
Die deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien hat ihr eigenes Parlament und ihre eigene Regionalregierung. Dass die Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verschwand, geht wesentlich auf das Engagement der aus Duisburg stammenden Medienpionierin Irene Janetzky zurück (Archivbild).
Foto: Juliane Görsch
Biografie über Medienpionierin
Duisburgerin rettete deutsche Sprache in Ostbelgien
In Ostbelgien wird bis heute Deutsch gesprochen – und das hat wahrscheinlich viel mit der Rundfunkpionierin Irene Janetzky zu tun. Ein Journalist entdeckt ihre spannende Geschichte jetzt wieder.
Die deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien wird mitunter als die „bestgeschützte Minderheit der Welt“ bezeichnet. Sie umfasst nur etwa 80.000 Menschen rund um Eupen und Sankt Vith, verfügt jedoch über ihr eigenes Parlament und einen eigenen Ministerpräsidenten.
Dass die deutsche Sprache nach der Befreiung Belgiens von der Nazi-Besatzung 1944 nicht unterdrückt, sondern gefördert wurde, geht dabei neuen Erkenntnissen zufolge wesentlich auf eine gebürtige Duisburgerin zurück: die Medienpionierin Irene Janetzky (1914-2005).
Ihre Lebensgeschichte wird jetzt erstmals in einem Buch erzählt, das am Mittwoch (22. Oktober) im Grenzecho-Verlag erscheint. Titel: „Irene Janetzky - Ein Leben im Zeichen des Belgischen Rundfunks“.
Nach dem Krieg sollten die Deutschbelgier Französisch sprechen
Autor ist der Direktor des deutschsprachigen belgischen Rundfunksenders BRF, Alain Kniebs. „Mich hat Irene Janetzky fasziniert“, sagt er. „In der damaligen Männerwelt hat sie sich behauptet und ab 1945 den deutschsprachigen Rundfunk aufgebaut.“
Dagegen habe es aus nachvollziehbaren Gründen anfangs große Widerstände gegeben: Viele Belgier hätten die Sprache der deutschen Besatzer nicht mehr hören wollen. Die Deutschbelgier sollten fortan Französisch sprechen. „Demgegenüber vertrat Irene Janetzky die Auffassung, dass man die Deutschbelgier über ihre eigene Sprache für Belgien und die Demokratie begeistern musste.“
Janetzky selbst war 1914 in Duisburg geboren worden, ihr Vater fiel noch im selben Jahr als deutscher Soldat beim Überfall auf das neutrale Belgien. Anschließend zog ihre Mutter mit ihr nach Bingen in Rheinland-Pfalz, wo sie einen belgischen Deutschlehrer heiratete.
So kam es, dass die Familie in das deutschsprachige Grenzgebiet zog, das Belgien im Versailler Vertrag als Entschädigung für die deutsche Besatzung im Ersten Weltkrieg zugesprochen worden war. Ab 1945 begann Janetzky mit dem Aufbau des belgischen Rundfunks. Als das deutschsprachige Programm 1954 im Zuge einer großen Einsparrunde der belgischen Regierung komplett gestrichen werden sollte, verhandelte sie selbst in Brüssel mit dem sozialistischen Ministerpräsidenten Achille van Acker und bewegte ihn, das Angebot nicht nur zu retten, sondern sogar auszubauen.
Gespräche mit Bundeskanzler Adenauer
„Irene Janetzky war auf vielen Feldern eine Pionierin“, sagt Kniebs. „Sie ließ sich zum Beispiel auch als eine von nur ganz wenigen Frauen im damals noch sehr katholischen Belgien scheiden. Und sie war unglaublich gut vernetzt.“ So konferierte sie 1956 beim Abschluss der deutsch-belgischen Freundschaftsverträge mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem späteren ersten Europäischen Kommissionspräsidenten Walter Hallstein.
„Leider sind ihre Verdienste in den letzten Jahrzehnten etwas in Vergessenheit geraten“, bedauert Kniebs. „Ich hoffe, dass ich sie mit der Biografie wieder etwas in Erinnerung bringe.“