Frauen mit Lipödem-Erkrankung. Betroffene kämpfen für eine Ent-Stigmatisierung der Krankheit und fordern mehr kompetente Ärzte.

Frauen mit Lipödem-Erkrankung. Betroffene kämpfen für eine Ent-Stigmatisierung der Krankheit und fordern mehr kompetente Ärzte.

Foto: Carina Gorny Fotografie

Gesundheit

Unheilbar und schmerzhaft: Über das Leiden mit Lipödem

Von Yuriko Wahl-Immel, dpa
24. Februar 2024 // 05:00

Es ist eine schwere, unheilbare Erkrankung, die nahezu ausschließlich Frauen trifft. Oft bedeutet diese Krankheit eine massive Volumenzunahme vor allem an Beinen und Armen. Dazu kommen Dauerschmerzen.

Ursachen noch immer unklar

Das Lipödem ist weitverbreitet, bleibt aber häufig unerkannt oder wird mit Adipositas verwechselt. Die Ursachen der chronischen Krankheit, bei der es zu einer drastischen Vermehrung und Vergrößerung von Fettzellen kommt, sind noch immer weitgehend unklar.

Diagnose nach 14 Jahren voller Leiden

Für Tanja Degner begann es nach der Geburt ihres Sohnes. Trotz Diäten wuchsen der Umfang der Beine und Arme und ihr Gewicht erheblich.

„Die Schmerzen haben zugenommen, ich hatte Hämatome, konnte keine Berührung aushalten.“ Nach 14 Jahren hat sie dann endlich die richtige Diagnose bekommen.

Dunkelziffer ist hoch

Der Direktor der Klinik für plastische Chirurgie am Uniklinikum Münster, Tobias Hirsch, spricht von einem „Diagnose-Gap“ von oft rund 20 Jahren, bis das Lipödem richtig erkannt werde. „Wir wissen zu wenig über diese Krankheit und was genau im Körper passiert.“ Klare Zahlen zu Betroffenen gebe es nicht, die Dunkelziffer sei hoch.

Unstrittig: „Ein relevanter Teil der weiblichen Bevölkerung ist betroffen.“ Es gebe wenig spezialisierte Ärzte, bei denen es zu extremen Wartezeiten komme. „Wir gehen von einer genetischen Veranlagung und hormonellen Triggern aus, und dass das Lipödem in hohem Maße Diät-resistent ist.“

Eine fortschreitende Erkrankung in drei Stadien

Das Lipödem wird je nach Fettgewebemenge in die Stufen I bis III unterteilt. Im dritten Stadium kann der Umfang so enorm sein, dass das Gewebe über die typischerweise schmal bleibenden Knie-, Hand- und Fußgelenke hinüberhängt. Die Stufen-Einteilung nach Fettmasse hält Hirsch für sehr problematisch, denn der Schmerz sei das zentrale Symptom.

Vier Millionen Betroffene

Claudia Effertz von der Lipödem-Gesellschaft (LipöG) schätzt, dass bundesweit bis zu vier Millionen Frauen vom Lipödem betroffen sind. Meistens trete das Lipödem in Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause auf. Es könne zu orthopädischen Begleiterkrankungen wie einer Fehlstellung der Beinachsen oder Gelenkverschleiß kommen. Auch die seelischen Belastungen seien schwer.

Fettgewebe in frühen Stadien entfernen

Kassen sollten mehr Kosten übernehmen, fordern viele Experten. Das gelte vor allem für Liposuktionen (operatives Fettabsaugen). Die neusten Lipödem-Leitlinien vom Januar 2024 empfehlen in schweren Fällen, das krankhaft massiv vermehrte Fettgewebe unter der Haut an Armen und Beinen operativ zu entfernen. Betont wird dabei auch: Die Ergebnisse der Liposuktion seien in frühen Stadien besser.

Dass diese Eingriffe mit einer Schönheitsoperation verglichen werden, ist falsch und makaber. Eine Liposuktion geht mit recht wenigen Risiken und Komplikationen einher. Die Operation macht nicht gesund, aber sie hat viele Vorteile, weiß Hirsch. Schmerzen und Körperumfang würden deutlich reduziert, ebenso orthopädische Schädigungen oder auch psychische Belastungen.

Was übernehmen die Kassen?

Eine Liposuktion wird derzeit in der Regel nur bei Stadium III bezahlt, nach Einzelfallprüfung und befristet noch bis Ende 2024. Beim GKV-Spitzenverband heißt es, die Datenlage sei unklar, es seien inzwischen möglicherweise rund 300.000 Betroffene in Behandlung. Von 2020 bis 2023 wurden demnach für insgesamt 14.180 stationäre oder ambulante (hier nur bis Mitte 2023 gezählt) Eingriffe die Kosten übernommen.

Eingriff ist medizinisch notwendig

Die Voraussetzungen für eine Erstattung lege eine Qualitätssicherungs-Richtlinie fest. Laut LiPöG bezahlen drei Viertel der Frauen ihre Eingriffe selbst, verschulden sich dafür oft. Der Berufsverband der Frauenärzte unterstreicht, Fettabsaugung bei Lipödem sei kein kosmetischer Eingriff, sondern medizinisch notwendig.