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Bei verschiedenen Arzneimitteln kommt es zu starken Lieferproblemen. Das spüren auch Apotheken und Patienten in Bremerhaven.
Die Tabletten werden knapp
Krasse Lieferengpässe bei Arzneimitteln: Blutdrucksenker, Schmerzmittel, Fiebersaft für Kinder - sie alle sind derzeit rar. Weil es in Chinas Häfen stockt, kommt auch in Deutschland nicht mehr jedes Medikament an. Was bedeutet das für Patienten?
Die Lieferengpässe bei Arzneimitteln spüren auch Apotheken und Patienten in Bremerhaven: „Die Nicht-Lieferfähigkeit wegen der derzeit weltweit unterbrochenen Lieferketten zieht sich durch sehr viele Arzneimittelgruppen“, sagt Anja Sievern, Inhaberin der Bremerhavener Möwen- und Hansa-Apotheke und der Eulen-Apotheke in Loxstedt. „Das ist ein Zustand, den wir noch nie hatten. Wenn ein Patient früher mit mehreren Rezepten in die Apotheke kam, war vielleicht mal ein Medikament nicht sofort verfügbar. Jetzt ploppt das rote Hinweisschild ,nicht lieferbar‘ ständig auf. Die Null-Covid-Strategie Chinas und die daraus entstehenden Lieferprobleme machen uns schwer zu schaffen. Bestimmte Arzneimittel können nicht produziert werden, weil Rohstoffe fehlen. Es gibt zum Beispiel einen Nasenspray-Produzenten, der keine Gefäße hat, um die Substanzen herzustellen.“ Auch bestimmte Antibiotika seien derzeit nicht verfügbar.
Viele Medikamente werden in Asien produziert
Viele Medikamente werden von Herstellern in China oder Indien produziert und nach Deutschland importiert. „Meistens hat das Kostengründe, die Produktion in Asien ist günstiger als die in Europa“, sagt Isabel Justus, Geschäftsführerin der Bremer Apothekerkammer.
Bremerhavener: Meine Tabletten reichen nur noch ein paar Tage
Albert Schirmer (81) aus Leherheide kriegt sein ursprüngliches Blutdruckmedikament Accuzide seit Monaten nicht mehr - denn speziell dieses Medikament musste der Hersteller im März wegen Verunreinigungen zurückrufen -, aktuell ist jedoch auch sein Ersatzpräparat nicht mehr lieferbar.
„Meine Tabletten reichen nur noch ein paar Tage“, sagt er. Von seiner Möwen-Apotheke, in der er seit Jahrzehnten treuer Kunde ist, wünscht er sich nun, dass sie gemeinsam mit dem Hausarzt eine alternative Lösung findet. Apothekerin Sievern sagt: „Wir kontaktieren in solchen Fällen die Hausärzte auch. Das Problem ist nur: Wir kommen telefonisch oft nicht durch, denn die Ärzte sind auch überlastet. Ich würde mir daher eine Hotline nur für Apotheken wünschen.“ Ziel sei immer, ein geeignetes Ersatzpräparat zu finden. Und obwohl niemand weiß, wie lange die vorübergehenden Lieferengpässe anhalten werden, beruhigt die Apothekerin: „In Deutschland sind wir noch gut sortiert.“
288 Medikamente sind derzeit nicht lieferbar
Auch Justus betont: „In den letzten Monaten haben sich Lieferengpässe aus unserer Sicht insofern verschärft, dass die Anzahl vorerst nicht lieferbarer Medikamente zugenommen hat. Allerdings kann von leeren Regalen keine Rede sein.“ Aktuell weise das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte 288 Arzneimittel aus, die aus verschiedenen Gründen, wie Produktionsproblemen und nicht ausreichenden Produktionskapazitäten, nicht geliefert werden. Sie nennt Beispiele: Beim Schmerzmittel Ibuprofen bestehe seit April 2020 ein Lieferengpass, der bis schätzungsweise März 2023 andauern soll. Ein Hersteller eines Fiebersaftes für Kinder in Europa habe seine Produktion eingestellt, alternativ könne „auf die Fertigung von individuellen Rezeptur-Arzneimitteln“ zurückgegriffen werden. „Auch bei Krebsmedikamenten gibt es Engpässe, die aber durch Wechsel der Firmen oder durch zusätzliche Importe, die von den Behörden genehmigt wurden, kompensiert werden“, so Justus weiter. Gerade bei den blutdrucksenkenden Arzneimitteln seien Auswahl und Ausweichmöglichkeiten sehr groß, „so dass die Patienten in der Regel versorgt werden können“, betont Justus.

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Albert Schirmer hat nur noch wenige Tabletten seines Blutdruck-Ersatzpräparates.

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Nur noch wenige Tabletten übrig: Albert Schirmer hofft, dass sein Blutdruckmedikament bald wieder lieferbar ist.