„Tatort“-Kommissar: „Borowski war anfangs ein Grobian“

„Tatort“-Kommissar: „Borowski war anfangs ein Grobian“

Einer der dienstältesten „Tatort“-Kommissare feiert Jubiläum – und nimmt demnächst seinen Hut: Seit 20 Jahren geht Axel Milberg als spröder Kieler Ermittler Klaus Borowski in der Stadt an der Ostsee auf Ganovenjagd.

„Borowski war anfangs ein Grobian“

Axel Milberg über 20 Jahre als Kieler „Tatort“-Kommissar und Dreharbeiten in Wacken

Axel Milberg hat unlängst angekündigt, dass er aus der Reihe aussteigt und demnächst für seinen letzten Fall vor der Kamera steht. Im Interview spricht der 67-Jährige unter anderem über die Jubiläumsfolge: „Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“ (Sonntag, 26. November, 20.15 Uhr, ARD) dreht sich um den Tod eines Säuglings und wurde teilweise beim Heavy-Metal-Festival in Wacken gedreht.

Herr Milberg, seit 20 Jahren spielen Sie den Kieler „Tatort“-Kommissar Borowski. Er ist ja ein schillernder Charakter – was ist Ihnen an ihm besonders wichtig?

Er hört gut zu. Er lässt sprechen, ohne moralisch zu bewerten, scheinbar ohne den Gesprächspartner unter Druck gesetzt zu haben – und entdeckt dann, was er für die Ermittlungen braucht. Das hat sich im Lauf der Jahre herausgebildet, das war nicht immer so.

Das heißt, dass Borowski im Lauf der Zeit milder geworden ist?

Am Anfang war da mehr Härte und Empörung, Borowski war ein Grobian. Die Figur zeigte dem Zuschauer auch mehr, wie er Verbrechen verurteilt. Interessanter als moralische Empörung ist aber gute Polizeiarbeit.

Es wird seit Jahren viel über die Rolle des modernen Mannes geredet. Was bedeutet das für eine Figur wie Borowski?

Ermittlungen sind Teamarbeit. Zunächst ohne Hierarchie, Schieflage, Vorbehalte. Natürlich gibt es Unterschiede: Mann – Frau, Erfahrung – jüngere Kollegin, solche Dinge. Es gibt übrigens nicht den Beruf der Assistentin des Kommissars. Und schon als wir damals eine Polizeipsychologin suchten, die Borowski Teamfähigkeit antherapiert, war uns allen wichtig: Sie soll unabhängig sein, klug, schlagfertig. Das alles brachte Maren Eggert in die Rolle der Frieda Jung ein.

Was ist typisch norddeutsch an Borowski?

Dass er nicht viele Worte macht, dass er mehr beobachtet als mitteilt. Das kenne ich aus meiner norddeutschen Kindheit. Viele Menschen im protestantischen Norden haben das Wort „ich“ nicht allzu häufig benutzt. Oder auch die Tendenz, einen Satz anzufangen und dann nicht zu Ende zu bringen. Was vielleicht auch typisch norddeutsch ist: Borowski hat nicht den Drang, jeden Tag als Geschenk des Schicksals an ihn zu feiern: Das tolle Frühstück, elegante Kleidung tragen, einen Sportwagen fahren – alles, was Lebensfreude erzählt. Das ist nicht sein Kompass.

Der Jubiläumsfall, „Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“, spielt im Umfeld des berühmten Heavy-Metal-Festivals. Wurde während des laufenden Festivals gedreht?

Wir haben einige Szenen im Vorfeld gedreht, als das Festivalgelände noch im Aufbau war, und haben am letzten Drehtag den Nachmittag und die Nacht dort gedreht, als die Bands auftraten vor etwa 80.000 Festivalbesuchern. Das war von unserer Produzentin Sabine Timmermann anderthalb Jahre lang vorbereitet worden. Da ging es um Dinge wie die nötige Drehgenehmigung, wo parkt man die Trucks, wie weit dürfen wir ans Gelände heran, die Sicherheitsfrage und: Wie stören wir deren Konzerte nicht, bekommen aber möglichst viel von dem Originalflair mit? Gleichzeit drehte Regisseur Lars Jessen auch noch seine Serie „Legend of Wacken“ über das Festival, und er erzählte mir später, dass er oft gefragt wurde: „Drehst du hier den ‚Tatort‘?“. (lacht) Kurz und gut: Es war ein kontrolliertes Durcheinander, wie wir es ja alle lieben.

Wie gefällt Ihnen die Musik?

Es gibt Bands, die ich kenne und für ihre Performance schätze, und die auch aufgetreten sind, zum Beispiel „Slipknot“. Aber ich bin vorher noch nie in Wacken gewesen und war super angenehm überrascht, auch über die Freundlichkeit der Heavy-Metal-Fans. Die Fans riefen „Borowski!“, wenn sie mich sahen, und machten Selfies mit mir. Inmitten der Heavy-Metal-Fans hat mich einer angerempelt, drehte sich um und entschuldigte sich – wo gibt‘s denn sowas? In der Fußgängerzone von München eher nicht.

Schauspieler

© Jander/NDR/ARD/dpa

Szene aus „Tatort: Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“: Mila (Almila Bagriacik) und Borowski (Axel Milberg, Zweiter von rechts) nehmen Michi Berger (Nikolaus Okonkwo) unter die Lupe.

Ende Januar 2024 starten die Dreharbeiten zu Borowskis letztem Fall. Wird Borowski tragisch enden - oder wird es ein Abschied mit einem Lächeln?

Ich kann nur sagen: Es ist ein brutaler Fall. Ein Lächeln kommt sicher auch darin vor. Aber ich werde natürlich bis zum Tag der Ausstrahlung nichts verraten.

Warum hören Sie denn überhaupt auf?

Ich brauche die Freiheit, um neue Erlebnisse zu haben, neue Filme machen zu können. Für Reisen. Gerade die Verträge mit den Streamingdiensten verlangen größere terminliche Beweglichkeit, der Markt hat sich da geändert.

Also sind Sie nicht krimimüde?

Ich? Nein. Es geht immer nur um gute oder schlechte Filme. Egal, welches Thema Sie nehmen, ob Tierhaltung oder unerfüllter Kinderwunsch, Sie können immer sehr unterschiedlich erzählen, Komödien oder Krimis daraus machen. Dem neuen Team, das ab Herbst 2024 für Kiel ermittelt, wünsche ich natürlich ebenfalls gute Drehbücher und spannende Fälle. Es gibt so viele ambitionierte AutorInnen und RegisseurInnen, die den Ehrgeiz haben, dass sich nicht immer alles wiederholt – sieht man ja auch an der Quote, die ist im Norden und generell beim „Tatort“ ungebrochen hoch.

Ist es heute immer noch ein Ritterschlag, „Tatort“-Kommissar zu sein?

Ich will nicht undankbar sein, aber ich habe ja schon vorher so viel anderes gemacht, dass ich das so nicht sagen kann. Überhaupt in diesem Beruf arbeiten zu können, ist schon fantastisch.

Welches waren Ihre Highlight-Folgen in den 20 Jahren als Borowski? Zu den bekanntesten Borowski-Einsätzen gehören sicherlich die Krimis mit Lars Eidinger als unheimlichem Serienkiller…

Ich schätze alle Folgen, bei denen ich selber vergesse, dass ich da mitspiele und bei denen etwas Fremdes hinzukommt, eine Magie. Besonders auch die Folgen, wo die dramatischen Landschaften Schleswig-Holsteins wie die Halligen und die Inseln in Ostsee und Nordsee eine Rolle spielen. Und die Begegnungen mit vielen erstaunlichen Kollegen wie Lars Eidinger, Matthias Brandt oder Maren Eggert, um nur einige zu nennen – das allein ist schon ein Geschenk. (axt)

Schauspieler

© Jander/NDR/ARD/dpa

„Borowski und der gute Mensch“: Diese „Tatort“-Folge gilt für viele Fans der Krimireihe als ein TV-Höhepunkt. Die Schauspieler laufen dabei zur Höchstform auf. Die Story? Dem Frauenmörder Kai Korthals (Lars Eidinger, rechts) gelingt die Flucht. Kommissar Borowski (Axel Milberg) muss sich seinem persönlichen Albtraum erneut stellen.

Zur Person

Axel Milberg kam 1956 in Kiel zur Welt, er absolvierte eine Schauspielausbildung in München und begann seine TV-Karriere in den 80er Jahren mit Auftritten in Serien wie „Derrick“ – zum Durchbruch verhalf ihm 1995 die Kino-Komödie „Nach Fünf im Urwald“. Seit 2003 ermittelt er im „Tatort“ in seiner Heimatstadt Kiel. Populär ist Milberg aber nicht nur als kauziger Kommissar, sondern auch als Film-Ehemann von Andrea Sawatzki in der „Familie Bundschuh“-Reihe des ZDF. 2019 veröffentlichte Milberg seinen Debütroman „Düsternbrook“, in dem er seine Kindheit in Kiel verarbeitet. Der 67-Jährige ist mit der Künstlerin Judith Milberg verheiratet, das Paar hat einen gemeinsamen Sohn und lebt in München

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Erstellt:
23.11.2023, 11:34 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 18sec

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