Messerattacke in Hodenhagen: Gericht schickt Täter in Klinik

Messerattacke in Hodenhagen: Gericht schickt Täter in Klinik

Nach einem Messerangriff auf dem Bahnhof in Hodenhagen vor einem halben Jahr hat die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Verden gestern die Unterbringung des 43 Jahre alten Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Gericht schickt Täter in Klinik

Mann stach 19-Jährige nieder – Richter sehen Schuldunfähigkeit wegen psychischer Erkrankung

Grundlos und unerwartet hatte der Wilhelmshavener eine 19-Jährige mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Es war eine Tat, die potenziell jeden hätte treffen können, sagt die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung.

Die Tierpflegerin aus Bad Fallingbostel hatte an diesem 17. Februar gerade Feierabend und wartete auf den Zug. Gerade angekommen am Bahnhof hatte sie sich eine Zigarette angesteckt und telefonierte mit ihrem Freund. „Sie bemerkte beiläufig den Beschuldigten und dachte, vielleicht will er nach einer Zigarette fragen, aber da begann er schon, mit einem Messer auf sie einzustechen“, so die Richterin zum Tatgeschehen.

Getroffen habe er sie an Kopf, Brustkorb und Bauch. „Er kniete auf ihr und stach weiter zu. In ihrer Verzweiflung griff sie nach der Klinge, versuchte das Messer festzuhalten, es ihm aus der Hand zu nehmen, was ihr nicht gelang.“

Von Hilferufen alarmierte Anwohner eilten herbei. Ein Mann versuchte den Täter abzulenken und in seine Richtung zu locken. „Trotz ihrer zahlreichen Verletzungen konnte die Geschädigte noch gehen. Sie ging mit erhobener Hand, in der sie einen langen und spitzen Schlüsselanhänger hielt, auf den Geschädigten zu“, stellte die Richterin fest. Daraufhin versuchte der Mann nochmals zuzustechen und „um sie los zu werden, schubste er sie ins Gleisbett“. Kurz darauf traf die Polizei ein. Der Wilhelmshavener wurde vor Ort festgenommen.

Mann war der Meinung, die Frau habe ihn beschimpft

„Dass die Geschädigte überlebt hat, ist dem Eingreifen der Zeugen und ihrer eigenen Gegenwehr zu verdanken“, betonte der Staatsanwalt gestern in seinem Plädoyer und dem schloss sich der Verteidiger an. Einig waren sich die Juristen auch bei einer weiteren Frage: „Natürlich hat er nicht in Notwehr gehandelt“, so der Verteidiger, aber wahrscheinlich habe seinen Mandanten etwas „getriggert“.

Sein schwer psychisch erkrankter Mandant sei aber „nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, was ist richtig und was ist falsch“. „Er war der Meinung, die Frau habe ihn als Spacken beschimpft, der auf Kinder stehe, und er meinte, er werde mit einem Messer angegriffen“, hieß es später in der Urteilsbegründung.

Wie von beiden Juristen beantragt, wurde die Unterbringung angeordnet. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, was zu erwarten ist, wird der 43-Jährige auf unbestimmte Zeit in der Klinik bleiben. Denn: „Es sind weitere, vergleichbar schwere Straftaten zu erwarten“, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.

Die psychische Erkrankung des Mannes war damals schon bekannt und infolge dieser soll es am 3. Oktober 2024 zu einem Messerangriff auf den Bruder des Beschuldigten in Varel (Landkreis Friesland) gekommen sein. Damals war jedoch keine vorläufige Unterbringung erfolgt und der 43-Jährige somit zum Tatzeitpunkt auf freien Fuß.

Der Verteidiger bezeichnet es als „große Errungenschaft des deutschen Strafrechts“, seinem Mandanten „zu helfen“. Genauso sei es „das gute Recht der Allgemeinheit zu sagen, er kann nicht bestraft werden und muss für eine gewisse Zeit in eine Unterbringung“.

Wie lange das sein wird, hängt auch von der bislang nicht gegebenen Krankheits- und Behandlungseinsicht des schuldunfähigen 43-Jährigen ab, bei dem seit vielen Jahren eine paranoiden Schizophrenie besteht. Diese war zum Tatzeitpunkt stark dekompensiert und deshalb konnte „der Beschuldigte nicht mehr erkennen, dass das, was er tat, unrecht war. Das können wir ziemlich sicher feststellen“, sagte die Richterin. Infolge seiner Erkrankung glaubt der Mann: „Er sei der Normalste von der Welt und alle Anderen seien verrückt.“

20-Jährige schildert Tathergang gefasst

Die Tathandlung wurde als versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet. Die Verletzung waren gravierend, aber nicht akut, sondern teilweise potenziell lebensbedrohlich. Laut der inzwischen 20-Jährigen steht nicht fest, ob sie inbesondere ihre rechte Hand wird wieder vollständig bewegen können.

Dennoch hat sie das Tatgeschehen „ausgesprochen gefasst und schlüssig geschildert“ und die Auswirkungen auf ihr Leben „ohne Dramatisierung“, zollte ihr der Staatsanwalt Respekt. „Alle Achtung an die Geschädigte“, wandte sich der Verteidiger an die anwesende Geschädigte und wünschte ihr, wie vermutlich die allermeisten im Saal, dass die „körperlichen wie seelischen Narben verheilen mögen“. (yvo)

Verden. Nach einem Messerangriff auf dem Bahnhof in Hodenhagen (Heidekreis) vor einem halben Jahr hat die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Verden gestern die Unterbringung des 43 Jahre alten Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Das Landgericht in Verden.Assanimoghaddam/dpa

© Assanimoghaddam/dpa

Das Landgericht in Verden.Assanimoghaddam/dpa

Ihr Autor

Wiebke Bruns

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Erstellt:
19.08.2025, 11:46 Uhr
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