
© Arnd Hartmann
Im ehemaligen Kleingartengebiet Ackmann stehen schöne Gartenhäuser mit gepflegten Gärten direkt neben heruntergekommenen Buden.
Auf der einen Seite Idylle, auf der anderen Protest
Die einen sehen darin die große Chance, andere fürchten den Alptraum vor der Haustür. Seit feststeht, dass eine 5,8 Hektar große Fläche bei Buschkämpen als Bauland erschlossen wird, steigt der Widerstand. Jetzt will die Politik eine Lösung finden.
Kleingarten-Anlage wird Baugebiet
Überraschend hat die Bremerhavener Koalition aus SPD, CDU und FDP den geänderten Flächennutzungs- und den Bebauungsplan für das geplante Neubaugebiet Ackmann in Lehe von der Tagesordnung des Bau- und Umweltausschusses am Donnerstag genommen.
„Wir wollen für die Probleme, die die Anlieger beschäftigen, Lösungen finden“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Thorsten Raschen. Bevor die Pläne in die Entscheidung gehen, werde geprüft, ob der Ausbau der Straße Buschkämpen, Zugang zum Neubaugebiet, nicht anders als über Anliegerkosten finanziert werden könne. Eventuell über Grundstücksverkäufe.
Auch die Angst vor Rissen und Schäden an ihren Gebäuden durch die Bauphase wolle man den Anwohnern nehmen und werde auch hier prüfen lassen, wie dies am besten zu bewerkstelligen sei. Einige Wochen werde dies dauern. Aber klar ist: Die Koalition hält an der Bebauung des ehemaligen Kleingartengebiets mit 45 Einfamilienhäusern und drei Mehrfamilienhäusern fest. Auch wenn der Protest gegen die Pläne in den vergangenen Monat gewachsen ist.
Die krassen Kontraste im Gebiet Ackmann
Die Bremerhavener sind sich uneins: Manche sehen im Kleingartengebiet Ackmann schützenswerte Natur, andere einen verwahrlosten Dschungel.
Verwahrlosung war Ausgangspunkt fürs Neubaugebiet
Doch worum geht es überhaupt bei dem Konflikt? Wer sich in der ehemaligen Kleingartenanlage umschaut, sieht vor allem eins: wuchernde Brombeersträucher, wildes Gestrüpp, abgeräumte Parzellen neben verwüsteten Gartenhäuschen. Eine teils undurchdringliche Fläche hinter Absperrgittern. Von Idylle kann hier nicht die Rede sein. „Das hier ist keine schützenswerte Natur“, urteilt Gerd Mindermann, Vorsitzender des Kleingartenvereins Reuterhamm, bei einem Rundgang über das Gelände, das bis 2018 dem Verein gehörte. Schon damals machten Verwahrlosung und Vandalismus den Kleingärtnern zu schaffen. Sie waren der Ausgangspunkt fürs Neubaugebiet.
Vor fünf Jahren startete die Überlegung, die Fläche zu bebauen. Der Kleingartenverein Reuterhamm, der das Gelände von der Stadt gepachtet hatte, stand vor Problemen. „Wir konnten die Pacht an die Stadt nicht mehr aufbringen“, erinnert sich Mindermann. Grund war, dass so mancher Parzellenbesitzer auf dem Ackmann-Gelände nicht mehr seine Pacht an den Verein zahlte. Immer mehr Parzellen verwahrlosten. Fast 90 waren es zum Schluss, die verwildert oder verwüstet waren. Die Pächter waren oft spurlos verschwunden. „Um unsere Vereinsjahrespacht an die Stadt zu zahlen, mussten wir unsere Rücklagen aufbrauchen“, schildert Mindermann. Der finanzielle Ruin drohte. „Uns blieb gar nichts anderes übrig, als mit der Stadt zu reden“, sagt auch Volker Pfeuffer, stellvertretender Vereinsvorsitzender.
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Stadt übernahm 2018 die 5,8 Hektar große Fläche
2017 beschlossen die Kleingärtner: Die Fläche wird an die Stadt zurückgegeben. Nur ein rund 10.000 Quadratmeter großer Streifen mit 25 gepflegten Parzellen im Norden des Ackmann-Gebiets soll bleiben. Was auch geschah. Die 25 Parzellen gibt es immer immer noch. Den wenigen Pächtern, die inmitten der verwilderten Fläche ihren Kleingarten aufrechterhalten hatten, wurde eine Umsiedlung auf das Vereinsgelände Reuterhamm angeboten, wo die Kleingärtner weitere 133 Parzellen besitzen.
2018 übernahm die Stadt die Fläche und die Stadtverordnetenversammlung beschloss, einen Bebauungsplan aufzustellen. 45 Einfamilienhäuser sollen entstehen, dazu drei Mehrfamilienhäuser.
Doch seit in diesem Jahr die Pläne konkret wurden, haben sich eine Anliegergemeinschaft und vor kurzem noch eine Bürgerinitiative gegründet, die beide gegen eine Bebauung sind - aus teils unterschiedlichen Gründen. 181 Mitglieder hat die Bürgerinitiative. Sie bereitet gerade eine Petition vor, die sie am 22. November in den Petitionsauschuss einbringen will, um eine Bebauung zu verhindern. Die Mitglieder sehen durch eine Bebauung eine Zerstörung der Natur und der Tierwelt, die sich mittlerweile angesiedelt habe, sagt Carola Gerken, Sprecherin der Initiative. „In Zeiten des Klimawandels können wir es uns nicht leisten, noch mehr Fläche in der Stadt zu versiegeln“, findet sie und fragt, wie die Politik das Vorhaben mit Klimaschutzzielen in Einklang bringen wolle. Dass das Gebiet teilweise verwildert sei, sei kein Wunder, aber längst kein Grund, es deshalb zu bebauen.
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Was die Anwohnergemeinschaft dazu sagt
Die Anwohnergemeinschaft wendet sich weniger gegen das Baugebiet, sondern vor allem gegen die geplante Erweiterung der Straße Buschkämpen. Sie belaste die jetzigen Anwohner in unzumutbarer Weise, schilderte Anwohnersprecherin Elke Bacher bei der Stadtteilkonferenz Lehe. Schon jetzt wiesen einige Häuser wegen der schlechten Bodenverhältnisse Risse auf und seien bis zu zehn Zentimeter abgesackt. Durch die versiegelte Fläche des Baugebietes würde in Buschkämpen außerdem der Grundwasserspiegel steigen. Noch mehr Wasser im Keller wäre dann die Folge. Hinzu komme, dass sich die Anwohner an den Erschließungskosten der nie richtig ausgebauten Straße beteiligen sollen, die pro Haushalt 30.000 bis 40.000 Euro betragen können.
Und genau da will die Politik nun ansetzen und mit ihren jüngsten Beschlüssen den Anliegern entgegenkommen. Das Baugebiet sei eine große Chance, Familien hierzuhalten und die Abwanderung von Bauwilligen ins Umland zu stoppen, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Thorsten Raschen „Loxstedt hat gerade seine Pläne für weitere Neubaugebiete verkündet.“ Wenn Bremerhaven seinen Bürgern kein Bauland biete - die Umlandgemeinden tun es.

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Verlassene Gartenhäuser aus Holz zwischen überwuchertem Grün.

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Morbider Charme: Sofa und Stuhl sind zurückgeblieben.

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immer wieder findet sich auch Müll zwischen überwuchertem Grün.

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Eine der aufgegebene Parzellen, die noch geräumt werden muss.

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An mehreren Stellen auf dem Gelände wurde Müll abgelegt.

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Der erhaltene Teil der Anlage Ackmann zeigt ein gepflegtes Erscheinungsbild.

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Für die Kleingärtner ist der Anbau von Obst und Gemüse Pflicht.

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Gepflegte Wege, gestutzte Hecken - ein für Kleingartenanlagen typischer Anblick

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Die Kleingärtner legen Wert auf eine gepflegte Garten-Idylle.

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25 Parzellen auf dem Ackmann sind geblieben. Die Fläche wird nicht bebaut.

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Gerd Mindermann, Vorsitzender des Kleingartenvereins Reuterhamm. Der Verein hat 2018 die Ackmann-Fläche an die Stadt zurückgegeben. Nur 25 Parzellen im Norden blieben.

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So mancher Kleingärtner legt Wert auf eine besondere Gartendekoration.