Die außergewöhnliche Welt des Franz Kafka

Die außergewöhnliche Welt des Franz Kafka

Franz Kafkas 100. Todestag jährt sich im Juni dieses Jahres. Mit einem Staraufgebot wird der Schriftsteller nach einem Drehbuch von Bestseller-Autor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) mit einer Mini-Serie im Ersten eindrucksvoll geehrt.

Kafkas außergewöhnliche Welt

Starbesetzte Mini-Serie anlässlich des 100. Todestags des Schriftstellers

Er schuf mit Werken wie „Die Verwandlung“ oder „Der Prozess“ Klassiker der Weltliteratur und hat es sogar zu einem eigenen Adjektiv gebracht: Wer in eine kafkaeske Situation gerät, der fühlt sich in einer absurden, ausweglosen und bedrohlichen Lage. Am 3. Juni 1924 starb Franz Kafka im Alter von nur 40 Jahren an Tuberkulose – zu seinem 100. Todestag schildert die großartige Serie „Kafka“ nach einem Drehbuch von Bestsellerautor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) sein Leben – aber nicht als braver chronologischer Kostümreigen, sondern intellektuell, auch witzig, mit einer famosen Bildsprache und vielen Stars. Der Sechsteiler läuft ab 20.3. in der ARD-Mediathek und ab 26.3. (20.15 Uhr) im Ersten, die Hauptrolle des rätselhaften Genies spielt der Schweizer Joel Basman („Schachnovelle“). Regie bei dem Sechsteiler führte David Schalko, der sich mit Serien wie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ einen Namen gemacht hat.

45-minütige Episoden beleuchten das Leben Kafkas

Franz Kafka wurde 1883 in eine jüdisch-bürgerliche Kaufmannsfamilie in Prag geboren, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Die 45-minütigen Episoden beleuchten sein Leben aus wechselnden Perspektiven – die erste aus der des Schriftstellers Max Brod (gespielt von David Kross), Kafkas Freund und Nachlassverwalter, der die Aufzeichnungen des Romanciers nach dessen Tod verbrennen sollte, diesen Wunsch des Schriftstellers aber nicht erfüllte.

In Rückblenden erinnert sich Brod an die gemeinsame Zeit, zum Beispiel eine Italienreise – es sind Szenen, die dem Publikum Kafka menschlich näherbringen. Da sieht man keinen Säulenheiligen der Weltliteratur, sondern einen jungen Mann, der in Unterwäsche Frühsport im Hotelzimmer macht, jeden Bissen 40 Mal kaut und seine Mitmenschen damit ziemlich nervt. Wären da bloß nicht diese seltsamen Herren mit Melone, die Kafka zu sehen meint, Todesengel in schwarzen Ledermänteln: Als Einbruch des ahnungsvollen Horrors ins vermeintliche Idyll ziehen sie sich durch die ganze Serie, die Kafkas Werke mit großer Könnerschaft in Szenen aus seinem Leben einwebt.

Brutal und dominant: Kafkas tyrannischer Vater

Jede Folge hat ihre eigene Erzählweise und ist besonders eng mit einer von Kafkas Geschichten verknüpft. Die zweite Episode dreht sich um Kafkas On-Off-Verlobte Felice Bauer (Lia von Blarer) und streut Elemente aus dem Romanfragment „Der Prozess“ ein. Folge drei ist zutiefst beklemmend: Sie stellt Kafkas Familie in den Mittelpunkt, das Verhältnis zu seinem tyrannischen Vater, den Nicholas Ofczarek („Der Pass“) mit latenter Brutalität und bedrückender Dominanz spielt. Die Episode kreist um die Entstehung der Erzählung „Die Verwandlung“ mit dem epochalen ersten Satz: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ Kafka selber wird hier zum ängstlichen Tier, das von seiner Familie verabscheut wird, sich unter dem Bett verkriecht und stirbt. Die Episode befasst sich intensiver als alle anderen damit, dass Kafkas Familie zur jüdischen Minderheit in Prag zählte und mit wachsendem Antisemitismus konfrontiert wurde. Seine Schwestern Ottla, Elli und Walli wurden von den Nazis ermordet.

Im Job erfolgreich und respektiert

Folge vier dreht sich um Kafkas Tätigkeit für die Prager Unfallversicherung: Der Schriftsteller, der wie kein zweiter über die Ohnmacht des Individuums vor der mitleidlosen Bürokratie schrieb, war in seinem Job durchaus erfolgreich und respektiert – und im Beruf konnte er sogar auf den Tisch hauen. In der fünften Episode spielt „Babylon Berlin“-Star Liv Lisa Fries Kafkas Flamme Milena Jesenskà, Folge sechs schließlich behandelt seine Beziehung zu Dora Diamant (Tamara Romera Ginés), die Entstehung des Romanfragments „Das Schloss“ und seinen qualvollen Tuberkulose-Tod.

Hauptdarsteller Joel Basman spielt Kafka zwar nicht mit frappierender äußerer Ähnlichkeit – da entspricht Sabin Tambrea, der den Autor im neuen Kinofilm „Die Herrlichkeit des Lebens“ verkörpert, sicherlich mehr dem landläufigen Bild. Aber Basman schafft es, seinen Kafka zugleich unsicher und selbstbewusst, bieder und exzentrisch, nahbar und fern wirken zu lassen. Seine Vorbereitung auf die Rolle dauerte etwa ein Jahr: „Ich habe mit einem Philosophen intensiv an Kafkas Werken gearbeitet und mich mit meinem Schauspielcoach für die Rolle vorbereitet. Wie läuft er? Wie redet er? Wie lacht er? Wie weint er?“, erzählt der Schauspieler.

Etliche Stars geben sich mit Kleinstrollen zufrieden

Viele andere Rollen in dem Prestigeobjekt von ARD und ORF sind herausragend besetzt, etliche Stars geben sich mit Kleinstrollen zufrieden – etwa Lars Eidinger als Dichter Rainer Maria Rilke. Robert Stadlober spielt Kafka-Freund Felix Weltsch, Charly Hübner den Verleger Rowohlt und Verena Altenberger („Polizeiruf 110“) verkörpert Robert Musil. Sie alle sind bemüht, aus ihren Szenen Kabinettstückchen zu machen – eine tiefe Verneigung vor Kafka, der von Experten als Mitbegründer der literarischen Moderne gesehen und in eine Reihe mit Marcel Proust und James Joyce gestellt wird.

Begleitend zur Serie zeigt die ARD am 24.3. (00.05) und in der Mediathek die Dokumentation „Kafka und ich“, die aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel erzählt ist – dem von Kafkas Hündin.

Zum Artikel

Erstellt:
19.03.2024, 13:55 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 33sec

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen