DFB-Team im Reifeprozess
Geerdet und nicht losgelöst von der Erde wirkte der Bundestrainer am Mittwochabend nach dem zweiten Sieg im zweiten Spiel, mit dem sein Team vorzeitig das Achtelfinale erreicht hat.
Nüchtern analysierte er in der Pressekonferenz die schwierige Anfangslage im Spiel gegen die Ungarn, in der seiner Mannschaft lange die Souveränität und Sicherheit fehlte, um dann am Ende dann doch verdient mit 2:0 zu gewinnen.
Mut, Kampf und Spielfreude
Ohne Blut, Schweiß und Tränen, aber mit Mut, Kampf, Spielfreude und Manuel Neuer, der drei Großchancen der Ungarn entschärfte. „Ein sehr unangenehmer Gegner, das Spiel muss man erstmal gewinnen“, sagte Julian Nagelsmann, der „im Großen und Ganzen“ zufrieden war. Vor allem mit dem „Reifeprozess“, den er seiner Mannschaft bescheinigte.

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Bundestrainer Julian Nagelsmann gibt klare Anweisungen - und das deutsche Team folgt ihm.
„Im November hätten wir dieses Spiel noch nicht gewonnen“, sagte der 36-Jährige mit Blick auf die damals noch nicht vorhandene Balance, die am Mittwochabend in Stuttgart mit zunehmender Spielzeit zum Erfolgsfaktor wurde, nachdem die Ungarn in der ersten Halbzeit mit ihrem schnellen Umschaltspiel den Deutschen Probleme bereitet hatten.
In der K.-o.-Phase warten gefährliche Situationen
„Solche Momente zu überstehen, bringt der Mannschaft enorm viel, weil man dann daran glaubt, dass man es kann“, sagte der für die Statik verantwortliche Toni Kroos, der prophezeit: „Ab der K.-o.-Runde werden diese schwierigen Momente häufig da sein.“
Auch Ilkay Gündogan, der als bester Spieler ausgezeichnet wurde, sagt: „Man muss die gefährlichen Situationen überstehen, und wenn man die Möglichkeit bekommt, muss man eiskalt zuschlagen. Das haben wir super gemacht.“
„Wenn wir uns auf dem Spielfeld ansehen, genügt eine Millisekunde und dann wissen wir, was der andere denkt und macht.“
Gündogan sprach vom „wir“, er hätte es auch direkt auf sich beziehen können, denn zum Sieg hatte er entscheidend beigetragen. Bei der Vorbereitung des Führungstreffers in der 22. Minute war er robust in den Zweikampf mit dem Leipziger Willi Orban gegangen - der üblicherweise als Abwehrspieler derlei Zweikämpfe auch robust beendet.
Dieses Mal allerdings fiel er nach einem energischen Körperkontakt mit dem deutschen Kapitän, den der niederländische Schiedsrichter Danny Makkelie nicht als Foul ahnden mochte. Gündogan blieb am Spielgerät, passte zurück auf Jamal Musiala und der Münchner Jungstar erzielte sein zweites EM-Tor.
Musiala mit mehr Selbstbewusstsein als bei der WM
Noch bei der WM in Katar gehörten erfolgreiche Torschüsse nicht zu seinem Repertoire. „Vor dem Tor habe ich inzwischen auch das Selbstbewusstsein, dass der Ball dann auch reingeht“, sagte Musiala, der nach dem Treffer in seiner Geburtsstadt Stuttgart besonders gefeiert wurde und der erneut zu den Besten im Team zählte.
Mit einem wunderschönen Pass auf den Stuttgarter Maximilian Mittelstädt leitete er den wichtigen zweiten Treffer in der 67. Minute ein, den Gündogan nach dem Mittelstädt-Zuckerpass mit Übersicht erzielte. Danach war der Stecker für die Ungarn gezogen.
Geduldig die Aufgabe auf dem Platz erfüllen
Obwohl der in Barcelona kickende Kapitän noch vor dem Turnier von vielen Experten keinesfalls als gesetzt galt, verzichtete der nach dem Spiel hochgelobte „Man oft the Match“ auf jedwede Äußerung, die als Genugtuung interpretiert werden könnte: „Ich wollte immer geduldig bleiben und auf dem Platz meine Aufgabe erfüllen, ohne mich allzu wichtig zu nehmen.“

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Toni Kroos (re.) und Ilkay Gündogan nebeneinander im Mittelfeld. Das passte selten. Jetzt spielen die Strategen versetzt im Zentrum und es läuft.
Allerdings gab es eine Liebeserklärung in eigener Sache an seinen kongenialen Spielgefährten Toni Kroos: „Wenn wir uns auf dem Spielfeld ansehen, genügt eine Millisekunde und dann wissen wir, was der andere denkt und macht.“
DFB-Team will gegen die Schweiz den Gruppensieg
Ohne sich anzusehen, plädierten beide unisono auf den Gruppensieg am Sonntag in Frankfurt: „Wir brauchen den Sieg gegen die Schweiz“, sagt Gündogan. Dann würde Deutschland als Gruppenerster auf den Zweiten der England-Gruppe treffen, Slowenien, Dänemark oder Serbien.
Julian Nagelsmann mochte bezüglich des Achtelfinal-Gegners nicht spekulieren, weil er das nicht beeinflussen könne. Ihn interessiere die Wirkung nach innen und da seien Siege für das Selbstbewusstsein immer ganz wichtig.
Deswegen werde er auch „keine sieben Wechsel“ vornehmen und an dem eingeschlagenen Weg des Vertrauens nichts verändern. Ganz nach dem Songtext von Rapper Kontra K: „Dranbleiben, anspann′n und standhalten“, denn „Erfolg ist kein Glück, sondern das Ergebnis von Blut, Schweiß und Tränen.“
Ilkay Gündogan

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