„Tatort“-Rechtsmediziner und Autor: Joe Bausch spricht über harte Kindheit

„Tatort“-Rechtsmediziner und Autor: Joe Bausch spricht über harte Kindheit

Viele Fernsehzuschauer kennen Joe Bausch aus dem Kölner „Tatort“, in dem er seit vielen Jahren den Gerichtsmediziner Roth spielt. Doch der 71-Jährige steht nicht nur regelmäßig vor der Kamera, sondern macht auch immer wieder als Autor von sich reden.

Bausch spricht über harte Kindheit

Interview mit Joe Bausch

In seiner Autobiografie „Verrücktes Blut“, die am 30.5. beim Berliner Verlag Ullstein erscheint (240 Seiten, 22,99 Euro), berichtet der Schauspieler und Schriftsteller von seiner harten Kindheit und Jugend in einem kleinen Dorf im Westerwald.

Herr Bausch, in Ihrem neuen Buch geht es um Ihre harte Kindheit und Jugend im Westerwald. Was hat den Anstoß dazu gegeben, jetzt über diese Zeit zu schreiben?

Eigentlich wollte ich schon vor vielen Jahren darüber schreiben, aber erst jetzt war die Zeit dafür reif. Zwar war beim Verlag auch schon vorher die Bereitschaft da, diese Geschichte auf den Markt zu bringen, aber nachdem ich im vergangenen Jahr 70 geworden bin, war der Anlass für eine autobiografische Rückschau perfekt. Ich habe mich zeitlebens mit fremden Leben beschäftigt, ob als Anstaltsarzt in einer Justizvollzugsanstalt, oder dadurch, dass ich als Schauspieler in Rollen eingetaucht bin. Ich habe früh mit beiden Händen in anderen Biografien gewühlt, da war es jetzt einfach an der Zeit, sich auch mal mit dem eigenen Leben zu beschäftigen.

Wurde Ihnen durch das Buch noch mal klar, wie Sie der wurden, der Sie sind?

Absolut, und das Tolle daran war, dass ich im Buch kein Leben von der Geburt bis heute schildern musste, sondern mich auf die wesentliche Zeit beschränken konnte. In meinen frühen Jahren wurden die Grundlagen dafür gelegt, wie ich zu dem Mensch wurde, der ich heute bin – und das ist ja vielleicht bei jedem so. Mir wurde auch noch einmal klar, wo meine Wurzeln liegen, und was es bedeutet, auf einem Bauernhof aufgewachsen zu sein.

Das Leben auf dem elterlichen Hof im Westerwald war hart, viel Arbeit und auch Prügel waren an der Tagesordnung. Inwiefern hat Sie diese Zeit geprägt?

Ich denke, dass ich eine gewisse Robustheit mitbekommen habe, mit der man ganz gut durchs Leben kommt. Außerdem musste ich schon ganz früh Verantwortung übernehmen. Es kam auf dem Hof auf Resultate an, da hieß es nicht: „Na gut, du hast es nicht hingekriegt, aber du hast es wenigstens versucht.“ Ausreden und Entschuldigungen gab es nicht, Fehler wurden nicht verziehen. Man musste die Aufträge der Eltern erfüllen, hat aber auch gemerkt: Die müssen sich auch ranhalten, die haben ja von morgens bis abends geschuftet. Die waren immer am Anschlag unterwegs, und ja: Die Prügel haben schon wehgetan, aber sie kannten ja nichts anderes. Wir haben alle zusammen in einem Drei-Generationen-Haushalt das gemeinsame Einkommen aus der Landwirtschaft generiert – auch ein ganz wichtiger Aspekt. Mir war früh klar: Du musst hart arbeiten und etwas leisten, wenn du es im Leben zu was bringen willst.

Ihr Vater war ein jähzorniger Mann, der Sie schon mal „Freckerling“ genannt hat, wie im Westerwald die schwachen Ferkel bezeichnet werden. Wie sind Sie damals damit klargekommen?

Ich fand das natürlich nicht gut, habe aber nie geglaubt, dass mein Vater oder meine Mutter mich nicht lieben würden. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit oder Zärtlichkeit hätte ich mir aber schon von ihnen gewünscht, aber das war einfach nicht drin. Ich war froh, dass meine Kindheit schnell vorbei war und bin es bis heute.

Sind Sie Ihrem Vater in der Rückschau böse?

Nein, weil er es im Leben noch viel schwerer hatte als ich. Meiner Mutter bin ich auch nicht böse. Meine Eltern waren Bauern und haben eine harte Existenz geführt, die haben gekämpft und sich völlig aufgebraucht. Sie waren ungemein fleißig und haben ihr gesamtes Leben, wenn man so will, auch für mich und meinen Bruder, für unsere Familie in die Waagschale geworfen. Deshalb habe ich mein Buch ja auch meinen Eltern gewidmet. Sie leben zwar beide nicht mehr, aber das war mir wichtig.

Sie sind als Kind von einem Jugendlichen über Jahre sexuell missbraucht worden, der bei Ihrer Familie auf dem Hof gelebt hat. Ihre Mutter wollte später davon nichts hören, als Sie es ihr erzählen wollten, wie Sie im Buch beschreiben. Konnten Sie ihr das verzeihen?

Letztendlich blieb mir nichts anderes übrig, als ihr das zu verzeihen. Ich kann mir mittlerweile aber ganz gut vorstellen, warum sie darüber nicht reden wollte.

Warum nicht?

Es hat nichts damit zu tun, dass sie meinen Kummer nicht hören wollte, sondern damit, dass sie eine sehr gläubige Frau war. Sie hat Gott dafür gedankt, dass sie zwei gesunde Söhne auf die Welt gebracht hatte und wollte diesem Pflegesohn, der mich missbraucht hatte, ebenfalls den Weg zu einem gelungenen Leben weisen. Das hat sie nicht geschafft und wollte deshalb nichts von dieser Geschichte hören. So erkläre ich es mir im Nachhinein jedenfalls.

Steckt Ihnen die schreckliche Erfahrung dieses fortgesetzten Missbrauchs heute noch in den Knochen?

Nein, überhaupt nicht, zum Allerschlimmsten ist es ja auch nicht gekommen, da konnte ich mich dann wehren, wie ich im Buch beschreibe. Ich habe relativ früh mit Freunden und Freundinnen darüber reden können und konnte es mir in diesen Gesprächen von der Seele reden. Es gibt ja leider sehr viele Missbrauchsopfer, die das nicht können. Ich habe mir schon überlegt, ob das ins Buch rein soll, aber diese Geschichte gehört eben auch zu meinem Leben.

Joe Bausch an der Seite von Klaus. J. Behrendt (von links) und Dietmar Bär. Im Kölner „Tatort“ spielt Bausch den Rechtsmediziner Dr. Roth.

© Martin Valentin Menke

Joe Bausch an der Seite von Klaus. J. Behrendt (von links) und Dietmar Bär. Im Kölner „Tatort“ spielt Bausch den Rechtsmediziner Dr. Roth.

Sie waren als Erstgeborener der legitime Hoferbe, haben sich aber schon früh vom Acker gemacht und einen anderen Weg eingeschlagen. Haben Sie je daran gedacht, den Hof doch mal zu übernehmen?

Na ja, in gewisser Weise könnte man sagen, ich habe ihn letztlich doch übernommen, denn mir gehört das Ding im Westerwald mittlerweile. Zu meinem großen Leidwesen muss ich sagen, denn der Unterhalt verschlingt Unsummen und das Ganze bringt kaum was ein. Ein Teil des Grundbesitzes ist verpachtet, ein anderer verkauft, aber der Hof gehört mir immer noch, an dem bin ich irgendwie hängengeblieben. Ich lebe zwar glücklicherweise schon lange nicht mehr dort, aber wer weiß: Vielleicht verbringe ich mal meine letzten Jahre mit ein paar Eseln und ein paar Pferden dort (lacht).

Wussten eigentlich Ihre Kölner „Tatort“-Kollegen Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt von Ihrer harten Kindheit oder erfahren die erst durch das Buch davon?

So ein bisschen, was habe ich denen in den vergangenen 27 Jahren gemeinsamer Dreharbeiten schon erzählt, aber so auf den Punkt gebracht wie im Buch habe ich es dabei natürlich nicht. Ich denke, die ein oder andere Facette von mir, die sie vorher noch nicht kannten, lernen der Dietmar und der Klaus bei der Lektüre schon noch kennen.

Wie lange wollen Sie noch den Gerichtsmediziner Roth spielen?
Ich denke, wenn Klaus und Dietmar mal aufhören, dann ist auch für mich Schluss. Prinzipiell gilt: Solange ich mich noch allein zum Mordopfer runterbeugen kann und ohne fremde Hilfe auch wieder hochkomme, solange kann ich den Roth auch noch spielen.

Joe Bausch kam 1953 als Hermann-Joseph Bausch-Hölterhoff in Ellar im Westerwald zur Welt und studierte zunächst Theaterwissenschaft, Politik, Germanistik und Jura, bevor er in Bochum ein Medizinstudium absolvierte. Danach arbeitete er über 30 Jahre als Gefängnisarzt in der Justizvollzugsanstalt im nordrhein-westfälischen Werl – in seinem Buch „Knast“ beschrieb er 2012 den Alltag hinter Gittern. Bausch spielte bereits als Student regelmäßig Theater und hatte Gastauftritte in verschiedenen Fernsehsendungen, 1997 stand er zum ersten Mal für den Kölner „Tatort“ vor der Kamera. Joe Bausch ist verheiratet, der 71-Jährige hat eine Tochter und lebt im Sauerland.

Die Autobiografie von Joe Bausch heißt „Verrücktes Blut – Oder: Wie ich wurde, der ich bin“ (Ullstein-Verlag, Berlin, 240 Seiten, 22,99 Euro).

© Ullstein-Verlag

Die Autobiografie von Joe Bausch heißt „Verrücktes Blut – Oder: Wie ich wurde, der ich bin“ (Ullstein-Verlag, Berlin, 240 Seiten, 22,99 Euro).

Zur Person

Zum Artikel

Erstellt:
30.05.2024, 19:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 53sec

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen