„Der Wind blies mir ins Gesicht“
Die TV-Moderatorin und bekannten Feministin Floriane (Riemann) findet ihre Tochter tot in ihrem Zimmer: Luna (Hannah Schiller) war erst 15 Jahre alt. Als Floriane die Möglichkeit erhält, in der Zeit zurückzureisen, geht sie das Wagnis ein, um die Vergangenheit zu ändern. Sie möchte nicht nur ihre Tochter retten, sondern auch ihren Sohn Carlo (Paul Ahrens) stärken - und ihre beiden Kinder zu glücklicheren Menschen machen.
Die herausragende, sechsteilige Serie „Reset – Wie weit willst du gehen?“ ist ab dem 7. März in der ZDF-Mediathek und ab dem 11. März im ZDF zu sehen.

© Tina Krohn
Noch eine Szene aus „Reset - Wie weit willst du gehen?“: Floriane Bohringer (Katja Riemann, links) spricht ihrer Tochter Luna (Hannah Schiller) nach einer Niederlage Mut zu.
Frau Riemann, die Rolle in der neuen Serie „Reset“ wurde Ihnen nicht auf den Leib geschrieben, sondern Sie mussten dafür vorsprechen. Ist das nicht eher unüblich?
Keineswegs. Wir Schauspielenden müssen immer wieder vorsprechen, egal wie lange man das schon macht. Ich bin dankbar, dass ich überhaupt zu diesem Casting eingeladen wurde, und ich glaube, ich war die älteste. Es wäre vielleicht auch für andere Berufssparten nicht verkehrt, wenn man zwischendurch vorsprechen müsste, um seine Skills darzulegen. Ich habe der Regisseurin Samira Radsi vorgesprochen und mir wurde die Rolle schließlich angeboten. Darüber habe ich mich sehr gefreut.
In der Serie reist eine Mutter mehrmals in der Zeit zurück, um den Selbstmord ihrer depressiven Teenager-Tochter zu verhindern. Haben solche Zeitreise-Stoffe Sie schon immer fasziniert?
Ich sehe es nicht als Zeitreise-Serie, wir haben keinen Science-Fiction gedreht, und ich fände es auch falsch, die Serie dem Publikum so anzukündigen – denn dann erwarten die Menschen ja auch Science Fiction mit Special Effects. Das gibt es bei uns nicht.

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„Ich bin ganz schlecht mit Verallgemeinerungen. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass die überhaupt nicht greifen.“
Katja Riemann
Die Zeitreise-Elemente dienen als Vehikel, um sehr komplexe Themen zu verhandeln. Es geht um Mutterliebe, Feminismus, existentielle Fragen…
Wir haben diese Elemente als Aufhänger benutzt, um in diese Beziehung zwischen Mutter und Tochter hineinzugehen, und um uns der Frage anzunähern: Was, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte und etwas ändern könnte, eine andere Person – in diesem Fall das Kind – durch mein eigenes Verhalten beschützen könnte? Da geht es um Schuld, um Achtsamkeit, und um die Frage: Warum ist in diesem 15-jährigen Mädchen diese tiefe Dunkelheit?
Sie haben selber eine Tochter. Sind Mütter-Töchter-Verhältnisse etwas Spezielles?
Wissen Sie, ich bin ganz schlecht mit Verallgemeinerungen. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass die überhaupt nicht greifen. Da geht es ja schon mit der Frage los: In welchem Land leben wir? Wie sind wir sozialisiert? An welchen Gott glauben wir? Leben wir in einem Land mit Geschlechtergerechtigkeit oder in einem Land, in dem man das Wort noch nicht einmal gehört hat? Das ist ganz vielfältig. Aber universell ist, glaube ich, die Bedeutung von Achtsamkeit. Wir bringen als Mütter ein Kind zur Welt, aber deswegen kennen wir unser Kind ja noch nicht – das kommt schon mit einer eigenen Persönlichkeit zur Welt. Wir müssen als begleitende Eltern achtsam sein, dass wir diese Persönlichkeit beschützen, bewahren und fördern.
Ihre Serienfigur verzichtet auf ihre Karriere, um ihrer Tochter zu helfen – weil die Gesellschaft es so schwer macht, Beruf und Familie zu vereinbaren. Gab es in Ihrem Leben auch Momente, in denen Karriere und Mutterschaft schwer unter einen Hut zu kriegen waren?
Ja, das war sehr schwierig. Wissen Sie, ich bin ja eine andere Generation, ich habe in den 90er Jahren meine Karriere gemacht, und zwar mit Kind – und der Wind blies mir fast 20 Jahre lang kalt ins Gesicht von allen Seiten, leider auch aus der Medienlandschaft. Das war nicht in Ordnung. Dass es mich immer noch gibt, und dass ich immer noch große und sehr interessante, komplexe Rollen spielen darf – das erfüllt mich mit Glück, Dankbarkeit und auch ein bisschen Stolz.

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Mit Kinokomödien wie „Der bewegte Mann“ wurde Katja Riemann in den 90er Jahren berühmt.
Zur Person
- Katja Riemann kam 1963 als Tochter eines Lehrer-Ehepaares im niedersächsischen Weyhe zur Welt, sie absolvierte ihre Schauspielausbildung in Hannover und München. Sie drehte zunächst fürs Fernsehen, eine ihrer ersten Rollen hatte die damals völlig unbekannte Schauspielerin 1989 in einem Schimanski-„Tatort“. Mit Kinokomödien wie „Der bewegte Mann“ wurde Riemann in den 90er Jahren berühmt.
- Seitdem wirkte sie in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen mit, feierte aber auch als Sängerin und Buchautorin Erfolge. Von 1990 bis 1998 war Riemann mit dem Schauspieler Peter Sattmann liiert, ihre gemeinsame Tochter Paula Riemann ist Schauspielerin und Regisseurin. Katja Riemann lebt in Berlin.
Stolz?
Ja. Weil es mir wichtig ist, als Role Model für nachwachsende junge Schauspielerinnen zu fungieren. Ihnen zu zeigen: Guck mal, auch wir können eine lange Karriere haben, es geht.
Seelische Befindlichkeiten und psychische Krankheiten werden heute sensibler und offener verhandelt als früher. Hat die Rolle Ihre Sichtweise auf die Thematik beeinflusst?
Das Thema war für mich nicht neu, ich habe mich damit immer wieder beschäftigt. Die Leute in meiner Generation und älter haben immer gesagt. „Ich bin doch nicht verrückt, ich geh doch nicht zum Therapeuten.“ Aber ich musste nicht extra sensibilisiert werden. Wir hatten bei den Dreharbeiten auch eine psychologische Begleitung, die für uns da war und aufgepasst hat, wo Triggerpunkte sein könnten.
Nehmen Sie generell psychologische Hilfe in Anspruch, um Rollen vor- oder nachzubereiten?
Interessant, dass Sie das fragen. Ich habe nämlich neulich mit verschiedenen KollegInnen gesprochen und wir versuchen ein Angebot zu entwickeln, wie man aus den Figuren wieder herauskommt. Auf den Schauspielschulen werden wir darauf vorbereitet, wie wir Figuren kreieren, wie man ganz konkret in die Situation und das Gefühl hineinkommt. Das ist ja letztlich unser Job. Aber es fehlt das Handwerkszeug, wie man danach wieder rauskommt. Man muss ja eine Rolle auch wieder ablegen, sonst fängt man an zu hyperventilieren.
Dann sind Sie also niemand, der eine Figur nach Drehschluss sozusagen an der Garderobe abgibt?
Es kommt immer auf die Rolle an. Eigentlich kann ich das ganz gut, weil ich eine gute innere Balance habe. Aber bei „Reset“ war es irgendwann so, dass mich die Rolle körperlich angefochten hat. Wenige Wochen vor Ende der Dreharbeiten hatte ich ganz schwere Nierenschmerzen, und meine wunderbare Osteopathin, die mich die ganze Zeit begleitet hatte, sagte zu mir: Die Nieren sind nicht nur für die physiologische Entgiftung des Körpers da, sondern auch für die emotionale Entgiftung. Meine armen Nieren dachten, dass ich in einer Lebenskrise bin, weil ich das ja alles gespielt habe, Verlust, Krankheit, Tod und so weiter, sie konnten nicht wissen, dass es fake war. Sie sehen, Schauspielerei kann gefährlich sein.
War es das erste Mal, dass Sie bei Dreharbeiten eine solche körperliche Reaktion hatten?
In der Tat hatte ich das vor Jahren schon mal, aber es würde jetzt zu weit führen, das zu erzählen. Ein paar Tage nach Ende der Dreharbeiten war es dann ja auch wieder weg. (axt)