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Die Vorwürfe gegen einen Cuxländer wiegen schwer. Er soll eines seiner Kinder missbraucht haben.
Vater soll Kinder missbraucht haben
Hat der Angeklagte aus einer Ortschaft im Landkreis Cuxhaven mehrfach eines seiner Kinder sexuell missbraucht? Das versucht das Landgericht in Stade zurzeit zu klären. Eine Tochter berichtete als Zeugin erschütternde Details.
In Handschellen betrat der Angeklagte den Gerichtssaal des Landgerichts in Stade, welches unter dem Vorsitzenden Marc-Sebastian Hase tagte. Der 63-Jährige, dunkler Pullover und Jogginghose, blickte unverwandt zum Richtertisch, als eine Tochter als erste Zeugin aussagte. Nur hin und wieder schüttelte er den Kopf und mischte sich ungefragt ein, was ihm einen richterlichen Verweis einbrachte.
Die Taten - sexueller Missbrauch von Kindern in 90 Fällen, schwerer sexueller Missbrauch in 45 Fällen und sexueller Missbrauch von Jugendlichen in 72 Fällen - sollen zwischen Januar 2011 bis Oktober 2017 begangen worden sein.
Jüngere Frau offenbart sich ihrer Schwester
Die junge Frau erzählte, dass sich ihre jüngere, heute 21-jährige Schwester, ihr anvertraut hätte. Zwar habe sie nicht explizit von einem Geschlechtsverkehr gesprochen, aber aus ihren Äußerungen gehe klar hervor, dass während der Zeit, als sie bei ihrem Vater wohnte, sexueller Missbrauch stattgefunden habe, was schließlich zur Anzeige bei der Polizei führte. Ihre Schwester habe sich verschlüsselt ausgedrückt. „Sie erzählte von einem Mädchen, das mit dem eigenen Vater eine eheähnliche Beziehung hatte. Das Mädchen war meine Schwester“, ist sich die Zeugin sicher. Das bestätigten später ihre Mutter und weitere Geschwister: Die Beziehung haben sie nicht als normales Vater-Tochter-Verhältnis erlebt.
Von körperlicher Gewalt, Manipulation und Vernachlässigung ist die Rede. Und von merkwürdigen Äußerungen. „Er hat oft gemeint, dass die Nachbarskinder und Frauen sich ihm anbieten würden. Er hielt sich für unwiderstehlich“, so die Zeugin. Ihr Vater habe die Kinder und ihre Mutter mit Anschreien und Beleidigungen fertiggemacht, wenn sie nicht seiner Meinung waren oder nicht gemacht haben, was er wollte.
Zeugin berichtet von fortwährenden „Grenzüberschreitungen“
„Es gab schon immer Grenzüberschreitungen, zum Beispiel wollte unser Vater, dass wir uns zu ihm auf die Wanne setzten, wenn er badete“, sagt die älteste Tochter aus. Seine Bemerkungen, sein Wunsch, dicht nebeneinander im Bett zu liegen, seine Küsse auf den Hals oder seine Umarmungen waren ihr unangenehm. Erst sei er liebevoll mit der Mutter umgegangen und dann habe er übelst beschimpft. „Er hat seine Stimmung von hier auf jetzt geändert. Erst waren wir die Besten, dann wieder Dämonen“, berichtet die junge Frau.
Ob er auch einen ihrer Brüder angefasst habe, wisse sie nicht. Der Befragte selbst kann sich kaum erinnern. Er und sein Bruder erzählten von einer teils glücklichen Kindheit, aber dass ihr Vater ihnen mit seinen Verschwörungstheorien, Schuldzuweisungen und Besserwissereien ziemlich auf die Nerven ging. Beide bestätigen, dass ihr Vater seine Wut nicht im Griff hatte, besonders, wenn es um ihre jüngste Schwester ging. „Psychoterror“, nennt es einer der beiden. Sein älterer Bruder meinte, dass seine Schwester unter Depressionen gelitten habe. Als er von dem Missbrauchsvorwurf hörte, stellte er seinen Vater zur Rede, der daraufhin in Tränen ausgebrochen sei. Was genau vorgefallen sei, wisse er bis heute nicht, bedauert der Ältere, nur so viel: „Für mich brach eine Welt zusammen, an sexuellen Missbrauch habe ich nie gedacht.“
Mutter erzählt von Schlägen und Drohungen
Ähnlich erging es der Mutter. „Ich habe einen charismatischen Menschen kennengelernt, der sich ab 1991 völlig veränderte. Nachdem seine Firma pleite gegangen war, habe er sich von der Familie zurückgezogen, schildert sie. Nach einer Weile kam er wieder an. Es habe Phasen gegeben, in denen er schrie und schlug, ihr Portemonnaie und Auto wegnahm. Als ihre Jüngste einmal nicht aufhören wollte zu weinen, drohte er, dem Kind „einen Stock in den Arsch zu schieben“.
Eine Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle empfahl ihr die Trennung, ihr Mann sei manisch-depressiv. Trotzdem blieb sie, aus Angst, den Kindern kein Zuhause bieten zu können. Vor rund zehn Jahren ließ sie sich dann scheiden und zog mit den Kindern unter Polizeischutz aus. Eine Tochter blieb beim Vater, was sie heute als Fehler sieht. „Danach hat sie sich total verändert, aber ich habe erst nur an emotionalen Missbrauch gedacht.“ Später habe die Tochter durchblicken lassen, dass ihr Vater sie „angefasst habe, aber zum Äußersten sei es nicht gekommen“. Sie sei aus allen Wolken gefallen, so die Mutter. Im Nachhinein mache sie sich Vorwürfe.
Das mutmaßliche Opfer, die 21-jährige Tochter, hatte ihre Aussage unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht. Der Prozess wird mit weiteren Zeugen fortgesetzt.