Schau im Marcks-Haus in Bremen verrät zum Ende die Namen der gezeigten Bildhauer

Schau im Marcks-Haus in Bremen verrät zum Ende die Namen der gezeigten Bildhauer

Sie haben sich nicht vorgestellt, als wir sie zum letzten Mal in der Ausstellung trafen. Das holen all die Figuren, die sich im Gerhard-Marcks-Haus versammelt haben, nun nach. Und die Besucher staunen, wer sich da alles ein Stelldichein gibt.

Figuren lüften ihr Geheimnis

Auflösung des Rätsels: Schau im Marcks-Haus verrät zum Ende die Namen der gezeigten Bildhauer

Ein „Blind Date“, so der Titel der Schau, ist eigentlich ein Rendezvous, bei dem sich zwei Menschen begegnen, die nichts oder nur wenig übereinander wissen. Die Verabredung im Museum lief ähnlich ab. Nur dass sich hier Menschen und Kunst trafen, ohne dass die Besucher den Titel der Werke kannten noch wussten, wer sie geschaffen hatte. Nur eines war klar: alle Arbeiten, die dort zu sehen waren stammten aus der Sammlung des Hauses, dem „Kapital“ des Museums.

Die Kuratorinnen Mirjam Verhey-Focke und Veronika Wiegartz wagten ein Experiment: Sie wollten die Betrachter dazu bringen, sich ohne Vorwissen auf die 112 Werke von gute 70 Künstlern einzulassen. Und dieses Experiment ist geglückt - aus Sicht der beiden Kuratorinnen sowieso, aber auch aus der der meisten Besucher. „Dazu fällt mir nichts ein“, bemerkte zwar einer. Doch die meisten Zettel an der Wandtafel zeigen eher, dass die Kunstfans sich auf die ungewöhnliche Versuchsanordnung einließen. Einige stellten sogar ihr Zeichentalent unter Beweis.

„Wir haben auch viel gelernt“, freut sich Verhey-Focke. Zum Beispiel, dass sich 30 Interessierte bei den Führungen angeregt über die Arbeiten unterhalten können. In den letzten zwei Wochen der Schau können die Besucher nun selbst entscheiden, wie viel sie wissen möchten. Denn sie bekommen ein kleines achtseitiges Merkheft an die Hand, in der genau aufgelistet ist, was in den acht Räumen zu sehen ist.

Einige Annahmen waren schlichtweg falsch

Da reibt sich manch einer staunend die Augen. Denn einige Annahmen waren falsch. Zum Beispiel die, dass Ernst Barlach den Soldaten am Eingang, der sich in seinen Mantel verkrochen hat, geschaffen habe. Mitnichten. Die Figur stammt von „unserem Hausmeister“, wie Veronika Wiegartz den Namensgeber des Museums nennt. Marcks „Brandstifter“ von 1947 gehört zu den Figuren, die der Bildhauer für die Katharinen-Kirche in Lübeck fertigte. Dass die abstrakte Stahlplastik von Ingrid Dahn und der Spieß, auf den Berzan Kejo die Absagen zu Ausstellungsbewerbungen steckte, von dem Oberbegriff Säule zusammengehalten werden, war schon einfacher zu erraten.

Manchmal lag die Lösung auf der Hand. Bei den nackten Männern etwa, bei den Sitzenden, den Laufenden oder den abstrakten Arbeiten. Manchmal half aber selbst das genaueste Hinsehen nichts. So wie im zentralen Raum, in dem sich vor allem die Arbeiten von Bremer Bildhauerinnen und Bildhauern ein Stelldichein geben. Denn die sind so unterschiedlich, dass sie wirklich nur durch den Ort, an dem sie entstanden sind, zusammengehalten werden - auch wenn alle Künstler figürlich arbeiten. Da staunt selbst Anja Fussbachs „Erdmännchen mit Butterkeks“.

Schülerarbeiten sind ein Hingucker

Engel oder Ente - das ist die Frage bei der Gruppe der Flügelwesen. Hanna Koschinski schuf den „Entenbrunnen“ 1938, Susanne Rudolf den „Engel“ 2003. Abheben dürften auch die Zwölftklässler der Gesamtschule Bremen-Ost, die sich mit den „Alstermöwen auf Eisschollen“ von Gerhard Marcks beschäftigten und deren Papierarbeiten ein echter Hingucker sind.

Zum Abschluss noch drei Rätsel, die kaum zu knacken waren: Was haben das „Porträt einer jungen Frau“, ein „Insekt“, ein weiblicher Torso und ein Minotaurus miteinander zu tun? Sie kommen nicht drauf? All diese Arbeiten stammen von Bildhauerinnen, denen das Marcks-Haus 2019 eine große Ausstellung gewidmet hat. Auch in dieser Schau sind sie zahlreich vertreten, ihr Anteil liegt bei 20 Prozent, das ist weit mehr als sonst in Museen üblich.

Die vier Kleinplastiken in einem anderen Seitenraum werden allein durch die Tatsache zusammengehalten, dass sie in Marcks Todesjahr 1981 entstanden sind. Von ihm selbst stammt der der „EKG lesende Arzt“. Wolfgang Kuhl hat seinen Torso aus Fundstücken aus der Ostsee hergestellt, Thomas Duttenhoefer und Richard Hess wählen als Material die Bronze. Diese kleine Gruppe verdeutlicht noch einmal, wie vielfältig die figürliche Malerei sein kann.

Dass es im linken Teil des Foyers um jüdische Künstler geht, wissen ebenfalls nur Eingeweihte. Die Keramikerin Marguerite Wildenhain, von der das Marcks-Haus erst kürzlich ein Service ankaufte, war eine Schülerin von Marcks. In einer Vitrine sind die Zuckerdose und der Sahnegießer zu sehen. Gleich daneben liegen das Terrakotta-Relief des 1943 in Auschwitz ermordeten Moissey Kogan und die Maske des nach London emigrierten Jussuf Abbo. An der Wand erinnert die Installation von Joseph Sassoon an die Zerstörung des Tempels von Jerusalem.

Ob Mirjam Verhey-Focke und Veronika Wiegartz so eine Rätsel-Schau noch einmal machen würden? In einem kleineren Rahmen können sich die Kuratorinnen das durchaus vorstellen.

Die Skulpturen von Frauen lassen sich ebenfalls nicht über einen Kamm scheren. Das beweisen Bärbel Dieckmann mit ihrem „Minotaurus“ (von links), Charlotte Goltz mit dem „Porträt einer jungen Frau“, Hanna Koschinsky mit dem „Insekt“ und Christiane Häringer mit dem „Weiblichen Torso“.

© Museum

Die Skulpturen von Frauen lassen sich ebenfalls nicht über einen Kamm scheren. Das beweisen Bärbel Dieckmann mit ihrem „Minotaurus“ (von links), Charlotte Goltz mit dem „Porträt einer jungen Frau“, Hanna Koschinsky mit dem „Insekt“ und Christiane Häringer mit dem „Weiblichen Torso“.

Auf einen Blick

Was: „Das Kapital. Blind Date“

Wo: Gerhard-Marcks-Haus, Am Wall 208 in Bremen

Wann: Bis zum 25. Februar. Die Schau ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstags bis 21 Uhr.

Zum Artikel

Erstellt:
13.02.2024, 10:15 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 24sec

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen