
Nur nicht ablenken lassen : Ana-Cristina Patzer von den Johannitern versucht, ein Mikadostäbchen zu bewegen. Ihre Kollegin Anja Tischer und die Flüchtlinge Wasid Prince und Abdullah verfolgen gespannt ihre Aktion. Foto Gehrke
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Cuxland
Flüchtlinge in Hagen: Ganz ins Spiel versunken
12. Januar 2016 // 19:45
Jetzt bloß nicht wackeln. Abdullah aus Pakistan zieht hochkonzentriert an einem Mikado-Stäbchen. Ana und Wasid Prince geben alles, um ihn am Erfolg zu hindern. Sie schreien Buh!, schneiden Grimassen, deuten an, ihm in den Finger zu beißen. Abdullah versucht, konzentriert zu bleiben. Dann brechen alle in Gelächter aus, schlagen sich auf die Beine.
Unbeschwerter Alltag
Unbeschwerter Alltag in der Hagener Notunterkunft. Die Flüchtlinge vergessen ihre schwere Vergangenheit und ihre ungewisse Zukunft nicht. Mit am Spielbrett sitzt immer die gelernte Erzieherin Anneliese Siestrup (Foto). Die Sandstedterin arbeitet in Hagen für die Johanniter. Sie brachte eine große Spiele-Sammlung von zu Hause mit und lädt nun tagein, tagaus an der Biertisch-Garnitur in der Turnhalle zu einer Partie Mikado oder Mensch-ärgere-dich-nicht ein. Die Sandstedterin erklärt dann mit Händen und Füßen die Regeln.
Internationales Kauderwelsch
Abdullah und Wasid Prince haben zwar noch nie im Leben Mikado gespielt, doch sie verstehen schnell, um was es geht. Beim Spiel bildet sich ein internationales Kauderwelsch mit Deutsch, Englisch, Arabisch, Persisch und Hindi. „Namaste“, „Kollega“, „friend“. Doch am meisten wird ohne Sprache gesagt, durch Blicke und Gesten. „Ich habe ihnen auch Mensch-ärgere-dich-nicht, Halma, Schach, Mühle oder Domino gezeigt“, erläutert die 71-jährige Siestrup.
Halma ist unbekannt
Während die Gruppe jetzt „Mensch-ärgere-dich-nicht“ spielt, dreht sich die Sandstedterin immer wieder um, um Frauen beim Häkeln zu begleiten oder mit den Kindern, die Hevidar und Osama heißen, zu spielen. Wenn sie an der Reihe ist, rufen Wasid Prince und Abdullah schon ungeduldig „Anneliese“. „Nicht jeder kennt die Gesellschaftsspiele. Vor allem nicht, wenn sie aus den Dörfern kommen“, erklärt der Dolmetscher Schiyar Hemqadi. Er kommt manchmal dazu, um die Spielregeln etwas ausführlicher zu erklären. Das Spielen sei aber wichtig, um „auf neue Gedanken zu kommen“. Das finden auch Anja Tischer und Silke Handelmann von den Johannitern, die sich gerne dazugesellen.
Neue Flüchtlinge einladen
Gerade für die Flüchtlinge, die sehr lange in der Notunterkunft wohnen, sei das Spielen sehr wichtig. Am Dienstag sind wieder neue Flüchtlinge in Hagen angekommen. Sie werden sich erst einmal ausruhen wollen. Doch dann wird Anneliese Siestrup auch die Neuankömmlinge einladen, auf eine Partie Mensch-ärgere-dich-nicht.
Spiele aus aller Welt
- Im arabischen und türkischen Raum ist das Brettspiel „Tavla“ Volkssport. Es wird auf einem Backgammon-Brett gespielt. Oft bei einer Tasse Tee.
- Im Irak ist laut Flüchtling Ahmed Domino äußerst beliebt. Es wird oft im Café gespielt.
- In Pakistan erfreut sich laut Abdullah ein traditionelles Kartenspiel mit 52 Karten großer Beliebtheit. 2 bis 10 Personen nehmen daran teil. Es wird eher mit Freunden als mit der Familie gespielt.
- Das Spiel Dame ist insbesondere in Russland und den Niederlanden Profisport.
- Halma heißt im Englischen Chinese Checkers und im Französischen Dames chinoises. Das deutet zwar auf einen chinesischen Ursprung hin, der ist aber nicht bewiesen.
- Genauso ist es auch bei Mikado, das einen japanischen Namen trägt. Es war schon den Römern bekannt.

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Flüchtlinge und Johanniter spielen ein Brettspiel. Foto Gehrke
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