Alle Macht den Superreichen
Ein privater Stadtstaat
Vor der Küste des mittelamerikanischen Staates Honduras liegt eine Insel, die dem US-amerikanischen Tech-Milliardär Peter Thiel gut gefallen dürfte. Dort entsteht, in einer Sonderentwicklungszone, eine privat verwaltete Stadt. Sie heißt Próspera, wird von einem Privatunternehmen betrieben, und hier gelten nicht die Gesetze von Honduras, sondern eigene Regeln. Zu den Investoren gehört – Peter Thiel.
Douglas Rushkoff: Survival of the Richest. Suhrkamp, 281 Seiten, 22 Euro.
Bekenntnis zur libertären Ideologie
Einst hat er den Online-Bezahldienst Paypal gegründet, außerdem in diverse Tech-Firmen investiert, heute verfügt er über ein Privatvermögen, das auf die fantastische Summe von bis zu 20 Milliarden Dollar geschätzt wird. Dass mit so viel Geld eine gewaltige ökonomische Macht einhergeht, ist selbstredend. Aber der in Deutschland geborene Thiel, der sich offen zur libertären Ideologie bekennt und u.a. den heutigen US-Vizepräsidenten JD Vance schon mal mit zehn Millionen Euro im Wahlkampf unterstützt hat, hat auch eine politische Agenda – die Befreiung der Superreichen von staatlichen Regulierungen, notfalls eben durch Gründung eigener privater Staaten. Er glaube nicht, sagt Thiel ganz offen, „dass Freiheit und Demokratie vereinbar sind“.
Die Freiheit, die sie meinen
Wie die Freiheit aussieht, die Thiel und seine Mitstreiter meinen, wird eindrucksvoll in dem ausgezeichneten Deutschlandfunk-Podcast „Die Peter Thiel Story“ deutlich, der seit Ende Mai abrufbar ist. Eine ideale Ergänzung dazu bietet das Buch „Survival of the Richest“ („Das Überleben der Reichsten“) des US-Amerikaners Douglas Rushkoff. Rushkoff, Jahrgang 1961, ist Professor für Medientheorie und digitale Wirtschaft am Queens College der City University New York. Er gilt als digitaler Vordenker und hat unter anderem die Begriffe „Digital Native“ und „Virale Medien“ geprägt. Der Mann weiß also, wovon er redet und wird als Experte auch gerne mal um Rat gefragt.

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Er gilt als Vordenker, aber auch einer der schärfsten Kritiker digitaler Entwicklungen: Douglas Rushkoff (Jahrgang 1961) ist Professor für Medientheorie und digitale Wirtschaft am Queens College der City University New York.
Ein Treffen in einem abgelegenen Luxusresort
So auch bei einem Treffen in einem abgelegenen Luxusresort, irgendwo in den Vereinigten Staaten, das Rushkoff zu Beginn seines Buches schildert. Eingeladen haben ihn „fünf superreiche Männer aus der Welt der Tech-Firmen und Hedgefonds. Mindestens zwei von ihnen waren Milliardäre“. Thiel selbst dürfte nicht darunter gewesen sein, aber in „Survival oft the Richest“ geht es auch gar nicht explizit um ihn selbst als Person, sondern um die Ideologie, die Weltanschauung und die Ziele, die er mit anderen Tech-Milliardären teilt. Den „Mindset“, nennt Rushkoff das. Die Superreichen glaubten, es sei möglich, „genug Geld zu verdienen, um sich von dem Schaden abzuschotten, den sie verursachen, indem sie auf diese Art und Weise Geld verdienen. Es ist, als wollten sie ein Auto bauen, das schnell genug fährt, um seinen eigenen Abgasen zu entkommen.“
Wir verlosen drei Exemplare des Buchs „Survival of the Richest“ von Douglas Rushkoff.
Die Superreichen setzen sich ab
Genau darum nämlich dreht sich laut Rushkoff das erwähnte Treffen im Nirgendwo: Wie und wo können die Superreichen aus sicherem Abstand das Leben in der realen Welt ignorieren, wenn handfeste Bedrohungen wie Klimawandel, Pandemien, Massenfluchtbewegungen oder Ressourcenerschöpfung das Leben für Normalsterbliche irgendwann unerträglich machen? Der irdische Privatstaat ist dabei nur eine Variante, Tesla-Gründer Elon Musk plant die Besiedlung des Planeten Mars, KI-Entwickler wie Sam Altman oder Ray Kurzweil sehen die Lösung darin, ihre Gehirne in digitaler Form auf Supercomputer zu transferieren. Allen gemein ist laut Rushkoff, dass sie in der Technologie die Lösung aller (ihrer) Probleme sehen. Und dass es ihnen nicht darum geht, „die Welt zu einem besseren Ort zu machen, sondern eher darum, das menschliche Dasein überhaupt hinter sich zu lassen“.
Die Verlierer sind ihnen herzlich egal
Folgt man Rushkoffs Analyse, sind sich die Tech-Milliardäre sehr wohl bewusst, dass ein auf unendliches exponentielles Wachstum angewiesener Digitalkapitalismus am Ende sehr viele Verlierer und nur ganz wenige Gewinner hervorbringen wird. Es ist ihnen aber herzlich egal, solange sie selbst zu den Gewinnern gehören. Ihre Fantasievorstellungen bringt er so auf den Punkt: „Reißen wir alles nieder und beginnen wir von vorn. Wahre Autonomie bedeutet für sie völlige Unabhängigkeit von allen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft und von unseren Lebensumständen. Kompromiss ist gleichbedeutend mit Kastration. Zufriedengeben dürfen wir uns erst dann, wenn wir unendlich viele Wahlmöglichkeiten haben und absolute Freiheit genießen. Das ist unser Erbe, unsere Bestimmung und unser unantastbares Recht.“
Elon Musk zückt die Kettensäge
In früheren Zeiten hätte man so etwas vielleicht als die Spinnerei einiger reicher Durchgeknallter abgetan. Heute muss man es ernst nehmen, sehr ernst. Nicht zuletzt seit Elon Musk in seiner Tätigkeit für die US-Effizienzbehörde DOGE im realen wie im übertragenen Sinne und ohne Rücksicht auf Verluste die Kettensäge gezückt hat. Mit den Folgen müssen nun andere leben.
Der Staat steht als letzte Bastion im Weg
In „Survival oft the Richest“ liefert Rushkoff eine Brille, durch die man scheinbar wirre Aktionen und Wortmeldungen von Musk und seinesgleichen lesen kann. Erbaulich ist diese Lektüre nicht. Im Gegenteil: Sie macht deutlich, dass und warum es diese Leute vor allem auf den Staat und staatliche Institutionen abgesehen haben, die sie mit aller Macht schwächen, am liebsten ganz abschaffen wollen: Er ist die letzte Bastion, die ihrem Streben nach der absoluten Macht (noch) im Wege steht. Thiels Biograf Max Chafkin hat das ganz unmissverständlich so formuliert: „Ich denke, dass Thiel nicht nur in den potenziellen Zusammenbruch bestehender Ordnungen investiert, sondern dass er versucht, den Kollaps zu beschleunigen.“ Die Frage ist, ob wir tatenlos dabei zuschauen.
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