
Hilfe für Containerzüge im Hafen: Dieser Roboter kann auf Waggons die Zapfen in die richtige Position bringen, die die Container halten. Bisher tun das Menschen. Das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) hat den Roboter auf dem Containerterminal Tollerort in Hamburg getestet.
Foto: Phillipp Steiner
Maritime Wirtschaft wird digitaler
Roboter mit Magnetarm, Datenbrillen für Monteure und KI gegen Emissionsschätzungen: Auf einer Fachkonferenz in Hamburg zeigte das Fraunhofer CML, wie digitale Technologien die maritime Logistik sicherer, effizienter und nachhaltiger machen könnten.
Roboter, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung zählen zu den großen Trends der Wirtschaft. Welche Rolle sie künftig auch in der maritimen Branche spielen können, zeigte eine Fachkonferenz des Fraunhofer-Centers für maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) in Hamburg-Harburg. Das CML forscht anwendungsorientiert – entsprechend praxisnah waren die vorgestellten Projekte.
Ein alltägliches Problem beschrieb Thomas Pauly vom finnischen Schiffsmotorenhersteller Wärtsilä. Noch immer arbeiten Servicetechniker bei Wartungseinsätzen mit Kladde, Kugelschreiber und Papierzeichnungen. Das sei unpraktisch, erst recht mit Handschuhen, zeitraubend und manchmal gefährlich, so Pauly. Die Berichte müssen später aus Notizen rekonstruiert, Fotos eingefügt und auf Englisch geschrieben werden – oft spätabends im Hotelzimmer. Kunden erhalten sie mit erheblicher Verzögerung.
Stimme ersetzt Stift und Tastatur
Gemeinsam mit dem CML und weiteren Partnern will Wärtsilä diesen Prozess digitalisieren. Das Projekt „Voice-to-Report“ soll Monteure mit Datenbrillen und tragbaren Geräten – sogenannten industrial wearables – ausstatten. Diese erfassen per Sprachbefehl Fotos, Videos und gesprochene Informationen. Eine KI erstellt daraus automatisch einen strukturierten, englischen Bericht, der weltweit vernetzt und abrufbar ist. Ziel ist eine deutlich effizientere und fehlerärmere Dokumentation.
Allerdings gebe es auch Risiken, so Pauly. Etwa, wenn Wearables nicht mit Schutzkleidung kombinierbar sind, Datenschutzprobleme auftreten oder die beantragte Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium ausbleibt. Auch die technische Umsetzbarkeit und Benutzerfreundlichkeit werden entscheidend sein.
Emissionen nicht mehr schätzen, sondern messen
Einen weiteren digitalen Lösungsansatz präsentierte Hinrich Brumm vom Messtechnikunternehmen Endress+Hauser SICK. Schiffe stoßen Emissionen aus, deren Menge bislang nur grob berechnet wird – etwa auf Basis veralteter Prüfstandsdaten und pauschaler Emissionsfaktoren. Besonders problematisch sei das bei alternativen Treibstoffen wie Ammoniak. „Das heißt, eventuell zahlen Sie als Betreiber mehr für Emissionen, als Sie eigentlich müssten“, sagte Brumm. Konservative Annahmen führten oft zu höheren Abgaben.
Das Projekt DIVMALDA („Digitization and Verification of Marine Live Emission Data“) setzt auf Live-Messung direkt am Schornstein. Die erfassten Daten werden durch KI verifiziert und sollen deutlich präzisere Emissionsangaben ermöglichen. Erste Sensoren sind bereits auf dem Containerfrachter „MSC Savona“ verbaut. Ein weiteres System soll auf dem Hamburger Behördenschiff „Johannes Dalmann“ folgen.
Roboter am Gleis statt Mensch mit Hebel
Neben Vorträgen wurden auch technische Entwicklungen vorgeführt – etwa ein rollender Roboter mit Magnetarm, der mehrere Kilo schwere Pins bewegen kann. Diese Metallzapfen sichern Container auf Güterzügen. Da jede Zugladung individuell ist, müssen die Pins vor dem Beladen per Hand in die richtige Stellung gebracht werden – bisher ein manueller Prozess.
Das Fraunhofer CML hat gemeinsam mit der Hamburger Hafenlogistik HHLA eine Pilotlösung entwickelt, die auf dem Terminal Tollerort getestet wurde. „Jetzt fährt dieser Roboter entlang der Züge, klappt vor jeder Zugbeladung die Pins in die richtige Position“, erklärte Johann Bergmann vom CML. Vorteil: Der Roboter gefährdet keine Menschen in seiner Umgebung. Nachteil: Noch arbeitet er langsamer als ein Mensch, und seine Robustheit müsse weiter verbessert werden. Ziel sei aber ein automatisiertes System, das künftig rund um die Uhr einsetzbar ist.
Quantencomputer und Meeresmüll
Immer wieder fällt auf der Konferenz der Begriff Quantencomputer. Das sind extrem leistungsstarke Computer, die aber auch sehr speziell arbeiten, ein Teilnehmer spricht von Instabilität. Wie Quantencomputer dereinst helfen könnten, die Routen- und Geschäftsplanung zu optimieren, dazu referieren Dr. Anisa Rizvanolli vom CML und Nils Aden, Geschäftsführer der Harren Group, der als Beispiel einen Frachtschiffdienst in Südamerika wählt.
Die Liste weiterer Themen reichte von Schiffsrumpfreinigung über Stauplanung bis zu Cybersicherheit. Ein besonderes Highlight war die Präsentation des Robotersystems SeaClear 2.0 im Harburger Binnenhafen. Das Gemeinschaftsprojekt der Hamburg Port Authority mit dem Fraunhofer CML zur Meeresmüllbeseitigung kombiniert unbemannte Unterwasser- und Überwasserfahrzeuge mit Drohnen. Dank KI und hochauflösender Sensorik kann das System Müll auch in schwer zugänglichen oder risikoreichen Bereichen erkennen und gezielt entfernen. (phs/mcw)

Das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) liegt direkt am Hamburg-Harburger Binnenhafen. Hier werden zusammen mit der Industrie Innovationen für die maritime Branche auf den Weg gebracht.
Foto: Phillipp Steiner