Schatten von einer körperlichen Auseinandersetzung.

Gewalt in der Erziehung schädigt Kinderhirne. Experten sehen noch viel Aufklärungsbedarf.

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Ein Klaps als Erziehungsmittel? Jeder Dritte hält ihn noch für vertretbar

29. September 2025 // 13:00

Vor genau 25 Jahren hat der Bundesrat das Gesetz zur gewaltfreien Erziehung verabschiedet – ein Meilenstein, der nachhaltige Debatten ausgelöst hat.

Damals galt körperliche Züchtigung noch vielerorts als normale Erziehungsmethode. Heute ist sie verboten – doch die Spuren sind tief.

Schulalltag mit Rohrstock und Ohrfeigen

Kinderpsychiater Jörg Fegert erinnert sich an seine Schulzeit mit Lederhose – zum Schutz vor dem Rohrstock. Gewalt war nicht nur in Schulen üblich, sondern auch im Elternhaus an der Tagesordnung. Erst durch internationale Impulse wie die UN-Kinderrechtskonvention kam Bewegung in die deutsche Gesetzgebung.

Ein Umdenken durch Forschung und Aufklärung

Bereits vor dem Gesetz wuchs das Bewusstsein für kindliche Verletzlichkeit. Historiker verorten die Wurzeln im US-amerikanischen Einfluss der 30er-Jahre und der 68er-Bewegung in Deutschland. Diese Entwicklungen führten dazu, dass Kinder zunehmend als gleichwertige Individuen wahrgenommen wurden.

Gewalt schadet Gehirn und Seele

Kinderpsychiater wie Sibylle Winter schlagen Alarm: Anhaltender Stress durch Gewalt – auch verbale – kann das kindliche Gehirn massiv schädigen. Funktionen wie Selbstregulation und emotionale Kontrolle werden beeinträchtigt. Auch seelische Gewalt hinterlässt tiefe Wunden, die bis ins Erwachsenenalter reichen können.

Zustimmung zu Gewalt nimmt ab – aber bleibt ein Problem

Eine aktuelle Umfrage des Universitätsklinikums Ulm und Unicef zeigt: 36,9 Prozent der Befragten ab 16 Jahren halten einen „Klaps auf den Hintern“ für harmlos. Das ist jeder Dritte. 2016 waren es noch über 53 Prozent. 17,1 Prozent halten eine leichte Ohrfeige für angebracht, 5,4 Prozent sogar eine Tracht Prügel – der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen. Vor allem Ältere befürworten häufiger körperliche Strafen, doch auch hier ist ein rückläufiger Trend zu beobachten.

Soziale Belastung als Risikofaktor

Erziehung gelingt nicht im luftleeren Raum. Alexandra Langmeyer vom Deutschen Jugendinstitut betont den Einfluss von Armut, beengtem Wohnraum und psychischer Belastung. Besonders während der Pandemie zeigte sich, wie eng familiäre Lebensumstände mit Erziehungsverhalten verknüpft sind.

Prävention und Perspektivwechsel als Schlüssel

Experten fordern mehr Präventionsangebote und Elternbildung – möglichst schon vor der Geburt eines Kindes. Eltern müssten lernen, sich in die kindliche Perspektive hineinzuversetzen, statt Anpassung an die Erwachsenenwelt zu verlangen. Nur so könne eine nachhaltige Veränderung gelingen. (dpa/kh)