„Viele Fernsehkrimis finde ich langweilig“

„Viele Fernsehkrimis finde ich langweilig“

Schauspieler Bjarne Mädel begeistert seine Fans regelmäßig in schrägen Rollen. Im Krimi „Sörensen fängt Feuer“, der ab 11.10. in der ARD-Mediathek zu sehen ist läuft, spielt der 55-Jährige erneut die Titelrolle als Kommissar mit Angststörung.

„Viele Krimis finde ich langweilig“

Bjarne Mädel spricht im Interview über seinen neuen „Sörensen“-Film

Außerdem stand er wie im Vorgängerfilm „Sörensen hat Angst“ als Regisseur hinter der Kamera. Beide Krimis basieren auf einem Hörspiel, das der Autor Sven Stricker für Mädel geschrieben hatte und aus dem dann eine Romanreihe hervorging.

Herr Mädel, für Ihr Regiedebüt „Sörensen hat Angst“ bekamen Sie viel Lob, bei der Fortsetzung haben Sie nun erneut die Doppelrolle als Hauptdarsteller und Regisseur übernommen. Sind Sie als Regisseur eher Leader oder Teamplayer? Es gibt zwar Momente, wo ich sehr konzentriert bin und gar nicht mitbekomme, was um mich herum passiert, dann wissen die Leute, die mich ja alle gut kennen, dass man mich kurz in Ruhe lassen muss. Aber es gibt auch sehr viele Momente, wo wir uns gegenseitig auf und in den Arm nehmen. Es herrscht ein humorvoller aber vor allem ein respektvoller Umgang miteinander, und das drückt sich auch darin aus, dass wir den Fair-Film-Award bekommen haben. Darauf bin ich sehr stolz, weil das ja zeigt, dass alle Teammitglieder das Gefühl hatten, dass sie ihre Arbeit machen durften und gut mit ihnen umgegangen wurde.

Haben Sie persönlich in Ihrer Laufbahn als Schauspieler auch unangenehme Erfahrungen gemacht, in denen es am Set ein toxisches Klima oder Machtmissbrauch gab? Ja, das habe ich schon erlebt. Fälle, wo es mit wahnsinnig viel Druck zuging, mit Schreierei, mit einem Choleriker in der Position des Regisseurs – das ging so weit, dass da eine junge Kollegin zum Weinen gebracht wurde. Ich habe in meinen Jahren vor der Kamera bei der Zusammenarbeit mit Regisseurinnen und Regisseuren aber vor allem auch vieles beobachtet, was ich gut fand. Die guten Verhaltensweisen habe ich also übernommen und die Sachen, die mir nicht gefallen haben, wollte ich vermeiden – ein schlechtes Zeitmanagement zum Beispiel, das viele Überstunden nötig macht.

Die Reaktionen auf Ihre erste Regiearbeit waren euphorisch, es gab den Grimme-Preis und die Auszeichnung als bester Fernsehkrimi des Jahres. Hat Sie das noch mehr gefreut als die große Resonanz auf Ihre Rollen, etwa als „Tatortreiniger“? Das hat mich schon wahnsinnig glücklich und stolz gemacht, weil ich als Regisseur ja in der Verantwortung für den Film in seiner Gesamtheit stehe. Also, ich mache meine Arbeit generell nicht für Preise, aber natürlich freut man sich enorm, wenn gewürdigt und honoriert wird, was man künstlerisch versucht hat. In diesem Fall dann stellvertretend für Ensemble und Team. Das war für uns auch ein Ansporn zu sagen, beim zweiten Film müssen wir uns mindestens genauso anstrengen, denn jetzt gibt es ja eine gewisse Erwartungshaltung, und wir haben auch versucht, ästhetisch noch ein bisschen weiter an der Schraube zu drehen.

Das Besondere am ersten Sörensen-Film und Grund für die positive Resonanz war ja, dass er viele Konventionen gängiger TV-Krimis vermeidet. Schauen Sie selber viele Krimis? Nicht mehr so viele wie früher, weil ich es langweilig finde, wenn ich oft schon nach drei Minuten weiß, wie es ausgehen wird. Und ich ärgere mich maßlos über Lieblosigkeit. Wenn ich einen Krimi gucke und die Leiche mehrfach atmet, finde ich das unfassbar lieblos. Natürlich kann man es nicht verhindern, dass jemand mal Luft holen muss, wenn er oder sie eine Leiche spielt, aber das kann man ohne großen Aufwand später so bearbeiten, dass man es im Film dann nicht sieht. Es ärgert mich extrem, wenn Filmschaffende sich keine Mühe geben, und das will ich mir auf keinen Fall nachsagen lassen.

Im ersten Fall litt Sörensen unter einer Angststörung, ließ sich deshalb aus der Stadt in die Provinz versetzen. Sind Sie selber ein angstfreier Mensch? Ich glaube, dass es kaum jemanden gibt, der das von sich sagen kann. Angst ist ja erstmal auch nichts schlechtes, sie ist zunächst mal ein guter Motor. Wenn ich als Regisseur Angst vor Mittelmäßigkeit habe, dann muss ich mich eben noch besser vorbereiten, mir noch mehr Mühe geben. Wenn die Angst allerdings so groß wird, dass sie einen behindert, kann sie zu einer Krankheit werden.

Sie waren sich nach dem ersten Film aber trotz allem gar nicht sicher, ob es einen zweiten „Sörensen“ geben wird… Ja, einer der Gründe war, dass ich mich nicht wiederholen wollte. Aber dieses Mal haben wir uns inhaltlich auf die Themen Einsamkeit und Verlorenheit als Überbau zum Krimi-Plot konzentriert. Das fand ich auch sehr erzählenswert. Wenn jemand Angst vor Einsamkeit hat, schließt er sich – nur um irgendwo dazuzugehören oder sich verstanden zu fühlen – vielleicht einer merkwürdigen Glaubensgemeinschaft an, wie die Leute in unserem Film. Oder, wie gerade in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit, merkwürdige politischen Ideen. Das finde ich sehr beunruhigend. Wenn politische oder religiöse Ideen fanatisch sind oder es werden, sollten wir genau aufpassen.

Sie verknüpfen diese ernsten Themen aber auch immer mit Humor. Worin liegt für Sie darin der Reiz? Humor kann dabei helfen, Situationen zu entkrampfen und das liebe ich unter anderem am Mittel der Komik. Ich mag diese Mischung, wo es Abgründe und emotionale Momente gibt und Humor dann etwas Erlösendes oder Tröstendes haben kann. Man sagt auch nicht ohne Grund, dass man über den Humor an die Herzen der Zuschauer gelangt. Ich liebe es auch privat als Zuschauer: Wenn ich bei einem Film hin- und hergerissen bin zwischen Lachen und Weinen.

Sie gelten als Fachmann für skurrile Typen. Wie spielt man Skurrilität? Man muss seine Figur, egal wie absurd der Inhalt ist, ernst nehmen. Man darf beim Spielen nicht an die Wirkung denken, die man haben möchte. Dann ist Skurrilität nicht schwerer zu spielen als Normalität.

„Sörensen“-Autor Sven Stricker hat ja noch weitere Bücher über den Ermittler geschrieben. Werden Sie die auch noch verfilmen? Ich glaube nicht. Das habe ich nach dem ersten Film allerdings auch gesagt, insofern kann ich es nicht völlig ausschließen. Ich kann mir vorstellen, weiter als Regisseur zu arbeiten, aber ich hätte große Lust, das Genre zu wechseln und mich noch mehr auf das Drama zu konzentrieren. Wenn man mich fragt, was wünschst du dir für die nächsten fünf Jahre, würde ich sagen: Ich wünsche mir weiter spannende Projekte und Rollen als Schauspieler, und irgendwann einen Kinofilm als Regisseur.

Bjarne Mädel wurde 1968 in Hamburg geboren, er absolvierte seine Schauspielausbildung an der renommierten Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam und zählte zum Ensemble des Schauspielhauses Hamburg. Einem größeren Publikum wurde er als tragikomisches Mobbingopfer in der Fernsehserie „Stromberg“, als gemütlicher Provinzpolizist in „Mord mit Aussicht“ und als lakonischer Putzmann in „Der Tatortreiniger“ bekannt. Seit einiger Zeit überzeugt Bjarne Mädel auch in ernsten Rollen, so glänzte der Charakterdarsteller im viel beachteten Justizdrama „Feinde“. Der Schauspieler und bekennende HSV-Fan lebt in Berlin.

Bjarne Mädel

© Felix Hörhager

Bjarne Mädel

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Erstellt:
06.10.2023, 17:54 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 33sec

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