Hoffnungsträger auf Abwegen
Was war die Stimmung gut an Bord des Fahrgastschiffs MS Helgoland, als im Dezember 2023 rund 200 illustre Gäste die Fertigstellung des neuen Energiehafens in Stade feierten. Die Minister Lies und Meyer waren an die Elbe gekommen, Unternehmensvertreter, lokale Politik und Prominenz feierten einen Meilenstein in der deutschen Energieversorgung. Die Freude ist längst verflogen.
Der Anleger, über den Erdgas ins deutsche Netz befördert werden sollte, hat Land und Bund zwar 300 Millionen Euro gekostet und wurde in der Rekordzeit von nicht mal einem Jahr aus dem Elbschlick gestampft - über ihn ist aber bisher noch kein Kubikmeter Gas geflossen. Woran das liegt, ist umstritten.
Unstrittig ist, dass die Energos Force im März den neuen Energiehafen in Stade verlassen hat. Zuerst ging es nach Skagen in Dänemark, jetzt wurde Kurs gen Süden eingeschlagen. Zurzeit befindet sich das Schiff auf Höhe von Gibraltar. Die DET, die Deutsche Energy Terminal GmbH, ist für den Betrieb von Terminals zuständig, unter anderem in Stade.
Schiff verharrte ein Jahr lang ohne Nutzung im Hafen
Über die Terminals soll Flüssigerdgas (LNG) per Schiff angelandet werden. Das Spezialschiff Energos Force bringt das tiefgekühlte und deswegen flüssige LNG zurück in den Gaszustand. Ein Jahr lang lag sie ohne Funktion im Stader Hafen. Die täglichen Kosten werden auf 200.000 Euro geschätzt. So ist es nicht verwunderlich, dass die bundeseigene DET nach neuen Verwendungen für das teuer gecharterte Schiff sucht. Dem Vernehmen nach soll es nach Jordanien gehen. DET-Sprecher Dirk Lindgens bestätigt auf Nachfrage unserer Redaktion, dass „eine Subcharter für die FSRU Energos Force intensiv geprüft“ wird.
Bei der Prüfung finde auch Berücksichtigung, dass die Subvercharterung „die gerade ebenfalls in Prüfung befindlichen Möglichkeiten für eine zeitnahe Inbetriebnahme des Standortes nicht beeinträchtigen darf“. Die Subvercharterung soll also keinen Einfluss auf die Inbetriebnahme des Stader Energiehafens haben. Wann dieser Zeitpunkt kommen soll, teilt die DET allerdings nicht mit.
Streit zwischen Unternehmen legt Stader Anleger lahm
Im Hintergrund schwelt seit Monaten ein Streit zwischen der DET und der HEH, der Hanseatic Energy Hub, die in Stade das große LNG-Terminal an Land für eine Milliarde Euro bauen lässt und auch für die Suprastruktur, also Löscheinrichtungen und Leitungen, im Stader Energiehafen zuständig war. Mit dieser Installation war die DET nicht zufrieden.
Beide Parteien haben sich ineinander verbissen. Die Landesregierung schritt ein und versuchte, den Streit zu moderieren - mit mäßigem Erfolg. Zwar hat das Gas-Unternehmen Uniper, das in Wilhelmshaven den LNG-Anleger betreibt, auf Wunsch der Landesregierung einen aktuellen Bericht in Stade verfasst. Doch den interpretieren beide Seiten für sich.
„Der Bericht von Uniper bestätigt unsere Position“, sagt DET-Sprecher Lindgens. „Wir begrüßen es, dass HEH offenbar ebenfalls feststellt, dass die technischen Arbeiten an den Suprastruktur-Anlagen und die für einen sicheren Betrieb (...) unter Einhaltung deutscher und internationaler Sicherheitsstandards zu übergebende Dokumentation noch ausstehen.“ Grundsätzlich sehe die DET, „dass die Anlage in Betrieb genommen werden könnte, wenn die offenen Punkte, die Uniper benennt, abgearbeitet worden sind“.
HEH sieht es naturgemäß anders. Die FSRU-Suprastruktur in Stade könne bis zum Beginn der Heizperiode technisch in Betrieb genommen werden. Zuvor hätten dies bereits die zuständigen Genehmigungsbehörden bestätigt.
Die Niedersächsische Staatskanzlei hatte zu Freitag die Beteiligten zum Gespräch geladen, um alle technischen Fragen zu klären. Da war die Energos Force aber bereits auf dem Weg in den Süden. Das Land habe ein großes Interesse, so ein Sprecher der Regierung, dass das Terminal in Betrieb gehe. Schließlich sei es mit dem Bau des Energiehafens in Vorleistung gegangen.
Die Verantwortlichen treibt auch um, dass die Gaslage in Deutschland derzeit angespannt ist. Die Lager sind zur Hälfte leer, der nächste Winter kommt bestimmt. Da könnte auch der Stader Anleger zur Versorgungssicherheit beitragen.
Deutlich wird Stades Landrat Kai Seefried. Einer Inbetriebnahme der Anlagen stehe nichts im Wege. Sie wäre in kürzester Zeit umsetzbar, „wenn denn der Wille dafür seitens der DET vorhanden wäre. Aus meiner Sicht gilt, das Handeln der DET weiterhin sehr kritisch zu hinterfragen. Hier vor Ort ist ein massiver Vertrauensverlust entstanden“, kritisiert Seefried.
Landrat zweifelt, ob Standort Stade betrieben wird
Die Zweifel, ob die DET den Standort Stade überhaupt jemals ernsthaft betreiben wollte, seien in den vergangenen Monaten „leider gewachsen“. Seefried: „Ich appelliere abermals an alle Beteiligten, eng zusammenzuarbeiten und einen gemeinsamen Weg zur Inbetriebnahme der FSRU zu erarbeiten.“
Seefried will jetzt Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche einbinden, „mit dem klaren Ziel, eine Inbetriebnahme der FSRU in Stade noch vor dem nächsten Winter zu ermöglichen“. (dly)