TV-Satiriker Kalkofe: „Wir werden viel schneller belogen als früher“

TV-Satiriker Kalkofe: „Wir werden viel schneller belogen als früher“

Er gehört zu Deutschlands bekanntesten Satirikern und lästert leidenschaftlich gerne über das Fernsehprogramm. Jetzt hat sich Oliver Kalkofe eine neue Show ausgedacht - ein Comedyquiz: „Faking Bad - Besser als die Wahrheit“ (ab 27.6., ARD-Mediathek).

„Werden viel schneller belogen“

In „Faking Bad – Besser als die Wahrheit“ lädt Oliver Kalkofe zum großen Lügen ein.

In dem von Kalkofe moderierten Comedy-Quiz erfinden bekannte Comedians schräge Antworten auf kuriose Fragen – wer seine Mitstreiter mit seinem Schwindel überzeugt, gewinnt. Im Interview verrät der TV-Satiriker Details seiner neuen Show, spricht über gefährliche Fake News und ein mögliches Comeback seiner Satiresendung „Mattscheibe“.

Herr Kalkofe, mit „Faking Bad“ starten Sie eine neue Comedy-Ratesendung. Braucht die Welt wirklich noch eine Quizshow?

Das Format Quiz an sich ist ja schon genial. Wenn ich den Fernseher anmache und in eine Quizshow zappe, in der gerade eine Frage gestellt wird, kann ich nicht wegschalten – ich muss die Antwort wissen. Außerdem mag ich Comedyshows, in denen improvisiert wird und man absurde Geschichten erfinden muss. Und ich mag den Battle-Gedanken und finde es toll, wenn gerade Comedians versuchen, sich gegenseitig herauszufordern. Ich habe mich lange gefragt, wie man das alles so kombinieren kann, dass etwas Neues daraus wird. Und ich glaube, das ist uns hier gelungen.

In der Sendung gewinnt nicht der Klügste, sondern der beste Schwindler. Eine ironische Reaktion auf die moderne Welt voller Fake-News und KI-Fälschungen?

Absolut. Die Show soll zeigen, wie falsche Erzählungen entstehen, die wir für die Wahrheit halten, und auf welche Lügen die meisten Leute reinfallen. Kann man herausfinden, was die wirkliche Wahrheit ist, oder glaubt man demjenigen, der seine Geschichte am besten präsentiert – oder glaubt man am Ende die Geschichte, die am ehesten mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmt? Diese Fragen bilden gewissermaßen den Subtext und Unterbau. In erster Linie geht es aber darum, wer wen auf witzige Weise am besten von seiner Lüge überzeugen und hinters Licht führen kann.

Es wird immer schwieriger, Wahrheit von Fake News zu unterscheiden…

Wir werden viel leichter und schneller belogen als früher. Heute kann jeder Mensch zu einem eigenen Massenmedium werden, und durch Donald Trump haben wir gesehen: Eine Lüge wird zur Wahrheit, wenn man sie nur oft genug wiederholt – und leider wird man immer eine Menge Menschen finden, die einem glauben, weil sie es einfach wollen. Und es ist leicht, die wirkliche Wahrheit ins Lächerliche zu ziehen, wenn man nur ein paar einfach klingende Parolen entgegensetzt.

In der ersten Folge begrüßt Oliver Kalkofe die Gäste (von links) Oliver Welke, Laura Karasek, Torsten Sträter und Michael Kessler.

© WDR/Marcel Langer

In der ersten Folge begrüßt Oliver Kalkofe die Gäste (von links) Oliver Welke, Laura Karasek, Torsten Sträter und Michael Kessler.

Was lässt sich dagegen tun?

Es müsste für die Jugend dringend so etwas wie Medienkunde als Unterrichtsfach in der Schule geben, das ist genauso wichtig wie Mathematik oder Deutsch. Medien prägen unser Weltbild, egal welche man nutzt. Wenn man den jungen Menschen nicht beibringt, wie man damit umgehen und ihre Mechanismen verstehen kann, wird es sehr gefährlich für uns alle, denn nicht zuletzt wegen KI wird es immer leichter, Menschen zu manipulieren.

Gibt es im Fernsehen zu wenig Medienkritik?

Ja, und das finde ich sehr schade. Es gibt „TV total“, aber das kratzt ja nur an der Oberfläche, und hier und da mal noch eine einzelne Sendung – aber insgesamt gibt es zu wenig Medienkritik im Fernsehen.

Könnten Sie sich ein Comeback Ihrer Satiresendung „Mattscheibe“ vorstellen, die im April 30 Jahre alt geworden wäre?

Ich bin sehr traurig, dass die Sendung eingestellt wurde. Es gibt schon Gespräche über eine Neuauflage, und ich hätte große Lust, das zu machen. Aber es wäre eine große Herausforderung, denn die Medien haben sich im Lauf der Jahre enorm geändert. Als ich in den 90er Jahren anfing, waren Volksmusiksendungen die Krone des Wahnsinns – aber im Vergleich mit heute war das ja eine harmlose Form der Verblödung. Heute können alle möglichen Leute sämtliche Medien als Werbefläche für Produkte benutzen oder falsche Wahrheiten verbreiten, das würde ich schon gerne beleuchten.

Wie sieht Ihr Fernsehkonsum aus, seit Sie nicht mehr beruflich in den Untiefen des Programms fischen müssen?

Mein Fernsehkonsum hat sich sehr geändert, ich gucke sehr viel mehr Filme oder Streamingserien, sehr selektiv. Ich genieße es, dass ich nicht mehr jeden Mist gucken muss und auf 98 Prozent der existierenden Promi-unter-Palmen-Pimper-Formate verzichten kann.

Ist der aktuelle Realityboom mit zahlreichen Shows, in denen geflirtet und gestritten wird, nur harmloser Trash oder doch eine bedenkliche Entwicklung, weil falsche Werte transportiert werden?

Es ist gefährlich, denn das Fernsehen ist für viele Menschen das Fenster zur Welt. Wenn die Macher solcher Formate optisch extreme oder verhaltensauffällige Menschen zusammenklauben, wenn in solchen Sendungen tätowierte Männer und aufgepumpte Frauen andauernd versuchen, miteinander in die Kiste zu kommen und vor allem lautes und asoziales Verhalten belohnt wird, dann kommt beim Zuschauer irgendwann die Erkenntnis an: Aha, so sind die Leute da draußen jetzt also. Und damit ändert sich auch die wirkliche Realität – anders ist es nicht zu erklären, dass sich heute 20-jährige oder noch jüngere Mädchen operieren lassen, um sich einem Schönheitsideal anzugleichen, das einer Porno-Ästhetik gleicht.

Wie bewerten Sie insgesamt die Entwicklung des Fernsehens?

Das Fernsehen ist immer noch das beste Medium, das wir haben. Aber leider ziehen sich Angst und Mutlosigkeit durchs komplette Programm. Den Privatsendern ist ihr Publikum egal, die wollen nur Sendeplätze billig füllen, und die Öffentlich-Rechtlichen setzen im Unterhaltungsbereich lieber auf das immer gleiche, statt Innovationen zu wagen. Beide Systeme müssen sich radikal ändern, sonst wandern die Leute noch mehr zu den Streamingdiensten ab. Aber es gibt Hoffnung, denn die klassischen Sender versuchen durch den Ausbau ihrer Mediatheken auch wieder mehr unterschiedliche Produktionen und lassen zumindest kleinere Experimente zu.

Nennen Sie doch mal ein paar Beispiele…

Fast alles, was Joko und Klaas in letzter Zeit gemacht haben. Das ist tolles Entertainment mit Kreativität und Leidenschaft. Auch einige Sachen, die Jan Böhmermann gemacht hat, aber die werden zu oft in der Nische versteckt. Eines ist aber klar: Dass man mit einem Programm alle Generationen gemeinsam vor den Fernseher lockt, vom Enkel bis zur Oma, diese Zeiten sind endgültig vorbei. Das große generationsübergreifende Lagerfeuerfernsehen gibt es nicht mehr.

Oliver Kalkofe kam 1965 in Engelbostel in Niedersachsen zur Welt und machte nach dem Abitur eine Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondent. Seine Medienkarriere begann er als Radiomoderator, den Durchbruch im Fernsehen feierte er mit seiner Satiresendung „Mattscheibe“, in der er von 1994 bis 2021 bizarre Auswüchse des Programms durch den Kakao zog. Seit 2013 präsentiert er in der Reihe „SchleFaZ“ besonders schlechte Filme, Ende August soll das zuletzt bei Tele 5 beheimatete Format bei RTL fortgesetzt werden. Der mit dem renommierten Grimme-Preis ausgezeichnete TV-Zyniker arbeitet auch als Drehbuchautor und Schauspieler („Der Wixxer“). Er ist außerdem Zeitschriftenkolumnist, schreibt Hörspiele und synchronisiert Serien, Computerspiele und Trickfilme. Oliver Kalkofe lebt mit seiner Familie in Berlin.

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Erstellt:
25.06.2024, 17:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 24sec

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