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Mit einer starken Leistung holte die TSG Bremehaven bei der WM in Braunschweig Bronze - und es war sogar mehr drin.
Beer mit klarer Meinung zur Tanz-WM
Der Jubel bei der TSG Bremerhaven über WM-Bronze bei den Latein-Titelkämpfen in Braunschweig dauert noch an. Ebenso jedoch auch die Kritik an den Bewertungen. Auch Horst Beer, TSG-Präsident und Latein-Bundestrainer hat eine deutliche Meinung.
„Ich glaube, dass das Wertungsgericht teilweise wahrscheinlich ein bisschen den Überblick verloren hat“, sagt Beer, der zwar beruflich-bedingt nicht vor Ort sein konnte, sich aber über Livestreams einen Eindruck verschaffen konnte.
„Dass, was man feststellen kann, ist, dass die Wertungsrichter im Finale wohl relativ niedrig in ihrer Wertung angefangen haben. Beim ersten Team, was ja Zwölfaxing war als Vize-Europameister, sind sie sehr niedrig geblieben und haben sich dann noch oben gearbeitet.“
Völlig überraschend wurden die Österreicher dadurch Letzter in der Finalrunde - was nicht der einzige Kritikpunkt nach der WM war.
Noch vor Ort nahm Nick Dieckmann, ehemaliger Weltmeister-Tänzer und nun Trainer des niederländischen Teams Double V, ein Video auf und sagte öffentlich in den sozialen Medien: „Das österreichische Team erreichte bei der Europameisterschaft vor fünf Monaten 8,5 Punkte in der tänzerischen Qualität. Heute haben sie mit einer erstaunlichen Leistung einen Wert von 7,25 erreicht. Ein anderes Team erreichte das Finale - nicht wegen der herausragenden Leistung - sondern wegen der aktuellen politischen Situation und dem Wohlwollen der Richter“, so Dieckmann. „Meiner Meinung nach gab es auch Teams, die aufgrund ihrer Leistung im Halbfinale hätten stehen müssen. Heute sind (mehr als) drei Nationen unfair bewertet worden.“
Richtlinien nicht eingehalten?
Beim Deutschen Tanzsportverband ist von der Kritik bislang noch nichts bekannt, wie Pressesprecherin Gaby Michel-Schuck auf Nachfrage erklärte. Auch liege offiziell keine Beschwerde vor.
Horst Beer hat jedoch selbst in Rotterdam „mitbekommen, dass gerade von österreichischer Seite Kritik kam. Wobei es eine absolute Wertung ist und keine vergleichende.“ Sprich, jede Mannschaft wird für sich eigenständig bewertet. „Dafür gibt es Richtlinien und an die muss man sich halten. Wenn das aber nicht geschieht, dann kann zum Beispiel so etwas plötzlich passieren. Im Nachhinein würde das aber keiner zugeben. Aufgrund dieser Bewertung muss man aber fast davon ausgehen, dass das so passiert ist“, erklärt der Latein-Bundestrainer.
„Es war einfach eine tolle Show, aber es hatte nichts mit den charakteristischen Anforderungen zu tun, die eigentlich auch dazugehören.“
So sieht er auch den Vize-Titel für Moon Dance aus der Mongolei vor der TSG Bremerhaven als nicht gerechtfertigt. „Sie haben ganz zum Schluss ihre vielen Pirouetten gehabt und fünf Damen haben diese abgesetzt - normalerweise muss das maximal berücksichtigt werden in der Bewertung. Und dann muss das zur Konsequenz führen, dass man dann nicht Vize-Weltmeister werden kann. Das ist aber auch passiert“, moniert Beer. „Da könnte ich jetzt vermuten, dass wahrscheinlich einige Wertungsrichter schon ihre Bewertung abgeschlossen hatten, bevor der Durchgang zu Ende war, da es ja wirklich in den letzten 20 Sekunden passiert ist.“
Das ist jedoch nicht der einzige Kritikpunkt, den er anführt. „Da wird eine Choreografie bejubelt, die aber mit Tanzen eigentlich gar nichts zu tun hat. Die Tänzerinnen und Tänzer haben natürlich getanzt, aber was charakteristische Bewegungen von Rumba, Cha-Cha und Samba angeht, habe ich bei der Mannschaft im Livestream leider nicht viel gesehen. Es war einfach eine tolle Show, aber es hatte nichts mit den charakteristischen Anforderungen zu tun, die eigentlich auch dazugehören“, führt Beer weiter aus.

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Trotz deutlicher Patzer am Ende der Choreografie und fehlenden charakteristischen Anforderungen im Formationstanzen wurde Moon Dance aus der Mongolei Vize-Weltmeister.
Dass die Ukraine in die Finalrunde und dort sogar vor Zwölfaxing gewertet wurde, wurde ebenfalls nicht nur von Nick Dieckmann mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. „Ich kann mich für die Ukrainer freuen, aber es darf natürlich nicht sein, dass da so Solidaritätspunkte vergeben werden. Aber das kann man auch nicht nachweisen“, sagt Beer. „Ich finde aber, es hat alles einfach ein bisschen einen bitteren Beigeschmack.
Entscheidungen sind nicht anfechtbar
Anfechtbar sind die Entscheidungen der Wertungsrichter im Nachgang ohnehin nicht. „Wenn Wertungsrichter sich fehlerhaft verhalten hätten und drei während des Turniers beispielsweise massiv Alkohol getrunken hätten oder es da Absprachen gab, dann würde man natürlich einschreiten. Aber ich weiß nicht, ob selbst dann ein Ergebnis verändert werden könnte. Ich habe es bisher nie erlebt und es gibt kein Gremium, dass eine Bewertung überprüft“, erklärt Beer. „Zumal die, die die Plätze jetzt innehaben, dann im Anschluss auch protestieren würden. Und vor allem, wie will man das beweisen?“
Für die TSG käme eine offizielle Beschwerde ohnehin nicht infrage, die Bremerhavener sind mit dem dritten Platz zufrieden und stolz. „So etwas kann eben passieren, dafür sind wir im Sport und damit muss man klarkommen. Gerade mit dem Hintergedanken, dass wir neue Trainer haben und es auch eine relativ junge Mannschaft ist, ist das ein super Ergebnis“, so Horst Beer, aus dessen Feder die Erfolgs-Choreografie „Time-Machine“ stammt.
Horst Beer

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