„In Deutschland fühle ich mich am wohlsten“: Interview mit Howard Carpendale

„In Deutschland fühle ich mich am wohlsten“: Interview mit Howard Carpendale

„Donald Trump legte seine Hand auf meine Schulter“ – Howard Carpendale über seine geplante Abschiedstournee, eine TV-Gala zu seinen Ehren und eine seltsame Begegnung mit dem mächtigsten Mann der Welt.

„Ich bin einfach dankbar“

Howard Carpendale plant seine letzte Tournee und blickt auf 60 Jahre Bühnenkarriere zurück

Herr Carpendale, Sie stehen seit rund 60 Jahren auf der Bühne. Sind Sie stolz auf das, was Sie erreicht haben?

Stolz ist nicht so mein Fall. Ich bin einfach dankbar. Es ist ja sehr unüblich, so eine lange Karriere zu haben – außer mir hat das noch Udo Jürgens geschafft, und Peter Maffay ist auf dem besten Weg dahin. Ich habe in diesen 60 Jahren 24 Tourneen gemacht, die Live-Konzerte sind immer gut gelaufen. Nächstes Jahr habe ich eine Tournee, wo ich als 80-Jähriger auf der Bühne stehe, und so wie es aussieht, wird die proppenvoll sein. Das ist unglaublich. Ganz ehrlich, manchmal frage ich mich schon: Was wollt ihr überhaupt von mir? (schmunzelt)

Es soll Ihre Abschiedstournee werden – ist das gleichbedeutend mit einem Bühnenabschied?

Es wird meine letzte Tournee sein, aber das Wort Abschied will ich nicht in den Mund nehmen. Wissen Sie: Tourneen sind ein sehr großes Unterfangen, da ist so viel zu planen und dazu die ganzen Fahrten. Ich reise immer gleich nach dem Konzert in die nächste Stadt, das heißt wir sind meistens bis vier Uhr morgens unterwegs. Irgendwann muss ich schon auf meine Gesundheit aufpassen. Mein Traum ist es aber, künftig noch Konzerte en suite zu geben, wie man das im Englischen nennt, also an mehreren Abenden hintereinander in etwas kleineren Sälen wie der Frankfurter Jahrhunderthalle mit ihren 3000 Plätzen aufzutreten. Ob das so kommt, weiß ich nicht.

Hat Ihnen auch Ihre Familie geraten, kürzerzutreten, zum Beispiel Ihr Sohn Wayne?

Ja, schon seit langem – aber ich habe bislang nie auf sie gehört.

Das ZDF würdigt Sie anlässlich Ihres Bühnenjubiläums und kurz vor Ihrem 80. Geburtstag im kommenden Jahr mit einer großen Show. Ehrengast ist Jürgen Drews. Was verbindet Sie mit ihm?

Ich habe Jürgen Drews zum ersten Mal auf der Bühne gesehen, als er bei den „Les Humphries Singers“ sang. Damals kam ich gerade frisch aus England und dachte: Das ist der erste deutsche Künstler, den ich sehe, der mit seinem Aussehen und seinem Gesang eine Chance auf Erfolg in Amerika hätte. Letztlich hat er einen Weg gewählt, den ich nicht eingeschlagen hätte – aber dass er der König von Mallorca war, hat sich finanziell sicherlich gut bezahlt gemacht (lacht). Wir haben uns im Lauf der Jahre immer wieder gesehen und haben sehr schöne Gespräche zusammen.

Was ist der größte Hit Ihres Lebens, der Über-Hit, bei dem Ihre Fans am meisten aus dem Häuschen sind? „Ti amo“, „Hello Again“, „Deine Spuren im Sand“?

Der Über-Hit ist aus irgendeinem Grund „Nachts, wenn alles schläft“ von 1979. Es ist auch meine Lieblingsnummer, war der Musik von damals einen Schritt voraus und klingt meiner Ansicht nach auch heute noch sehr modern.

Bob Dylan meidet bei seinen Konzerten alte Hits. Wie ist es bei Ihnen: Nervt es Sie, immer wieder Ihre Klassiker singen zu müssen?

Es wäre ein schreckliches Leben, wenn ich bei jedem alten Hit das Gefühl hätte: „Um Gottes Willen, der schon wieder!“ Manchmal ändere ich die Songs allerdings auch, gerade bei Liedern, die heute vielleicht nicht mehr zeitgemäß sind. Wenn ich „Das schöne Mädchen von Seite 1“ singe, dann kommt da eine Rap-Stelle hinein, und bei „Tür an Tür mit Alice“ klingt die Hintergrundmusik inzwischen mehr nach „Queen“ als nach Schlager. Man darf einen Titel nur nicht so sehr ändern, dass die Leute ihn nicht mehr erkennen, weil sie ja auch ein Nostalgiegefühl empfinden wollen. „Hello Again“ ist zum Beispiel ein Lied, das die Menschen genauso hören wollen, wie es damals war.

Zehntausende Menschen kommen zu den Auftritten eines bald 80-Jährigen. Hat das auch etwas mit diesem Nostalgiegefühl zu tun?

Wissen Sie, meine Shows sind anders als die meiner Kollegen. Einfach weil ich aus dem angelsächsischen Raum komme, wo Entertainment wahnsinnig wichtig ist. Das heißt: Ein Konzert kann nicht nur aus 25 Liedern bestehen. Ich muss mit den Menschen reden, ich muss sie zum Lachen, zum Weinen und zum Tanzen bringen.

Was ist der größte Irrtum, der über Sie in Umlauf ist?

Dass ich 20 Comebacks gemacht hätte. Ich weiß nicht warum, ich lese immer wieder, dass ich ständig Comebacks hätte. Ich habe aber nur ein einziges gemacht, und das war, als ich nach meinem vorübergehenden Karriereende 2003 wieder auf die Bühne zurückkam.

Stimmt es denn, dass Sie ganz am Anfang Ihrer Karriere Bodyguard bei den „Rolling Stones“ waren? Die Physis dafür hätten Sie als ehemaliger Kugelstoßer ja gehabt…

Das stimmt, aber es war nicht so romantisch, wie es vielleicht klingt. Ich bin damals gebeten worden, bei ein, zwei Shows zu helfen. Das Publikum wollte bei den Auftritten der „Rolling Stones“ immer auf die Bühne, und deshalb haben die 20 etwas größere Männer gesucht und gebeten, sich unterzuhaken und eine Reihe zu bilden, um die Bühne zu schützen – das war aber keine Festanstellung (lacht).

Von Ihrer Heimat Südafrika sind Sie über England nach Deutschland gekommen. Ist Deutschland Ihr Traumland?

Im Moment kenne ich auf dieser Welt kein Traumland, überall gibt es gravierende politische und wirtschaftliche Probleme. Aber nachdem ich auf drei Kontinenten gelebt habe, kann ich sagen: Ich fühle mich in Deutschland am wohlsten. Ich glaube schon, dass Deutschland vor 20, 30 Jahren vielversprechender war, als es heute ist, aber ich hoffe, dass wir irgendwann wieder auf die richtige Straße kommen. Mir tut es sehr leid, dass Deutschland ein Land ist, wo man eigentlich nur über Bürokratie redet und nicht über Fortschritt. Deutschland muss wieder ein Land sein, das die Welt führt.

Sie haben zuletzt offen darüber gesprochen, dass Sie vor Jahren Depressionen hatten. Was macht Sie heute glücklich?

Ich habe einen Zustand der Zufriedenheit erreicht – vielleicht liegt es an meiner Beziehung zu meiner Ehefrau Donnice. Sicherlich auch an der Tatsache, dass ich im Beruf mit Menschen zusammenarbeite, die weitaus jünger sind als ich, und das hält mich jung. Ich bin aber keiner, der jeden Tag sagt: Ich bin überglücklich, weil ich finde, dass es in dieser Welt sehr schwer ist zu sagen: Es ist alles in Ordnung. Ständig hört man von Tausenden Toten, von Krisen überall, das bewegt mich schon sehr. Aber gerade weil einen das Weltgeschehen so pessimistisch stimmt, finde ich meinen Beruf so wichtig. Ich kann die Welt nicht ändern, aber ich kann die Menschen für drei Stunden ablenken und fröhlicher nach Hause schicken. Das macht mich glücklich.

Sie haben sich bei früherer Gelegenheit mal als Nachrichtenjunkie bezeichnet…

Ich habe in Amerika 17 Jahre im Dunstkreis von Donald Trump gelebt, nicht als sein direkter Nachbar, aber in Palm Beach. Ich habe ihn mal kennengelernt, und wenn man neben einem derart mächtigen Mann steht, färbt das irgendwie ab. Ich hatte in meinem Leben wunderschöne Begegnungen, mit Nelson Mandela, dem Dalai Lama, aber die mit Donald Trump hat mich geprägt. Ich habe danach angefangen, im Fernsehen jedes Wort von ihm zu verfolgen.

Bei welcher Gelegenheit haben Sie ihn kennengelernt?

Ich spiele ja seit vielen Jahren sehr gerne Golf. Ich war auf seinem Golfplatz, und Donald Trump hat beim Mittagessen im Clubhaus neben uns gesessen. Er kam dann rüber zu uns an den Tisch, legte seine Hand auf meine Schulter und sprach ein bisschen mit uns. Meine Golfpartner und ich haben uns danach nur angeschaut und gedacht: Was war das denn? Keiner von uns hatte verstanden, was er gesagt hatte. Ich dachte schon früh, dass es keine gute Idee wäre, ihn zum Präsidenten zu wählen, und meine Befürchtungen sind leider wahr geworden.

Howard Carpendale kam 1946 in Südafrika zur Welt. Er war als Kugelstoßer aktiv, scheiterte als Elvis-Imitator und zog 1966 nach England, um seine Musikkarriere anzukurbeln. Schließlich kam er nach Deutschland, gewann mit „Das schöne Mädchen von Seite 1“ einen Schlagerwettbewerb und hatte in den 70ern und 80ern mit Ohrwürmern wie „Deine Spuren im Sand“ seine größten Hits. 2003 bekam Carpendale die Diagnose Multiple Sklerose und verkündete im selben Jahr sein Karriereende, litt in der Folge aber an Depressionen und kehrte nach einer Therapie auf die Bühne zurück. Carpendale, der ab 1992 mehrere Jahre in Florida lebte, wohnt mit seiner zweiten Ehefrau in München. Aus der geschiedenen ersten Ehe des 79-Jährigen stammt der Schauspieler Wayne Carpendale.

Howard Carpendale

© Rolf Vennenbernd

Howard Carpendale, Sänger und Entertainer, verlässt die große Bühne: 2026 geht er auf seine letzte Tournee.

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Erstellt:
19.09.2025, 12:14 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 22sec

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