Großes Lob für den EM-Auftakt
Es war schon nach Mitternacht, als Jamal Musiala strahlend das Presse-Podium in der Münchner Arena erklomm und in den allgemeinen Chor der Nacht einstimmte. „Das 5:1 fühlt sich echt gut an“, schwärmte der Profi des FC Bayern nach dem gelungenen Start der deutschen Nationalmannschaft in die Fußball-Europameisterschaft. Als „Man oft the Match“ wurde Musiala, Torschütze zum 2:0 gegen Schottland, besonders gewürdigt. Bundestrainer Julian Nagelsmann legte vor dem Spiel am Mittwoch gegen die Ungarn die Rolle des Mahners ab: „Es macht wenig Sinn, jetzt zu viel zu bremsen.“
Auch der nachnominierte Emre Can zählt zu den Gewinnern
Beim Sieg gegen die Schotten gab es am Freitagabend viele Gewinner, auch einen, der zwei Tage zuvor noch im Urlaub weilte. „Eine krasse Situation“, sagte der Dortmunder Emre Can im Trainingslager in Herzogenaurach. Am Mittwoch wurde er nachnominiert, in der 80. Minute kam er für Toni Kroos aufs Feld und 13 Minuten später erzielte er das Tor zum 5:1.
Spanische Zeitung sieht „Zwei Teufel auf freiem Fuß“
Als Gewinner gingen auch die beiden Torschützen Jamal Musiala und Florian Wirtz vom Platz, deren Auftritt die spanische Zeitung „As“ so kommentierte: „Zwei Teufel auf freiem Fuß in München.“ Die italienische „Gazetto dello Sport“ titelte: „Dieses Deutschland macht schon Angst“.
Von Lothar Matthäus gibt es die Note 1
Waren die Deutschen so gut oder die Schotten so schlecht? „Alles perfekt und Note 1 für die Mannschaft“, urteilte Lothar Matthäus. „So hat mich lange kein Auftritt einer deutschen Nationalmannschaft mehr begeistert, die Leistung der Mannschaft war absolute Weltklasse“, urteilte Ex-Bundestrainer Berti Vogts, Europameister von 1996. Zwei Fakten machen neben dem Ergebnis die Überlegenheit deutlich: 20:1 Torschüsse und 10:2 Flanken.
Nagelsmann war mit dem Gegenpressing zufrieden
„Die ersten zwanzig Minuten waren beeindruckend“, befand Nagelsmann, der das Gegenpressing der gesamten Mannschaft hervorhob und kein Sonderlob vergeben mochte - neben Musiala und Florian Wirtz hätte der auch İlkay Gündoğan und Toni Kroos erwähnen müssen.
Der königlich agierende Kroos hatte 102 Pässe in der Bilanz, 99 Prozent kamen an, ein unglaublicher Wert des Rückkehrers, der für Stabilität und Kreativität gesorgt hatte. Ihm bescheinige der Trainer unabhängig vom Auftritt am Freitagabend: „Er gliedert sich total in die Gruppe ein und läuft wie jeder andere durch die Kabine, was nicht bei allen Weltklassespielern so ist.“ Der Champions-League-Sieger von Real Madrid stellte aber auch fest: „Der Gegner war natürlich nicht in Topform, spätestens nach der Roten Karte war es entschieden.“
Das Gegentor wird nicht als Betriebsunfall abgehakt
Dass es am Ende noch ein Gegentor durch ein unglückliches Eigentor von dem ansonsten wie eine Maschine agierenden Antonio Rüdiger gab, wurde nicht nur als Betriebsunfall gewertet. „Es ist gut, dass sich die Mannschaft sehr über das Gegentor aufgeregt hat. Das ist bei 4:0 ein gutes Zeichen“, sagte Julian Nagelsmann. Kapitän Gündogan mahnte: „Das Gegentor hat gezeigt, dass kleine Unaufmerksamkeiten schnell bestraft werden können, das war ein guter Warnhinweis für uns.“
Routinier Thomas Müller warnt vor Rückschlägen
Einer, der üblicherweise nach einem Sieg gerne die Rolle des Spaßvogels spielt, zeigte sich angesichts der Fan-Euphorie („Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“), ungewohnt nachdenklich. „Dieses Emotionsgedusel liest sich zwar immer ganz nett, aber es trägt dich nicht durch ein Turnier, es wird Rückschläge geben“, sagte Thomas Müllerund belegte seine Warnung mit zwei Erfahrungsberichten: Bei der WM 2010 in Südafrika besiegte Deutschland zum Auftakt Australien mit 4:0 und kassierte im zweiten Spiel den Dämpfer - 0:1 gegen Serbien. Ebenso bei der WM 2014 in Brasilien: Erst 4:0 gegen Portugal, dann 2:2 gegen Ghana.
Gegen Ungarn rechnet die DFB-Elf mit mehr Gegenwehr
Insgesamt blieb die Stimmung bei den Beteiligten geerdet. „Es war nur ein erster, aber ein sehr guter und wichtiger Schritt“, erklärte Nagelsmann, der am Mittwoch in Stuttgart (18 Uhr, ARD und MagentaTV) gegen Ungarn einen stärkeren Gegner erwartet, trotz deren 1:3-Niederlage gegen die Schweiz. „Ungarn ist ein unangenehmer Gegner, schwer vorzubereiten, sie haben teilweise einen wilden Aufbau, sind schwer zu packen. Da sind viele Freigeister unterwegs.“ Wie bei seiner Mannschaft aber auch.

© Tom Weller
Thomas Müller weiß aus seiner Turnier-Erfahrung, dass es für das DFB-Team Rückschläge geben kann. Am Mittwoch geht es im zweiten Spiel gegen die Ungarn.