
Blick in ein Sprechzimmer einer Hausarztpraxis vom Hausarzt.
Foto: Monika Skolimowska
Patient prügelt Arzt fast tot: Gewalt gegen Mediziner erreicht neuen Höchststand
Ein Arzt wird bewusstlos geprügelt, Kollegen erleben täglich Drohungen. Die Gewalt in Praxen nimmt zu – die Bundesärztekammer fordert dringend schärfere Gesetze.
Gewalt in Arztpraxen eskaliert – Mediziner fordern Schutz
In Spenge, Nordrhein-Westfalen, ist ein Hausarzt Opfer eines brutalen Angriffs geworden. Ein 24-jähriger Patient attackierte den 54-jährigen Mediziner in dessen Praxis völlig unvermittelt. Der Arzt wurde bewusstlos geschlagen und erlitt schwere Gesichtsverletzungen. Mehrere Stunden musste er im Krankenhaus behandelt werden und fällt nun zwei Wochen lang aus. Besonders alarmierend: Der Täter soll ihn und seine Familie mit dem Tod bedroht haben. Trotz der Schwere des Angriffs ist der Angreifer weiterhin auf freiem Fuß.
Keine Einzelfälle: Gewalt gegen Ärzte nimmt zu
Der Vorfall in Spenge ist kein isoliertes Ereignis. Erst am Montag kam es an der Düsseldorfer Uniklinik zu einer bedrohlichen Situation: Ein Mann zog ein Messer und bedrohte einen Arzt. Die Polizei versuchte zunächst, ihn mit einem Elektroschocker zu stoppen – ohne Erfolg. Erst ein Schuss ins Bein beendete die Gefahr. Ein Hausarzt aus dem Landkreis Wolfenbüttel berichtet, dass Beleidigungen und Drohungen in seiner Praxis längst zum Alltag gehören. „Es ist nicht mehr auszuhalten“, sagt er und denkt darüber nach, seinen Beruf aufzugeben.
Ärzte fordern Strafrechtsverschärfung
Der attackierte Hausarzt Andreas Schimke ist fassungslos über die fehlenden Konsequenzen für seinen Angreifer. „Ich fühle mich nicht wirklich geschützt“, sagt er. Er fordert, dass Mediziner im Strafrecht besser berücksichtigt werden. Bisher gilt ein besonderer Schutz für Rettungskräfte und Polizeibeamte (§ 115 StGB), doch Ärzte und Praxispersonal sind darin nicht einbezogen. Die Bundesärztekammer und weitere Ärzteverbände fordern eine Gesetzesänderung, um Angriffe auf medizinisches Personal härter zu bestrafen.
Erschreckende Zahlen: Hohe Dunkelziffer bei Angriffen auf Ärzte
Eine aktuelle Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zeigt, dass Gewalt gegen Mediziner längst kein Ausnahmefall mehr ist. Vier von fünf Ärzten berichten von verbalen Angriffen wie Beleidigungen oder Drohungen. 43 Prozent der Befragten haben in den letzten fünf Jahren körperliche Gewalt erlebt – von Schubsen und Spucken bis hin zu ernsthaften Attacken. Besonders betroffen sind Hausärzte, die oft allein arbeiten und Hausbesuche machen, ohne zu wissen, ob sie auf psychisch kranke oder aggressive Patienten treffen.
Bundesärztekammer: „Die Gewaltspirale muss gestoppt werden“
Die Bundesärztekammer fordert ein umfassendes Maßnahmenpaket, das über eine bloße Strafverschärfung hinausgeht. Präsident Klaus Reinhardt betont: „Angriffe auf Beschäftigte im Gesundheitswesen sind keine Bagatelldelikte, sondern schwere Straftaten.“ Neben härteren Strafen müsse es auch bessere Meldesysteme geben, damit Angriffe konsequenter verfolgt werden. Zudem müssten Ermittlungsbehörden personell und finanziell besser ausgestattet werden, um solche Fälle ernsthaft zu verfolgen. Die neue Bundesregierung sei in der Pflicht, dieses Problem auf die politische Agenda zu setzen. (dpa/vk)