Ein Welt aus lauter bunten Lichtern
Von den sich ständig veränderten Licht-Stimmungen lassen wir uns einfangen. Da sind alle Farben des Regenbogens versammelt. Fast im Sekundentakt wechselt es von Weiß zu Grün, von Violett zu Rot und so weiter und so fort. Wir tauchen sowohl ein in eher heitere als auch düstere Atmosphären. In diesem Kaleidoskop der Farben wird es manchmal sogar völlig dunkel.
Merkwürdige Kristalle hängen von der Decke
Der Zauber wirkt bereits in der ersten Minute, in der wir noch ein bisschen orientierungslos durch diesen 160 Quadratmeter großen Wald in der Bremer Kunsthalle spazieren. Wir sind gleich mittendrin, fühlen uns fast schwerelos, gleiten hindurch durch die merkwürdigen Kristalle, die von der Decke hängen, lauschen den sphärischen Klängen. Alles glimmt, leuchtet und raunt. Der Raum weitet sich ins Unendliche, die Tonspur verstärkt diesen Eindruck.
Wir verlieren ein bisschen das Gefühl für Ort und Zeit. Wo sind wir noch gleich? Bei einem Pressetermin in der Bremer Kunsthalle? Nein, dafür ist dieser Augenblick viel zu magisch. Das merkt man schon allein daran, dass selbst die sonst immer so nüchternen Kolleginnen und Kollegen allesamt staunen, sie lächeln, dem einen oder der anderen entfährt ein „cool“ oder „megacool“.
Solche kindlichen Beifallsäußerungen müssten der Künstlerin, die als Musikerin begann und später in Wien und Basel Kunst studierte, gefallen. Denn ihre Kunst soll Spaß machen, das Leben feiern. Sie selbst hat sich auch mit 62 Jahren eine kindliche Neugier bewahrt und möchte die Betrachter ebenfalls in kindliches Staunen versetzen. Wie sie da in ihrem hellblauen Anzug, rosafarbener Bluse und Brille auf dem Sofa sitzt und ihre Arbeit erklärt, könnte sie tatsächlich eine ältere Verwandte von Pipi Langstrumpf sein.
Schweizerin begann ihre Karriere als Musikerin
Die Schweizerin, die sich vor langer Zeit selbst den Spitznamen Pipilotti verpasste und der mittlerweile in ihrem Pass steht, begann ihre Karriere als Musikerin. So kam sie zur Videokunst und studierte später Kunst in Wien und Basel. Christoph Grunenberg, der Direktor der Kunsthalle, lernte sie bereits 1994 als junger Volontär in Basel kennen, wo sie ihre kleinste Video-Installation verwirklichte. Aus einem kleinen Loch im Boden schallte es: „Auitami, hilf mir.“
Seit damals verfolgt Grunenberg das Werk von Rist, die heute zu den bekanntesten Künstlerinnen der Schweiz zählt. Für den Direktor war der Ankauf des „Pixelwaldes“ eine Herzensangelegenheit, den er mit Hilfe vieler Sponsoren nun zum 200. Geburtstag des Kunstvereins verwirklichen konnte. Er hatte keine Bedenken zwei Räume zusammenzulegen und eine Mauer zu verkürzen. Neben Katar, Zürich, Houston und Oslo besitzt jetzt auch Bremen einen „Pixelwald“, der hier den Zusatz „Wisera“, althochdeutsch für Weser, bekommen hat. Die Kunsthalle sei sowieso neben Louisiana in Kopenhagen „das schönste europäische Museum, schwärmt Rist.
Installation besteht aus 3000 LED-Lichtern
Für nüchterne, technische Details ist ihre Produktionsleiterin Kaori Kuwabara zuständig. Die führt aus, dass die Installation aus 3000 LED-Lichtern bestehe, die von der Decke hängen. Die Lichter befinden sich in handgemachten Kunststoffformen, die an Kristalle oder Eiszapfen erinnern. Die Lichter, die sich im schwarzen Keramikboden spiegeln, sind einzeln programmiert.
Die Künstlerin selbst drückt es so aus: „Eigentlich ist ja jedes Bild nur organisiertes Licht.“ Jedes Licht schwebe wie ein Pixel im Raum: „Als wäre ein Bildschirm explodiert.“ Rist hat aus ihrem Fundus bewegte Bilder von Landschaften und Nahaufnahmen zusammengeschnitten.
Flimmernde Bilder als Ausdrucksmittel sind mittlerweile eigentlich ein alter Hut. Seit mehr als 50 Jahren malen Künstler mit elektronischen Wellen. Und haben es immer wieder geschafft, Sehgewohnheiten aufzubrechen. Wulf Herzogenrath, von 1994 bis 2011 Direktor der Bremer Kunsthalle, hat in seiner Amtszeit zeitgenössische Ikonen der Videokunst zusammengetragen - unter anderem die Mona Lisa der Videokunst, den „Video-Synthesizer“ von Nam June Paik. Für Pipilotti Rist musste Paik seinen angestammten Platz in der Kunsthalle räumen. Wie sie zu Paik stehe, wird seine Nachfolgerin gefragt. „Er ist für mich wie ein Vater“, antwortet die.
Pipilotti Rist steht zwar auf Paiks Schultern, doch sie hat die Videosprache für ihre Generation revolutioniert, sie aus dem begrenzenden Rechteck eines TV- oder Handy-Bildschirms herausgeholt und in den Raum gebracht. Dabei gleichzeitig das technisch-coole Medium in eine wärmere Dimension überführt.
„Unser Leben ist voller LED-Punkte, die uns immer etwas sagen wollen. Hier können wir voll loslassen. Meine Arbeit soll eine Erholung fürs Hirn sein“, hofft die Künstlerin. Keine Frage, sie schenkt uns mit dieser Installation wunderschöne Augenblicke. Und auch ein bisschen Glück.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa
Wer in die Welt von Pipilotti Rist eintaucht, wandert durch ein Bild, dessen Farben sich ständig verändern. Aus Rot wird Blau, aus Weiß Gelb, grünes geht in violettes Licht über.
Auf einen Blick
Was: „Pixelwald Wisera“ von Pipilotti Rist in der ständigen Sammlung
Wo: Kunsthalle, Am Wall 207 in Bremen
Wann: Die Sammlung ist dienstags von 10 bis 21 Uhr zu sehen, mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.