Sebastian Fitzek: „Gruselige Orte regen meine Fantasie an“

Sebastian Fitzek: „Gruselige Orte regen meine Fantasie an“

Er ist kürzlich 53 Jahre alt und zum fünften Mal Vater geworden. Jetzt legt der Bestsellerautor Sebastian Fitzek mit einem neuen Gesellschaftsspiel und einem neuem Thriller nach. Worum es geht, verrät er im Interview.

„Gruselige Orte regen Fantasie an“

Bestsellerautor Sebastian Fitzek legt neues Gesellschaftsspiel und neuen Thriller vor

Sebastian Fitzek gehört zu den bekanntesten Autoren Deutschlands. Seine Psychothriller landen regelmäßig auf den Bestsellerlisten, inzwischen sind es 20 Millionen verkaufte Exemplare weltweit. Am 23. Oktober erscheint sein Werk: „Das Kalendermädchen“. Spielefans können außerdem seit Kurzem mit „Sebastian Fitzek – Underground“ versuchen, spielerisch einem Killer unter der Erde zu entkommen. Tanja Liebmann-Décombe sprach mit dem Schriftsteller.

Herr Fitzek, aktuell ist ein neues Spiel mit dem Titel Sebastian Fitzek – Underground“ erschienen. Worum geht’s?

Um die Flucht vor einem Killer in einem verlassenen U-Bahnhof. Die Spielerinnen und Spieler müssen gemeinsam als Team versuchen, den Ausgang zu erreichen.

Wie oft haben Sie es schon hinausgeschafft?

Hm, das kann ich leider an nur einer Hand abzählen…

Ein nicht leicht zu gewinnendes Spiel also?

Na ja, es gibt halt unterschiedliche Schwierigkeitsstufen und die schwierigen Level sind wirklich nicht ohne.

Was ist denn das Schwierige an dem Spiel?

Wir legen abwechselnd und als Team Plättchen übereinander und versuchen, Stück für Stück nach oben zum Ausgang zu gelangen. Wir haben allerdings das Problem, dass uns Wasser den Weg versperren kann. Am Ausgang brauchen wir außerdem einen Code, den wir zuvor knacken müssen. Und das Ganze müssen wir unter Zeitdruck schaffen.

Das hört sich spannend an…

Ja, und so soll das Spiel auch sein. Das Herzklopfen, das die Leserinnen und Leser beim individuellen Lesen meiner Bücher haben, wird hier quasi in der Gemeinschaft am Spieletisch erlebt. Das potenziert noch einmal den Thrill.

Glück oder Können – was überwiegt?

Es kommt natürlich auf das Team an. Aber mit fortschreitender Zeit überwiegt das Können.

Der Autor des Spiels ist Marco Teubner. Wie viel steckt von Ihnen drin?

Man muss sich die Aufgabenteilung ein bisschen so vorstellen wie zwischen einem Romanautor und einem Drehbuchautor. Ich schreibe die Geschichte, die dann in ein anderes Format transportiert werden muss – nämlich in ein Spiel. Den Transport verantwortet Marco Teubner, der dann quasi das Drehbuch schreibt, aber nicht für einen Film, sondern für ein Spiel.

Würde es Sie reizen, seine Rolle zu übernehmen?

Nein, ich bin und bleibe weiterhin der Impulsgeber. Ich mache zwar Vorschläge und wir sind in einem regen Austausch. Marco Teubner hat ein unglaubliches Wissen. Er hat das über Jahre und Jahrzehnte erworben. Ich will mir nicht anmaßen, dass ich das einfach so könnte. Spieleerfinder ist ein eigener Beruf. Deshalb schreibe ich auch keine Drehbücher. Jeder soll das machen, was er am besten kann.

„Sebastian Fitzek – Underground“ ist mittlerweile das dritte große Spiel, das Sie zusammen mit Marco Teubner realisiert haben. Warum ist bisher nie ein Buch zum Spiel erschienen oder andersrum?

Unser Ziel ist es immer, dass die Spiele komplett eigenständig sind. Sie sollen keine Werbeartikel zu einem Buch sein. Nach unserem ersten Spiel, „Sebastian Fitzek – Safehouse“, gab es beim zweiten Spiel „Sebastian Fitzek – Killercruise“ zwar eine gewisse Verbindung zu meinem Buch „Passagier 21“. Das war aber völlig unbeabsichtigt.

Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem aktuellen Spiel?

Ich erkunde zwar keine Lost Places, denn dazu bin ich ein viel zu großes Weichei. Ich interessiere mich aber dafür und finde es immer wieder faszinierend, wenn ich zum Beispiel im Rahmen von Interviews oder Fotoaufnahmen an so morbiden, verfallenen und gruseligen Orten bin. So ist quasi meine Fantasie angeregt worden, daraus ein Spiel zu machen.

Und warum haben Sie aus Ihrer Idee kein Buch gemacht?

Das habe ich aus dem Bauch heraus entschieden. Meistens habe ich eine Idee und denke sofort an ein Buch, weil ich im Kern natürlich Autor bin – aber eben nicht immer. Bei „Auris“ zum Beispiel hatte ich sofort die Idee „Hey, das wäre ein cooles Hörspiel“ und ich habe mich dann genau darauf konzentriert und Vincent Kliesch hat das Buch geschrieben.

Was war Ihnen bei der Umsetzung des Spiels „Sebastian Fitzek – Underground“ wichtig?

Ich wollte, dass die Spielerinnen und Spieler einen gemeinschaftlichen Druck empfinden und in jeder Partie Herzklopfen haben. Ich habe Marco auch gesagt, dass ich es schön fände, wenn wir es optisch hinkriegen könnten, dass wir von unten nach oben – also zum Ausgang hin – wachsen.

Sind Sie mit der Umsetzung zufrieden?

Ja, ich bin sogar sehr zufrieden! So soll das auch sein, denn mein Credo ist: Ich veröffentliche ein Buch oder ein Spiel erst, wenn ich voll und ganz dahinterstehen kann. Das war auch bei „Safehouse“ und „Killercruise“ so. Es waren immer total gelungene Gemeinschaftsprojekte – auch zusammen mit meinem Freund Jörn Stollmann, der für die Illustrationen verantwortlich zeichnet.

Mehrere Personen brachten also ihre Ideen ein?

Ja genau. Und das können auch mal nicht so zündende sein. Bei „Killercruise“ hatte ich etwa die Idee, in den Spieledeckel Wasser reinzulassen. Aber alle waren sich einig, dass das eine viel zu große Sauerei werden würde (lacht).

Egal, ob Buch, Hörspiel oder Spiel: Was reizt Sie an Ihrem Tun?

Es reizt mich, Menschen in Welten zu entführen, die sie zwar kennen, aber die sie noch nie besucht haben. Ich nenne das mal den Tiefsee-Effekt: Jeder hat eine diffuse Vorstellung von „dort unten“, aber die wenigsten von uns waren schon dort. Das sind die Welten, die mich reizen. Ferner mag ich es, wenn das Grauen langsam in eine eigentlich schöne Welt einzieht.

Fahnder, Detektive oder andere Profis lassen Sie eher außen vor. Mit Absicht?

Ja, denn ich liebe es, wenn Menschen, die nicht darauf trainiert sind, mit Gewalt umzugehen, sich auf einmal in einer Situation wiederfinden, für die sie nicht ausgebildet sind. Deswegen schreibe ich in der Regel auch keine Ermittlerkrimis. Ich interessiere mich eher für Figuren, die unfreiwillig in eine Situation reinkommen, die rätselhaft oder gefährlich ist.

Am 23. Oktober erscheint Ihr Buch „Das Kalendermädchen“. Im Mittelpunkt steht unter anderem eine Mutter, die verzweifelt versucht, das Leben ihres im Advent gezeugten Adoptivkindes zu retten. Wie kamen Sie darauf?

Es gab mehrere Impulse. Zum einen ist ein guter Freund von mir Adoptivvater und ich habe über ihn einen Einblick in das ganze Adoptivprozedere und alle Schwierigkeiten bekommen. Zudem habe ich von der Tradition des lebendigen Adventskalenders gehört. Das ist eine Tradition, die es in einigen kleineren Gemeinden in Deutschland gibt. Das bedeutet, dass man sein Fenster weihnachtlich schmückt und damit der Gemeinschaft signalisiert: Ich habe Tag der offenen Tür, ihr könnt alle kommen und wir feiern gemeinsam Advent.

Im Buch geht es auch um das Thema Knochenmarkspende. Warum?

Ich bin selbst bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei registriert und habe schon häufig dazu aufgerufen, sich typisieren zu lassen. Das Adoptivkind im Buch ist lebensgefährlich erkrankt und benötigt dringend eine Spenderin oder einen Spender…

Die Suche nach dieser lebensrettenden Person ist im Buch mit vielen überraschenden Wendungen verknüpft. Hatten Sie die schon grob im Kopf, als Sie Ihr dreißigseitiges Exposé zum Buch abgaben?

Nein, denn wenn ich anfange zu schreiben, entwickeln meine Charaktere spätestens nach 80 Seiten ihr Eigenleben. Ich bin dann eher der Beobachter als der Gestalter der Geschichte. Die Figuren kommen dadurch häufig ganz woanders an und halten sich nicht an meinen ursprünglichen Plan. Das Schreiben ist also auch für mich sehr spannend und immer wieder überraschend.

Das Kalendermädchen

© pr

Das Kalendermädchen

Ich interessiere mich eher für Figuren, die unfreiwillig in eine Situation reinkommen, die rätselhaft oder gefährlich ist.
Sebastian Fitzek

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Erstellt:
24.10.2024, 17:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 53sec

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