Ausstellung erinnert an die Künstler-WG von Müller, Michael und Schwontkoswki

Ausstellung erinnert an die Künstler-WG von Müller, Michael und Schwontkoswki

„Lieber Horst, schöne Freunde wie Wolfgang und dich habe ich hier noch nicht“, schreibt Norbert Schwontkowski 1983 aus Wien. Macht nichts, die Bremer Freunde bleiben einander verbunden. Ihr intensiver Austausch ist in der Kunsthalle nachzuerleben.

Eine intensive Dreiecksbeziehung

Ausstellung erinnert an die inspirierende Künstler-WG von Müller, Michael und Schwontkoswki

Ihre Freundschaft hielt ein Leben lang. Norbert Schwontkowski, der 2013 viel zu früh gestorbene Geschichten-Erzähler mit dem Pinsel, ist wohl der bekannteste des Trios. Doch auch der Konzeptkünstler Horst Müller und der Minimalist Wolfgang Michael haben sich weit über Bremen hinaus einen Namen gemacht. In der Ausstellung „Three by chance“ - „zufällig drei“ haben sie nun noch einmal einen gemeinsamen Auftritt in der Bremer Kunsthalle. Dabei wird es vor allem an der Foto-Wand und in den Vitrinen mit den Postkarten ein bisschen nostalgisch, untermalt wie in einem Film von Wim Wenders vom Soundtrack jener Jahre.

Diese Schau haben Müller und Michael initiiert. Ihnen zur Seite gestanden hat Eva Fischer-Hausdorf von der Kunsthalle, die Müller eine „treue Seele“ nennt, da sie alle Leihgaben besorgt habe, „die wir haben wollten“.

Zusammen mit den Kuratoren unternehmen die Besucher eine Zeitreise, erinnern sich an die Aufbruchstimmung damals. Die Dreierbande wollte nicht nur die Kunst erneuern, sondern auch die Welt ein bisschen aus den Angeln heben. Sie sind, wie es Thorsten Jantschek im Katalog formuliert, „sortenreine Jahrgänge der 68er-Generation“, geboren 1941, 1943 und 1949.

Unscharfes Foto von der Kreta-Reise

So richtig unzertrennlich wurden die Künstler während einer Reise nach Kreta. Ein unscharfes Foto, sowohl in der Ausstellung als auch als Titelbild des Katalogs verfremdet, erzählt davon, wie die langhaarigen und bärtigen Studenten die felsige Westküste Kretas erkundeten und die Einheimischen schockten, weil sie nackt badeten. Zurück in Bremen gründen sie 1974 die Lebens- und Ateliergemeinschaft in der Kohlhöckerstraße 60a, eine WG, die über ein Jahrzehnt weit über die Stadtgrenzen hinausstrahlte. Der jüngere Christoph Grunenberg, der Direktor der Kunsthalle, beschreibt sie nüchtern als „kulturellen Durchlauferhitzer“. Wie war das damals, als sie zusammen ausgestellt, - ihre erste gemeinsame Schau fand 1978 im Paula-Becker-Modersohn-Haus statt - gelebt, gearbeitet und gestritten haben? Horst Müllers Augen strahlen immer noch, wenn er beschreibt: „Wir waren täglich in Kontakt miteinander, nicht nur beim Frühstück und beim Mittagessen, sondern auch unten in den Ateliers. In den Cafés haben wir zusammen gezeichnet.“

Und sie spielten sich die Kunst-Bälle zu, die der eine aufgreift, ein anderer auch mal liegen lässt. Nur der erste Raum stellt sie noch als Einzelgänger vor. Horst Müller hat übereinander gestapelte Kochtöpfe, deren Henkel an Schnäbel erinnern, auf eine Folie gebannt und nennt die Arbeit ironisch „Die Mutter aller Enten“. Bei Wolfgang Michaels Wandarbeiten „Blau und Rot“ müssen sich die Betrachter die Farbe dazudenken, zu sehen ist nur eine schwarze Linienstruktur. Und Norbert Schwontkowski lässt einen verhüllten Hirten - ist er es selbst unter dem Tuch? - eine Herde Schafen hüten, die alle berühmte Namen tragen wie Goya, Bosch, van Eyck.

Ein Ei aus Gips und ein brütender Vogel

Bereits der nächste Raum führt vor, wie sich die drei Künstler gegenseitig inspirierten. Da sehen wir ein Foto von Horst Müller, der ein Gips-Ei in der Hand hält, das zu einer Installation gehörte. Darüber hängt eine Zeichnung von Schwontkowski von einem Vogel, der brütend auf einem Ei hockt und auf einen Totenschädel schaut. Anfang und Ende des Lebens sind hier auf ein Bild gebannt. Auch „Der 11. Versuch, die Welt zu begreifen“ schlägt fehl, Schwontkowskis Männchen küsst stattdessen die Weltkugel, während Müller aus der Kugel eine Scheibe macht, er bannt den kontinentalen Kreis auf einen Teller.

Immer wieder treffen wir in der Ausstellung, die 70 Werke aus den Jahren 1973 bis 2023 versammelt, auf solche Bezüge. Die konstruktiven Wandarbeiten von Michael treten in einen Dialog mit den Fotografien und Objekten von Müller sowie den Gemälden und Papierarbeiten von Schwontkowski. Schnell wird klar, das hier ist keine gewöhnliche Ausstellung, sondern eher eine Inszenierung einer Künstler-Freundschaft.

Dabei darf auch gelacht werden. Wenn etwa der „Uhrenwürger“ von Schwontkowski, der das Ziffernblatt zur Acht - dem Zeichen für Unendlichkeit - umformt, auf Müllers „Rendezvous“ mit zwei Uhren trifft, von denen die eine vorwärts, die andere rückwärts tickt. Einen Raum weiter beschäftigen wir uns mit „Licht und Energie“. Der figurative Maler hat in einem düsteren Bild die Raffinerien in Baku verewigt, während Michael Bänke geschaffen hat, deren Sitzflächen aus industriellen Wachs gefertigt sind. Und Müller bannt den amerikanischen Kontinent in eine Lichtspur aus Glühbirnen dem Boden.

Auf erklärende Texte verzichtet die Ausstellung. „Wir wollten die Kunst selbst sprechen lassen“, sagt Müller. So müssen die Besucher ihren eigenen Gedanken vertrauen - ein Wagnis, das Schwontkowski sicher gefallen hätte.

Die Kreta-Reise war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

© Tobias Hübel / Bremen

Die Kreta-Reise war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Auf einen Blick

Was: „Three by chance. Wolfgang Michael, Norbert Schwontkowski, Horst Müller“

Wo: Kunsthalle, Am Wall 208 in Bremen

Wann: Bis zum 28. Juli. Die Schau ist dienstags von 10 bis 21 Uhr, mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen.

Katalog: Eva Fischer-Hausdorf (Hg), „Three by Chance. Wolfgang Michael, Norbert Schwontkowski, Horst Müller“, Kunsthalle Bremen, 128 Seiten, 20 Euro.

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Erstellt:
11.04.2024, 14:23 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 32sec

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