Kohlgeheimnis: Warum zwei Berlinerinnen an der Nordseeküste Wiesenkümmel suchen

Kohlgeheimnis: Warum zwei Berlinerinnen an der Nordseeküste Wiesenkümmel suchen

Wohnmobil statt Bollerwagen, Wiesenkümmel statt Grünkohl: Carola Rümper und Gunhild Kreuzer haben sich auf eine Kohltour der etwas anderen Art begeben. Beim „Talk to Kümmelkohl“ an der Wurster Küste stießen die Künstlerinnen auf Überraschendes.

Künstlerinnen lieben Kümmel

Berlinerinnen machen mit Kunstprojekt „Talk to Kümmelkohl“ weiter

Sie wollten dem Geheimnis des Kümmelkohls auf die Spur kommen. Dafür haben die Kuratorin Carola Rümper und die Künstlerin Gunhild Kreuzer ein Wohnmobil gemietet und sich auf den Weg von Berlin an die Wurster Nordseeküste gemacht. Das Motto ihrer zehntägigen Reise lautete „Talk to Kümmelkohl“. Herausgekommen sind weit mehr als ein paar Gespräche.

„Kümmel wird nur an der Wurster Küste gestochen“

Kümmelkohl, haben die Frauen erfahren, wächst nicht nur an der Küste zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. „Den gibt es in ganz Mitteleuropa, das war mir neu“, berichtet Rümper, die in Dorum aufgewachsen ist und das Wiesenkraut aus ihrer Kindheit kennt. Eine Eigenheit können die Bewohner der Gemeinde Wurster Nordseeküste dennoch für sich in Anspruch nehmen, denn der Kohl werde - ganz exklusiv - nur hier an der Wurster Küste gestochen.

Kümmelkohl Wurster Nordseeküste

© Arnd Hartmann

Kümmelkohl: ein zartes Pflänzchen, das sich auf den Wiesen im Vordeichland rar macht.

Das Nationalparkgesetz erlaubt seit 22 Jahren Einheimischen die Ernte der raren Pflanze auf Nationalparkgebiet nur noch unter Auflagen und für den privaten Gebrauch. Eine Gärtnerei habe einmal versucht, den Kümmelkohl zu züchten und für den kommerziellen Gebrauch zu vermarkten. Doch das soll nicht funktioniert haben, berichtet Rümper. „Die Leute hier sind der Meinung, dass nur wilder Kümmel wirklich lecker schmeckt.“

Carola Rümper wagt künstlerischen Feldversuch mit Kümmelkohl

Ob das stimmt, will Rümper nachprüfen. „Als künstlerischen Feldversuch sozusagen.“ Dafür werde sie Kümmelsamen auf ihrem Balkon in Berlin zum Keimen und Wachsen bringen. Falls die Balkonernte zu mickrig für ein üppiges Kümmelkohl-Gericht ausfallen sollte, hat sie gleich noch einen Tipp mit auf den Weg bekommen: „Man kann Kümmelkohl mit Steckrübe mischen.“

Bei ihrem Deichspaziergang mit Einheimischen haben die beiden Frauen erfahren, dass es Kümmelkohl gebe. Kaum noch einer würde die mühsame Arbeit des Stechens auf sich nehmen. „Röhrkohl ist auf jeden Fall bekannter und soll auch einfacher zu finden sein“, sagt Rümper. Dabei gebe es durchaus auch junge Menschen, denen an der Bewahrung dieser (kulinarischen) Tradition etwas liege. Das Problem: Wer einen guten Platz zum Kümmelstechen kenne, verrate ihn nicht. „Selbst unter Freunden gibt man Fundstellen nicht weiter“, meint Rümper schmunzelnd.

Mit mehr als 200 Menschen über Wiesenkümmel gesprochen

Am Ende ihrer Tour schätzen die beiden Künstlerinnen die Zahl ihrer Begegnungen mit Kümmelkohl-Kennern und -Neugierigen auf „mindestens 200“. Die Menschen seien ihnen aufgeschlossen und humorvoll begegnet, sagt Kreuzer, die das Vorurteil vom wortkargen Norddeutschen so gar nicht bestätigt sieht. „Die Leute haben sich viel Zeit genommen.“

Für die Künstlerinnen waren schon die Treffen Teil ihres Kunstprojektes. Rümper bezeichnet die Begegnungen als „soziale Skulptur“, eine Kunstform, die sie in ihrer künstlerischen Tätigkeit verarbeite.

Zurück in Berlin wollen die Frauen zunächst ihre Recherchen auswerten. Außerdem überlegt Rümper, ausgehend vom eigenen Projekt andere Künstlerinnen und Künstler zu motivieren, sich mit der Pflanze in anderen Regionen Mitteleuropas zu beschäftigen. Einen weiteren Ansatzpunkt für eine künstlerische Auseinandersetzung liefert der Fakt, dass sich Kümmelkohl nicht kommerzialisieren lasse. „Das ist auch deshalb spannend für uns“, so Rümper, „weil der Kunstmarkt als solcher extrem kommerziell ist.“ Sollte es irgendwann eine Kümmelkohl-Ausstellung geben, würden sie diese auch an der Wurster Küste präsentieren.

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Erstellt:
21.05.2023, 13:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 37sec

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