Anny Hartmann

Anny Hartmann im Gespräch in der Schnack-Bar

Foto: Thorben Hofmann

Kultur

„Klima-Ballerina“ mag Regen nicht, weil er „von oben herab“ ist.

30. November 2023 // 09:00

Es fühlt sich an wie ein Mädchenabend, als wir mit Softdrinks, Erdnussflips und Marzipankartoffeln auf dem Innenhof des Superior Hotels Haverkamp im Zwielicht miteinander tuscheln.

Nicht, weil wir über andere Menschen lästern, sondern weil wir den lauschigen Sommerabend für einen Klönschnack unter freiem Himmel nutzen und keine Gäste stören wollen, die bei offenem Fenster schlafen.

„Die Marzipankartoffeln kriege ich häufig von Fans geschenkt, seitdem ich in einem Programm erzählt habe, dass ,dieses Bäuchlein‘ sponsored by Marzipankartoffeln sei“, verrät Anny Hartmann grinsend, kreist mit der Hand über ihren Bauch und lässt eine der süßen Kugeln in ihrem Mund verschwinden. „Eigentlich drücke ich die vorher platt und knete darin rum, bevor ich sie esse - aber nur, wenn ich alleine bin.“ Die Kabarettistin zwinkert und ihre Augen blitzen schelmisch.

Deutscher Kabarettpreis

Eben unterhielt die Gewinnerin des diesjährigen Kabarettpreises noch das Publikum im Capitol Bremerhaven mit ihrem Programm „Klima-Ballerina“, in dem sie mit den neun Lügen des Klimawandels abrechnet. Jetzt entspannt sie beim alkoholfreien Absacker in der Schnack-Bar. „Wobei kannst du gut abschalten?“, frage ich Anny Hartmann. „Das passiert nicht, würde mein Mann sofort sagen“, entgegnet sie postwendend und lacht. „Ich mag alberne Witze, da kann ich lachen und den Moment genießen. Ansonsten ist mein Kopf immer beschäftigt. Ich denke schnell, ich rede schnell und entscheide schnell.“ Ihr flinker Geist mit einer klaren politischen Meinung, die sie privat und auf der Bühne vertritt, wird getragen von einer gefestigten Physis. „Ich brauche Kraft für die Position, die ich vertrete, deshalb halte ich mich mit Sport fit. Ich sage immer, mit Haltung zur Haltung.“

Ihr Kopf schaltet sich nie aus

Kommen die Ideen zu den Texten und Themen etwa beim Bankdrücken? „Überall, mein Kopf schaltet sich ja nie aus. Ich schreibe meine Ideen zu einem Thema in ein Word-Dokument, hole mir auch Bücher oder online für weiteres Wissen. Und ehrlich, je mehr ich weiß, desto weniger schaue ich Nachrichten.“

In ihrem letzten Programm setzte sich die studierte Volkswirtin mit dem Kapitalismus auseinander. „Dazu ist alles geschrieben, deshalb habe ich mich des Klimathemas angenommen.“

Entspannung fürs Gehirn

Nachdem sie ihre Programminhalte zusammengestellt hat, übernimmt Regisseur Tillmann Courth. „Er gibt allem den dramaturgischen Schliff. Das ist echt viel Arbeit und ist total wichtig, denn ein alberner Spruch oder ein Witz zwischendurch ist wichtig, damit die Menschen ihr Gehirn entspannen können. Danach haben alle eine bessere Aufmerksamkeit. Deshalb bediene ich bewusst Klischees wie englisches Essen oder schimpfe über schlechtes Wetter (Regen mag ich nicht, der ist immer so von oben herab).“

„Klima-Ballerina“

„Als Klima-Ballerina setzt du dich ja sehr für die Letzte Generation und ihre politischen Positionen ein. Wie setzt du das als Privatperson um?“ Anny überlegt nicht lang, bevor sie antwortet: „Ich fahre zum Beispiel mit dem Zug zu meinen Gigs. Das liegt ehrlicherweise auch daran, dass ich einen schlechten Orientierungssinn habe. Deshalb sehe ich von den Orten, in denen ich auftrete, nur selten mehr als den Bahnhof, den Weg zum Hotel und zum Veranstaltungsort. Wenn du mich während meiner Tournee fragst, wo ich den nächsten Auftritt habe, kann ich das auch eher beantworten, als woher ich komme.“

Im Winter flieht sie nach Portugal

„Wenn Zurückschauen in dem Zusammenhang nicht dein Talent ist, was möchtest du denn in der Zukunft noch erleben?“ - „Ich möchte mal meinen Geburtstag in Irland feiern, weil da dann St. Patricks Day gefeiert wird“, verrät die Kabarettistin und ergänzt: „Im Winter entfliehe ich gerne und regelmäßig nach Portugal. Ich spreche portugiesisch, denn wenn ich ein Land und die Leute kennenlernen möchte, dann hilft es, auch die Sprache zu kennen.“

„Das ist doch auch hierzulande ein gängiges Argument von fremdenfeindlichen Gruppierungen, die sich lauthals darüber beschweren, wenn Flüchtlinge nicht gut deutsch sprechen. Wo ist die Grenze?“ Anny richtet sich sofort kerzengerade auf: „Darüber wird sich doch nur bei armen Leuten aufgeregt. Bei Profifußballern nicht. Aber Millionäre sind ja keine Flüchtlinge. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, als die letzte Marzipankartoffel mit einem Haps in ihrem Mund verschwindet.

von Rita Rendelsmann (text), Thorben Hofmann
(Fotos) im Innenhof
des Superior Hotels

Haverkamp

Logo Schnack Bar

Foto: NZ

Anny Hartmann im Gespräch

Foto: Thorben Hofmann

Logo

Foto: NZ

Anny Hartmann hört aktiv zu.

Foto: Thorben Hofmann