„Im TV wird zu selten was riskiert“
In der makabren Serie „Warum ich?“ (ab 20.6., ARD-Mediathek) von Starregisseur David Schalko („Kafka“) schlüpft Bjarne Mädel in die Rolle als rätselhafter Fremder, der im Leben mehrerer anderer Protagonisten Schicksal spielt.
Herr Mädel, in der makabren Episodenserie „Warum ich?“ spielen Sie einen rätselhaften Fremden, der zweimal auftritt – im Zug und im Restaurant. Wo kann man Sie privat häufiger antreffen?
Beides ist möglich. Ich gehe gern ab und an essen und ich fahre durchaus auch mit dem Zug, weil ich kein Auto besitze. Ich bin seit vielen Jahren immer entweder in Berlin oder in Hamburg gewesen, und da brauchte ich nie ein Auto und fand es nicht sinnvoll, eines zu besitzen. Ich habe keine Lust, meine Lebenszeit mit Parkplatzsuche zu verbringen.
Warum geht es in Ihren Filmen und Serien eigentlich so oft um Tod und Sterben? Ob „Tatortreiniger“, den Kinofilm „Wer aufgibt ist tot“ oder nun auch in „Warum ich?“ – immer geht es ums Existentielle…
Das ist in erster Linie Zufall. Aber das Schöne daran ist: Es geht eben bei dieser Thematik immer um etwas Gehaltvolles. Nehmen Sie zum Beispiel den „Tatortreiniger“. Der Humor funktioniert dort unter anderem so gut, weil es die Ebene des Todes dahinter gibt, die Ernsthaftigkeit wird da automatisch mitgeliefert. Das ist dann ein Humor, hinter dem die Katastrophe lauert, und den mag ich sehr.
„Warum ich?“, fragen sich die Protagonisten der Serie, wenn etwas passiert. Wann haben Sie sich das zum letzten Mal gefragt?
Man stellt sich diese Frage ja immer nur, wenn es einem nicht gut geht: Warum habe ausgerechnet ich jetzt Zahnschmerzen? Warum fährt es mir ausgerechnet jetzt unter der Dusche in den Rücken, ich habe doch gleich eine wichtige Probe? Man sollte sich diese Frage aber auch mal stellen, wenn es einem gut geht: Warum habe ich das Glück, als weißer Mensch in Deutschland geboren zu sein? Warum habe ich ein Dach über dem Kopf, warum habe ich eine Dusche mit warmem Wasser? Womit habe ich das verdient? Warum ich? Ich selber habe einen Beruf, der mir wahnsinnig Spaß macht, und werde zum Beispiel von Leuten wie David Schalko gefragt, ob ich mitmachen möchte, das ist einfach ein großes Glück. Aber ich habe ihm dann die Frage „Warum ich?“ nicht gestellt (lacht).
Wer hatte eigentlich die Idee, Ihrer Figur in „Warum ich?“ diese Marotte zu verleihen, eine merkwürdige Bewegung der Zunge?
Ich habe im Privatleben bei jemandem mal so etwas Ähnliches beobachtet und fand, dass dieser skurrile Tick gut zu der Figur passen würde.
Die Serie ist ziemlich ungewöhnlich, sie besteht aus sechs schwarzhumorigen Kurzfilmen, die nur lose zusammenhängen…
Diese ganze Serie riskiert was, und das findet für meinen Geschmack im Fernsehen zu selten statt, dass mal was außerhalb der Norm ausprobiert wird.
Ihre mysteriöse Figur sagt an einer Stelle: „Die meisten Leute glauben, dass Sie mich kennen, und vertrauen mir deshalb“. Kennen Sie das von sich selber, seit Sie mit „Stromberg“ populär wurden?
Ja, das kenne ich, wenn man den Leuten vertraut ist. Ich selber habe einmal bei der Berlinale einen Kollegen getroffen und wir haben uns wahnsinnig gefreut, dass wir uns wiedersehen. Dann haben wir überlegt, was unser letztes gemeinsames Projekt war, und am Ende hat sich herausgestellt, dass wir uns nicht persönlich, sondern nur gegenseitig aus dem Fernsehen kannten. Wir waren uns in unseren Rollen offensichtlich sympathisch. Da habe ich begriffen: So geht das auch vielen Zuschauern: Man kennt jemanden aus dem Fernsehen und hat das Gefühl, er gehört zum eigenen Leben dazu.
Und wie finden Sie das?
Früher war das schon anders, als ich ausschließlich Theater gespielt habe. Da kam in meinen fünf Jahren am Schauspielhaus außerhalb des Theaters mal ein einziger Mensch im Supermarkt auf mich zu und sagte: „Ich fand die Aufführung gestern ganz toll, aber ich will nicht weiter stören.“ Da war schon mehr Distanz. Heute erkennen mich schon viele, und einige wollen dann auch gern ein Foto machen und mich in den Arm nehmen. Aber ich nehme das als Schulterklopfen, als Zeichen, dass ihnen meine Arbeit anscheinend gefällt.
Vor etwa 20 Jahren wurden Sie als Ernie Heisterkamp in der Comedyserie „Stromberg“ bekannt, im Frühjahr wurde nach langer Pause ein zweiter „Stromberg“-Kinofilm gedreht. Hatten Sie überhaupt uneingeschränkt Lust, noch einmal in diese Rolle zu schlüpfen?
Ich muss sagen, dass ich die ersten fünf, sechs Jahre nach „Stromberg“ keine Lust mehr auf diese Figur hatte, sondern andere Dinge spielen wollte, mich anders ausprobieren wollte. Aber jetzt war es eine große Freude, die alte Truppe wiederzusehen, das war wie bei einem Klassentreffen. Wir hatten enorm viel Spaß bei der Arbeit, ich freue mich wirklich richtig auf den fertigen Film.

© Willi Weber/Brainpool/dpa
Die Schauspieler Bjarne Mädel (l) als Berthold «Ernie» Heisterkamp und Christoph Maria Herbst als Bernd Stromberg kehren bald mit einen neuen „Stromberg“-Film auf die Leinwand zurück.
Und Ernie Heisterkamp ist immer noch der traurige Tropf?
Alle Figuren sollen natürlich wiederzuerkennen sein, aber Heisterkamp hat von allen Büro-Graupen wohl den größten Entwicklungsschritt gemacht. Trotzdem will natürlich jeder den Nerd und Idioten Ernie aus der Capitol wiedersehen. Das war eine ganz schöne Aufgabe für mich, da die richtige Mische anzurühren.
Haben Sie nach „Stromberg“ hart daran gearbeitet, das Ernie-Etikett als arme Wurst wieder loszuwerden?
Ja, schon. Es ist dann einfach die Frage, was man angeboten bekommt und was man sich finanziell leisten kann, abzusagen. Wenn man zum vierten Mal ein Angebot für ein Muttersöhnchen bekommt, das Probleme mit Frauen hat und viel schwitzt, denkt man sich: Das habe ich doch jetzt schon einige Jahre gespielt. Ich finde es nachvollziehbar aber ängstlich von den Verantwortlichen, einen Schauspieler immer wieder so zu besetzen, wie man ihn kennt, nur weil es einmal gut geklappt hat. Ich denke ich spreche für alle Kollegen und Kolleginnen, wenn ich sage, dass wir uns freuen, wenn wir etwas angeboten bekommen, was wir noch nicht gemacht haben.
Fällt es Ihnen leicht, Rollen abzulehnen und auf bessere Angebote zu warten, oder macht es Sie nervös, wenn Sie eine Weile nicht drehen?
Ich habe das Glück, dass ich die ganzen Jahre so gut beschäftigt war, dass ich es mir leisten kann, Dinge abzusagen. Ich bin außerdem froh, dass ich jetzt wieder mal am Theater bin und mich damit auch aus der Abhängigkeit von Fernsehangeboten rausbegebe. Und ich habe zwischendurch ja auch Regie geführt, sitze also nicht wirklich oft wartend neben dem Telefon. Mir ist nicht langweilig.
Bei zwei viel beachteten „Sörensen“-Krimis haben Sie bereits Regie geführt, wollen Sie damit weitermachen?
Ich mag diese Figur und auch das Team vor und hinter der Kamera sehr, aber aktuell kann ich mir es nicht vorstellen. In dem zweiten „Sörensen“-Film habe ich eine Szene so inszeniert, dass sie im schwarzen Nichts spielt. Das war für mich auch ein augenzwinkernder Kommentar auf die oft gesehenen Erklärszenen in vielen Krimis, die den jeweiligen Fall abschließen und die mich doch meistens sehr langweilen. Ich könnte mir schon vorstellen, noch mal Regie zu führen, aber dann gern bei einem anderen Genre.
- Bjarne Mädel wurde 1968 in Hamburg geboren, nach dem Abitur ging er in die USA und studierte in Kalifornien Weltliteratur und Kreatives Schreiben. Zurück in Deutschland absolvierte er eine Schauspielausbildung an der renommierten Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam und zählte vorübergehend zum Ensemble des Schauspielhauses Hamburg.
- Einem größeren Publikum wurde er als tragikomischer Nerd Ernie in der Fernsehserie „Stromberg“, als gemütlicher Provinzpolizist in „Mord mit Aussicht“ und als lakonischer Putzmann in „Der Tatortreiniger“ bekannt.
- Längst überzeugt Bjarne Mädel aber auch in ernsten Rollen, so glänzte der Charakterdarsteller im vielbeachteten Justizdrama „Feinde“, außerdem führte er bei zwei Verfilmungen der „Sörensen“-Krimis von Autor Sven Stricker Regie und spielte die Hauptrolle. Der Schauspieler und bekennende HSV-Fan lebt in Berlin.

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Der Auftragskiller (Bjarne Mädel) denkt, er habe den richtigen Tisch.
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