Ausstellung „Wild!“ in der Bremer Kunsthalle wendet sich an die ganze Familie

Ausstellung „Wild!“ in der Bremer Kunsthalle wendet sich an die ganze Familie

Es ist wieder da. Und hat sogar noch Gefährten mitgebracht: Albrecht Dürers Nashorn. Es ist nur einer der tierischen Stars in der Familienausstellung „Wild“ in der Bremer Kunsthalle. Und dort geht es tatsächlich ein bisschen verrückter als sonst zu.

Nashorn ist nicht der einzige Star

In der Bremer Kunsthalle geht es wild zu: Ausstellung wendet sich an die ganze Familie

Krakelige Linien in Blau und Grau verlaufen von einem Raum zum nächsten, gezogen von zehn Schülerinnen und Schülern einer Waldorfschule. So wird gleich von Anfang an klar: in dieser Ausstellung ist alles ein bisschen anders als sonst. Wild mit einem Ausrufezeichen eben wie es der Titel „Wild! Kinder - Träume - Tiere - Kunst“ verspricht. Kurator Hartwig Dingfelder, im Haus für die Kunstvermittlung zuständig, sagt: „Wir feiern das Wildsein, zeigen, wie wichtig Wildsein auch für kreative Prozesse ist.“

Halt machen wir erst einmal im altehrwürdigen Studiensaal, denn dort begrüßt uns Dürers „Rhinocerus“ (1515), erklärter Liebling der Besucher des Kupferstichkabinetts. Dürer selbst hat das Nashorn übrigens gar nicht gesehen, er verließ sich auf einen Augenzeugen-Bericht. Dabei sind ihm zwei Fehler unterlaufen: Die Haut des Nashorns gleicht in Wirklichkeit keinem Panzer. Das kleine Horn auf der Schulter ist ebenfalls eine Erfindung des Künstlers.

Dieses Nashorn war übrigens ein besonders unglückliches Exemplar seiner Gattung. Der König von Portugal wollte es haben. Deshalb musste das Nashorn, festgekettet am Rumpf eines Handelsschiffes, eine monatelange Schiffsreise von Kalkutta nach Lissabon antreten und von dort weiter nach Rom reisen. Dort kam es jedoch nie an: Das Schiff lief vor der französischen Küste auf Grund. Das Nashorn, in freier Wildbahn ein guter Schwimmer, ging mit dem Schiff unter und ertrank.

Sieben Nashörner sind im Museum zu Hause

Doch es war unsterblich geworden. Viele Illustratoren haben sich von Dürer inspirieren lassen und ließen fortan Nashörner mit Horn und Panzer über ihre Druckgrafiken spazieren. Das beweisen die anderen Nashorn-Drucke, die wie das Dürer-Original seit 1852 in der Bremer Kunsthalle zu Hause sind. Damals vermachte sie der Bremer Senator Hieronymus Klugkist dem Kunstverein. Für die Ausstellung treten die sieben Nashörner zum ersten Mal gemeinsam auf. Das ist dann doch wieder eine wilde Sache.

Auf der Wand gleich nebenan tummeln sich die unterschiedlichsten Tiere, gezähmt und ungezähmt, eingesperrt im Käfig wie der stolze „Schwarze Panther“ von Max Slevogt oder in freier Wildbahn wie „Kiebitz, Waldohreule und Stieglitz“ von Adriaen Collaert und der „Maulwurf“ von Melchior Lorch. Sie kommen harmlos daher wie Picassos „Frosch“, „Kröte“ und „Eidechse“, Merce Cunninghams „Pinguine“ oder gefährlich wie der Tiger von Kyōsai Kawanabe.

Wer ist eigentlich wild? Das große oder das kleine Tier, der Mensch oder das Tier? Da gibt es manchmal überraschende Antworten. So schnappt in dem Video von Asta Gröting „Wolf und Hund“ der vermeintlich zahme Haushund dem Wolf das Fressen weg.

Parallelen im Alltag von Kindern und Tieren

Die assoziative Hängung sorgt immer wieder für interessante Querverweise. Kurator Dingfelder sagt: „Wir wollen Parallelen im Alltagsleben von Tieren und Kindern und Familien aufdecken. Es geht um die Themen Essen, Nahrungsaufnahme, es geht um das Spielen, es geht um soziale Interaktion.“ Zum Beispiel auf dem Spielplatz. Der Protestruf „Ich will aber!“ nutzt der Kleinen überhaupt nichts, deren elegant gekleidete Mutter, festgehalten 1887 von Henri Jacques Edouard Evenepoel, sie entschieden nach Hause zerrt. Da hat der junge Tiger auf einer Radierung von Eugène Delacroix mehr Glück, seine Mama tollt entspannt mit ihm herum. Der Hase allerdings, zwischen den Pfoten eines Löwen eingeklemmt, wird wohl nicht mehr lange leben. Er ist auf dem Blatt von Delacroix noch gut zu erkennen, während auf dem Foto von Martin Parr die Hühner bei „McDonald’s“ zu einer undefinierbaren Masse geworden sind.

Tiere werden für Menschenkinder auch zu Projektionsflächen - allen voran die aufmüpfigen Bremer Stadtmusikanten von Otmar Alt. Adolf Menzel lässt einen kleinen Jungen auf einem Pony durch sein Spielzimmer galoppieren. „Die kleine Wäscherin“ von Pierre Bonnard träumt von einem möglichen Spielkameraden, ein Kind kuschelt mit der „Katze“ von Paula Modersohn-Becker. Die durch den Film „Flipper“ zu Ruhm gekommenen Delfine dürfen in der Videoinstallation von Diane Thater schwerelos über Wände und Böden gleiten.

Bohrmaschine mit Schokolade überzogen

Die kleinen und großen Besucher sinken erschöpft auf das Riesenbett im letzten Raum und lassen all die Eindrücke noch einmal an sich vorüberziehen, auch die Bilder von den Arbeiten, bei denen sich die Künstler in der zweiten Hälfte so richtig austobten. John Cage etwa kokelte mit Feuer, Dieter Roth überzog eine Bohrmaschine und einen Löffel mit Schokolade und Nam June Paik ließ es tropfen und klecksen.

Da staunen nicht nur die Kinder, die auf den historischen Porträts sehr steif aussehen. So bunt, assoziationsreich dürften auch manche Ausstellungen sein, die sich nur an Erwachsene wenden.

Merce Cunningham „Pinguine“ (2002) sind nicht die einzigen tierischen Stars, die in der Ausstellung die Blicke auf sich ziehen.

© Kunsthalle

Merce Cunningham „Pinguine“ (2002) sind nicht die einzigen tierischen Stars, die in der Ausstellung die Blicke auf sich ziehen.

Auf einen Blick

Was: „Wild! Kinder - Träume - Tiere -Kunst“, Familienausstellung

Wo: Kunsthalle Bremen, Am Wall 202

Wann: Bis zum 14. Juli. Die Schau ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet, dienstags bis 22 Uhr

Eintritt: Erwachsene zahlen 10 (ermäßigt 5) Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.

Ein Hingucker sind auch Otmar Alts „Bremer Stadtmusikanten“ (1987).

© Kunsthalle

Ein Hingucker sind auch Otmar Alts „Bremer Stadtmusikanten“ (1987).

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Erstellt:
29.03.2024, 13:41 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 31sec

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