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Das Amtsgericht Geestland hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen drei Erzieherinnen aus der Gemeinde Hagen beraten.
„Freispruch“ für Erzieherinnen
Der Fall der angeblich von Erzieherinnen an Stühle gefesselten Kita-Kinder in Wersabe schlug Anfang des Jahres hohe Wellen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen drei Beschuldigte. Jetzt hat das Amtsgericht eine Entscheidung gefällt.
Die Vorwürfe klangen ungeheuerlich: Drei Erzieherinnen in der Kita Wersabe sollten Kinder an Stühlen gefesselt haben, um sie ruhigzustellen. Der Fall aus dem vergangenen Jahr hat nun ein juristisches Ende gefunden - mit einem positiven Ergebnis für die drei Frauen.
Im Februar hatte die NORDSEE-ZEITUNG erstmals über das berichtet, was in der Kita Deichbutjer schon länger Gesprächsthema war. Mitarbeiterinnen der angeschlossenen Krippe hatten von mehreren Kita-Kindern berichtet, die von den drei Erzieherinnen mit Seilen auf Stühlen fixiert worden sein sollen. Die Gemeinde Hagen hatte die aufgebrachten Eltern daraufhin Ende Januar zu einer digitalen Informationsveranstaltung eingeladen.
Ruhe in die Einrichtung brachte das allerdings nicht. Sogar die Staatsanwaltschaft Stade ermittelte wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen gegen die drei Frauen. Wie jetzt erst bekannt wurde, erhob die Staatsanwaltschaft Anfang März sogar Anklage. „Allerdings wegen gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung in vier Fällen“, wie Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas mitteilte. Zwar habe es sich in allen Fällen um dasselbe Kind gehandelt, aber an vier verschiedenen Tagen im Oktober und November 2021, fügte Breas hinzu.
Richter teilen Ansicht der Stader Staatsanwaltschaft nicht
Die Meinung der Stader Staatsanwaltschaft teilten die Richter am Amtsgericht Geestland jedoch nicht - und lehnten die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Die Voraussetzung dafür, der sogenannte hinreichende Tatverdacht, habe schlichtweg gefehlt, wie Gerichtssprecher Paul Stich deutlich machte. Einerseits habe es an direkten Zeugenaussagen für die Freiheitsberaubung gemangelt, andererseits sei die Grenze zwischen Erziehungsbefugnissen einerseits und strafrechtlich relevantem Verhalten andererseits „nicht immer trennscharf“, so Stich.
Der Hagener Anwalt Joachim Eickhoff, dessen Kanzlei die drei Erzieherinnen vertritt, sprach von einem Foto, das einen Stuhl mit einem Band darüber zeige. „Der Richter ist zu dem Schluss gekommen, dass sich ein Kind aus dieser Situation sofort hätte befreien können“, sagte er. Außerdem sei die Aufgabe von Erzieherinnen mit der von Eltern vergleichbar, die die Freiheit ihrer Kinder ebenfalls im Auto oder im Laufstall einschränken würden, ohne dass dies einen Straftatbestand auslöse.
Gerichtssprecher: Wollten Verhalten nicht verharmlosen
Für den Gerichtssprecher ist der Hinweis wichtig, dass mit dem Beschluss „das potenziell gezeigte Verhalten“ der Erzieherinnen keineswegs „als in Ordnung“ hingestellt oder verharmlost werden sollte. Allein die rechtliche Prüfung habe ergeben, dass „eine Verurteilung aufgrund der Beweislage eben nicht ausreichend wahrscheinlich sein würde“, teilte Stich mit. Und: „In einem solchen Fall sieht der Gesetzgeber vor, dass das Hauptverfahren nicht eröffnet wird.“
„Wir werden uns auch in Zukunft hinter unsere Mitarbeiter stellen.“
Die Staatsanwaltschaft Stade habe zwar Rechtsmittel gegen diese Entscheidung geprüft, so der Oberstaatsanwalt, diese letztlich aber nicht eingelegt. Denn: „Was das Gericht sagt, ist zwar nicht unsere Meinung, aber es ist aus unserer Sicht auch nicht komplett falsch, sondern vertretbar“, sagte Kai Thomas Breas.
Gerichtsentscheidung kommt Freispruch gleich
Für die drei in Verdacht geratenen Erzieherinnen, die inzwischen in anderen Kitas der Gemeinde arbeiten, ist die Entscheidung des Amtsgerichts wie ein Freispruch. „Ihnen ist ein Riesenstein vom Herzen gefallen“, sagte Joachim Eickhoff und lobte ausdrücklich auch die Gemeinde Hagen für ihr Verhalten. „Sie hat zu den Mitarbeiterinnen gehalten und sie trotz des Drucks aus der Elternschaft nicht über die Klinge springen lassen“, so der Rechtsanwalt. Jetzt ginge es den drei Frauen vor allem darum, das Ganze abzuhaken.
„Wir werden uns auch in Zukunft hinter unsere Mitarbeiter stellen“, sagte Hagens Erster Gemeinderat Martin Leying. „Aber wir werden auch weiterhin alles dafür tun, um solche Vorfälle aufzuklären.“ Arbeitsrechtliche Konsequenzen hätten die drei Erzieherinnen nun nicht mehr zu befürchten. „Wir hoffen nur, dass jetzt endlich Ruhe einkehrt“, so Leying.
In der Kita Deichbutjer in Wersabe sei das bereits der Fall. „Das neue Team dort hat die Einrichtung in stürmischen Zeiten übernommen“, sagte der Vertreter von Bürgermeister Andreas Wittenberg (parteilos). „Das sind alles extrem erfahrene Kräfte. Uns wird gesagt, dass Eltern und Mitarbeiter damit zufrieden sind.“
Martin Leying, Erster Gemeinderat der Gemeinde Hagen

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