oberst Pickering (Kay Krause) und Prof. Henry Higgins (Dirk Böhling).

Auf der noch vergeblichen Suche nach dem H: Die Sprechübungen überfordern Eliza (Victoria Kunze), hier mit Oberst Pickering (Kay Krause) und Prof. Henry Higgins (Dirk Böhling).

Eliza macht natürlich die größte Verwandlung durch. Doch in den Szenen als Higgins Sprachschülerin hätten ihr ein paar Zwischentöne gutgetan. Aus der Frau, die den Mut hat, ihr Milieu zu verlassen, wird im Hause des Professors eine gar zu kindliche Göre. Doch singend zeigt sie sich bereits hier als Lady mit großartiger Opernstimme. Ein harter Kontrast, der sich auflöst, sobald Eliza „Es grünt, so grünt“ beherrscht und wirklich zur Dame wird. In Ascot hat sie ihren großen Auftritt, wenn sie die Gesellschaft schockiert. Herrlich. Als emanzipierte Frau gewinnt sie vollends das Publikum.

Das Stadttheater Bremerhaven zeigt das Musical „My fair Lady“ von Alan Jay Lerner/Frederick Loewe (Deutsch von Robert Gilbert) in der Regie von Toni Burkhardt. Die nächsten Termine sind am 17. und 23. November; 18., 21. und 31. Dezember. Die Silvestervorstellung um 19 Uhr ist ausverkauft, für 15 Uhr gibt es noch Karten. Weitere Aufführungen ab 5. Januar. Karten von 25,50 bis 50,50 Euro unter 0471/49001 oder stadttheaterbremerhaven.de.

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Erstellt:
04.11.2024, 14:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 45sec

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