
Wie neben einem echten Schiffsrumpf: Der Ausstellungsraum „An der Kaje“ zeigt eine Hafenszene des Jahres 1988.
Foto: Stefan Volk
Museum will ein Ort der Begegnung sein
Seit zwei Jahrzehnten erzählt das Deutsche Auswandererhaus (DAH) von Aus- und Einwanderung. Jenseits medialer Aufregung und gesellschaftlicher Ermüdung um Migrationsdebatten: Das Museum ist bis heute einer der Publikumsmagneten Norddeutschlands.
Die Geschichte des Deutschen Auswandererhauses (DAH) beginnt in den 1980er-Jahren. Ein Freundeskreis für ein Auswanderermuseum baute nicht nur eine Bibliothek und Grafiksammlung auf, sondern gründete zusammen mit anderen europäischen Hafenstädten das Netzwerk AEMI zur Erforschung der Geschichte der Auswanderung.
Eröffnung in Bremerhaven im Jahr 2005
Lange war Migration als Thema in Museen und öffentlichen Erinnerungsorten in Deutschland wenig sichtbar. Vor 20 Jahren änderte sich das: Mit der Eröffnung des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven im Jahr 2005 entstand das erste Migrationsmuseum in Deutschland, das heute die Geschichte und Gegenwart von Aus- und Einwanderung sichtbar und erfahrbar macht.
Biografisch geprägte Migrationserzählungen
Das Haus füllte eine erinnerungskulturelle Lücke und schuf durch biografisch geprägte Migrationserzählungen bedeutsame Ergänzungen und alternative Perspektiven zu national geprägten Geschichtserzählungen. Mehr als 3,35 Millionen Gäste aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt haben das mehrfach ausgezeichnete Haus seither besucht. Sie finden dort weit mehr als eine klassische historische Darstellung der üblichen Fakten: Das Museum hat sich neben seinen authentisch-lebensnahen Nachbildungen wichtiger Auswandererstationen zu einem lebendigen Ort des Dialogs und der Auseinandersetzung entwickelt, der zeigt, wie eng persönliche Geschichten und globale Entwicklungen verknüpft sind.
Zwei Erweiterungen
Die Vielseitigkeit, mit der das DAH das Thema Migration vermittelt, zeigt sich zum einen in den zweimaligen baulichen wie inhaltlichen Erweiterungen der Dauerausstellung 2012 und 2021. Das DAH macht seitdem neben der Auswanderung auch die Einwanderungsgeschichte nach Deutschland sichtbar.
40 Fokusausstellungen
Zum anderen zeigt sich die Vielseitigkeit in der Anzahl von Sonderausstellungen: 40 Fokusausstellungen mit unterschiedlichsten Schwerpunkten hat das Museum seit seiner Eröffnung präsentiert: So rückte etwa „Nach Buenos Aires!“ im Jahr 2008 deutsche Auswanderer und Flüchtlinge nach Argentinien sowie ihre Nachfahren in den Fokus; 2014/15 beleuchtete eine Ausstellung über Displaced Persons (DPs) das weniger bekannte Kapitel wie und wohin Holocaust-Überlebende nach dem Zweiten Weltkrieg zogen.
„…bisschen anders, aber genauso“
Auch bisher eher unbeachtete Einwanderungsgruppen werden in den Blick genommen: Die Ausstellung „…bisschen anders, aber genauso“ widmete sich 2022 den Kubanern, die in der DDR ein neues Zuhause fanden und nach der Wiedervereinigung ihren Platz in der Bundesrepublik neu aushandeln mussten. Mit der aktuellen Ausstellung „Verlockung Weltall. Auswandern auf Mond, Mars, Venus?“ thematisiert das Museum nun Auswanderung als globale Zukunftsvision.
Beginn in den 1980er-Jahren
Die Geschichte des Deutschen Auswandererhauses (DAH) beginnt in den 1980er-Jahren. Ein Freundeskreis für ein Auswanderermuseum baute nicht nur eine Bibliothek und Grafiksammlung auf, sondern gründete zusammen mit anderen europäischen Hafenstädten das Netzwerk AEMI zur Erforschung der Geschichte der Auswanderung.
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Mehr als 3.000 Familiengeschichten
Auch die Sammlung des Museums wurde maßgeblich mithilfe von Privatpersonen begründet: Seit der Ankündigung des Museumsprojekts gelangten so mehr als 3.000 Familiengeschichten mit mehr als 35.000 Objekten zur Aus- und Einwanderungsgeschichte seit dem 17. Jahrhundert ans Haus und bilden heute eine einzigartige Museumssammlung.
Raum für Reflexion
Aus dem ursprünglich als historisches Museum gedachten Ort ist seitdem ein lebendiges Forum geworden. Als „Dritter Ort“ schafft das Museum Raum für Reflexion, Austausch – und für gute gemeinsame Zeit. Mit partizipativen Formaten zeigte das DAH schon früh, dass Museen mehr sind als reine Faktenvermittler: nämlich Orte der Begegnung, Aushandlung und Diskussion einer gemeinsamen Welt. Damit will das Haus auch als außerschulischer Lernort für Schul- und andere Bildungsgruppen attraktiv sein.
Joachim Gauck schrieb 2015 ins Gästebuch
Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck schrieb 2015 ins Gästebuch: „Als Schüler hätte ich mich gefreut, auf diese Weise Geschichte zu lernen. Es ist ein Erlebnis – man sieht, dass sich die jungen Menschen hier wohlfühlen.“
„Wir leben zusammen“
„Wir leben zusammen.“ Dieser Schriftzug an der Fassade des DAH bringt auf den Punkt, wofür das Museum bis heute in Zeiten eines polarisierenden gesellschaftlichen Diskurses weiter stehen will: für eine offene, vielfältige Gesellschaft. Migration wird in dem Museum nicht als Ausnahme, sondern als Normalität erzählt – als Teil gemeinsamer Geschichte vieler Menschen rund um den Globus.
Freund und Förderer
Das Deutsche Auswandererhaus lag Dr. Joachim Ditzen-Blanke, dem 2019 verstorbenen ehemaligen Verleger und Herausgeber der NORDSEE-ZEITUNG, sehr am Herzen. Er hat 1995 gemeinsam mit anderen Bremerhavener Unternehmern den „Initiativkreis Erlebniswelt Auswanderung“ ins Leben gerufen. Daraus ging die Stiftung Deutsches Auswandererhaus hervor, der eigentliche Träger des Museums. Ditzen-Blanke stiftete unter anderem auch 2015, dem zehnten Geburtstag des DAH, den Kalliope-Preis für praxisnahe Migrationsforschung.