Kriselnde Männer und kriegerische Frösche
„Euphorie“ (ab 2. Oktober, RTL+): Bunt, krass und provokant: Die vielbeachtete US-Teenagerserie „Euphoria“ erzählte in starken Bildern von den Schattenseiten des Erwachsenwerdens, von Drogen, Gewalt Depressionen und Pornographie. Nun gibt es eine deutsche Variante der umstrittenen Kultserie – auch in „Euphorie“ fehlt den verletzlichen jungen Protagonisten das titelgebende Glücksgefühl, auch hier jagen sie dem kurzen Kick mit allen Mitteln nach.
Im Mittelpunkt steht die 16-jährige Mila (Derya Akyol) aus Gelsenkirchen, die gerade aus der Jugendpsychiatrie entlassen wurde. Ihre Kindheit war glücklich. Doch dann kamen Corona, Wirtschaftskrise, Scheidung der Eltern, und zu allem Unglück stellt auch noch der heißeste Typ der Schule ein Sextape von Mila online. Immer auf der Flucht vor der nächsten Panikattacke sucht sie Zuflucht in Alkohol, Drogen und einer Dreiecksbeziehung. Ein interessanter Blick in den Alltag von Teenagern heute - aber nicht so ruppig, freizügig oder gar verstörend wie die US-Variante.

© Stephan Rabold / Netflix
Szene aus „Alphamännchen“ mit den Schauspielern (von links): Serkan Kaya, Moritz Führmann und Tom Beck: Vier Männer um die 40 geraten in eine Identitätskrise und stolpern durch Job, Liebe und Freundschaft.
„Alphamännchen“ (ab 2. Oktober, Netflix): Zu toxisch, zu soft, zu orientierungslos: Der moderne Mann hat es nicht leicht, den geänderten Erwartungen gerecht zu werden. Serien, die sich ironisch mit der Krise der Männlichkeit und dem Ende des Patriarchats befassen, sind im Trend. Netflix knöpft sich das Thema nun in „Alphamännchen“ vor. Es ist eine achtteilige Adaption eines spanischen Originals über vier strauchelnde Typen Mitte 40, deren Selbstbild bröselt wie ein Denkmal unterm Vorschlaghammer: Ulf (Tom Beck), der erfolgreiche Kopf eines Männermagazins, verliert seinen Job ausgerechnet an eine Frau. Andi (Moritz Führmann) kann den erotischen Appetit seiner Gattin nicht stillen. Und auch die anderen Mitglieder der Clique, darunter David Rott als Womanizer auf dem Abstellgleis, müssen herbe Schlappen für ihr Ego einstecken.
Der Humor der Serie ist stellenweise zwar so simpel, wie man das sonst nur bei Stefan Raab findet: Da werden Mutti und Papi vom Nachwuchs beim Experimentieren mit Schlafzimmer-Toys ertappt, und beim Heiratsantrag wird versehentlich ein Ring verschluckt, der im Tiramisu versteckt war. Aber immerhin ist das Ganze launig erzählt und gespielt.

© WDR/Fandango Film TV
Marie hat Sex mit Matthias, während Luis (Noah Saavedra ihnen dabei zusieht: Svenja Jung spielt in „Naked“ eben jene Marie, die ihre Lust entdeckt und sich in eine gefährliche Affäre begibt. Leidenschaft und Abhängigkeit kippen in eine toxische Beziehung.
„Naked“ (ab 2. Oktober, ARD-Mediathek): Huch, sie tut es schon wieder: Gerade erst war Svenja Jung im Netflix-Erotikthriller „Fall for me“ zu sehen, dessen sinnliche Szenen ihn zum globalen Hit machten. In der Serie „Naked“ spielt Jung nun erneut eine Frau, die ihr eigenes Begehren erkundet und sich dabei auf einen attraktiven, aber gefährlichen Mann einlässt: Marie und Luis (Noah Saavedra) verfallen einander bei einer prickelnden Begegnung auf einem Kostümfest, bei dem er sinnigerweise als Vampir verkleidet ist.
Blümchensex ist bei den beiden keine Option. Sie schrauben die Spirale der Lust immer weiter, doch der an Sexsucht leidende Luis überschreitet zunehmend Grenzen, und die Beziehung gerät in ein toxisches Fahrwasser. Was anfangs als Tour d‘Amour beginnt, wird zur verhängnisvollen Affäre – erzählt wird das Ganze ebenso erotisch wie intelligent, ehrlich und fesselnd.

© WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Frank Dicks.
Szene aus „Hundertdreizehn“ mit Friederike Becht und Vladimir Korneev: Ein Busunglück verändert das Leben vieler Menschen und bringt verborgene Wahrheiten ans Licht.
„Hundertdreizehn“ (ab 10. Oktober, ARD-Mediathek): Am Anfang steht ein katastrophaler Verkehrsunfall in einer deutschen Großstadt: Ein Reisebus durchbricht die Leitplanke und rast in den Gegenverkehr, es gibt viele Tote und Verletzte – und zahlreiche Angehörige, die aus der Bahn geworfen werden. Die raffinierte Anthologieserie „Hundertdreizehn“ rückt in jeder der sechs Episoden das Schicksal einer anderen Hauptfigur in den Mittelpunkt, funktioniert dabei aber nicht allein als Drama über Trauer und Verlust, sondern als multiperspektivisches Mysterypuzzle: Viele der Protagonisten hatten ein Geheimnis, das in Folge des Unfalls plötzlich ans Licht kommt.
Zwei übergeordnete Handlungsstränge ziehen sich durch alle Folgen: Zum einen die Arbeit der Ermittler (unter anderem Robert Stadlober), die herausfinden wollen, wie es zu der Tragödie kommen konnte und ob es womöglich ein Suizid des Busfahrers war. Zum anderen das Schicksal der Angehörigen jenes Fahrers, der zwei Familien hatte, die nichts voneinander wissen – bis sich die beiden Frauen (Anna Schudt, Patricia Aulitzky) bei der Identifizierung seiner Leiche gegenüberstehen.

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Regisseur Martin Scorsese spricht in einer fünfteiligen Doku über Kindheit, Karriere und Kino-Meilensteine. Weggefährten wie Robert De Niro und Steven Spielberg kommen zu Wort.
„Mr. Scorsese“ (ab 17. Oktober, AppleTV+): „Taxi Driver“, „Good Fellas“, „Casino“ oder „The Wolf of Wall Street“ – von Regie-Legende Martin Scorsese stammen einige der bedeutendsten Meisterwerke Hollywoods. Für Apple hat der Altmeister zuletzt das viel gelobte Drama „Killers of the Flower Moon“ gedreht, jetzt würdigt der Streamingdienst den US-Regisseur mit einer fünfteiligen Dokuserie – darin spricht der 82-Jährige ausführlich über sein Leben, angefangen bei seiner Kindheit als Spross einer italo-amerikanischen Familie in New York.
Es gibt Bilder aus Scorseses persönlichen Fotoalbum und Erklärungen zu vielen legendären Filmszenen, außerdem kommen berühmte Weggefährten wie Robert De Niro oder Steven Spielberg zu Wort. Für Cineasten absolut sehenswert. Gerade erst hat der unermüdliche Senior übrigens seinen nächsten Streifen angekündigt: einen Horrorfilm mit Leonardo DiCaprio.

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„Task Force Querlitz“: Nach einem Meteoriteneinschlag kämpft eine Stadtverwaltung mit Mutanten und Bürokratie. Absurde Einfälle und schräge Figuren machen die Animationssatire zum Spaß.
„Task Force Querlitz“ (ab 24. OKtober, ZDF-Streaming): Eine Bürosatire mit Mutanten: Kurz vor Halloween startet das ZDF eine Animationsserie, die Deutschlands heiß gelaufene Bürokratie aufs Korn nimmt. In einer Kleinstadt namens Querlitz verändert sich nach einem Meteoriteneinschlag alles. Viele Bewohner werden zu Mischwesen, halb Mensch, halb Tier. Aber wie soll eine ganz normale Stadtverwaltung in einer Welt voller Anomalien und Wurmlöcher funktionieren?
Die Serie begleitet die Task Force der Verwaltung, darunter der sprechende Hund Goldi, in ihrem neuen Alltag. Es gibt haufenweise Anträge zu bearbeiten, und die deutsche Gründlichkeit macht dabei mehr Probleme, als sie lösen kann: Welches Formular muss ausgefüllt werden, wenn mannsgroße, aggressive Kriegerfrösche beim Bürgerfest ein Blutopfer zelebrieren wollen? Und wie soll der Handpuppenspieler, dem neuerdings ein Krokodil aus dem Unterarm wächst, die Bedingungen für die artgerechte Haltung des Tiers erfüllen? Die Trick-Sitcom ist ein wilder Phantasietrip für Erwachsene. (ski/axt)