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Die neuformierte Formation der TSG Bremerhaven tanzte im Finale der Tanz-WM in Braunschweig sensationell direkt zur Bronze-Medaille.
Bronze bei der WM - TSG im Rausch
Um 22.55 Uhr brach es aus den Tänzern heraus. Die ganze Anspannung vermischte sich mit purer Freude und entlud sich in lauten Jubelschreien. Das neuformierte A-Team der TSG Bremerhaven hat bei der Tanz-WM in Braunschweig sensationell Bronze geholt.
„Wir sind einfach überwältigt. Man hat auf die Medaille geschielt, gehofft und gebangt. Dass jetzt echt Bronze rausgesprungen ist, nachdem wir eigentlich von null angefangen haben - das Gefühl ist nicht zu beschreiben“, sprudelte es aus Loc Nguyen heraus, der als einer von neun verbliebenen Tänzern im Vorjahr bei den Weltmeisterschaften in Bremen mit der „Time Machine“ noch auf dem vierten Platz gelegen hatte. „Ich freue mich einfach, dass wir uns als Team so schnell gefunden und drei super Runden hingelegt haben.“
Vor zweieinhalb Monaten war an einen Sprung aufs Treppchen, mit dem nun sogar der Erfolg aus dem Vorjahr getoppt wurde, nicht zu denken. Zahlreiche Tänzer hörten auf, sieben neue mussten integriert werden, die allesamt aus dem eigenen Nachwuchs stammen. Dazu ein ebenfalls neues Trainergespann. Doch die Mannschaft hat den großen Umbruch erfolgreich gemeistert.
Energiegeladen fegte die TSG über die Fläche
Das erste Ziel war mit dem Final-Einzug bereits erreicht und so konnte noch mal richtig Vollgas gegeben werden. Energiegeladen fegte die TSG über die Fläche. Belohnt wurde dies mit 33,40 Punkten und dem zwischenzeitlichen Rang eins. Die Tänzerinnen und Tänzer fielen sich heulend und jubelnd in die Arme. „Es war so viel Adrenalin. Die ganzen Gefühle, diese ganzen Emotionen, die man den Tag über aufbaut, das ist alles noch mal rausgekommen und explodiert. Die Träume sind in Erfüllung gegangen“, sagte ein freudestrahlender Marcel Mancke, einer der sieben „Frischlinge“.
Als die folgende Formation „Star“ aus der Mongolei die Bremerhavener als vierter Starter nicht verdrängen konnte und die TSG in der „Leaderbox“ blieb, war die Medaille sicher. „Der Traum war eigentlich immer eine Medaille bei einer Deutschen Meisterschaft. Ich hatte nie von einer WM zu träumen gewagt. Und jetzt gleich im ersten A-Team-Jahr direkt diese Medaille um den Hals zu haben, ist natürlich der Hauptgewinn“, sagte Tessa Seier. „Wir sind mega stolz. Das war das Ziel und das haben wir erreicht. Wirklich realisiert habe ich es aber noch nicht, es ist zu überwältigend.“

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Der Moment, als die Endnote der TSG Bremerhaven verkündet wurde: Die Tänzerinnen und Tänzer sowie der Trainer rasteten vor Freude in der Kiss&Cry-Area aus.
Auch Esther Bauchwitz, die im Mai bereits mit der TSG Bronze bei der EM geholt hatte, konnte den Erfolg noch nicht direkt realisieren. „Man tritt mit dem Ehrgeiz an, gut abzuschneiden und Höchstleistung zu bringen. Umso schöner ist es, wenn es belohnt wird. Das ist die Medaille, die uns noch gefehlt hat im Schrank. Letztes Jahr hat es nicht gereicht. Aber in diesem Jahr mit so einer jungen Mannschaft, mit so vielen Umbrüchen so eine Leistung zu zeigen, ist natürlich fantastisch, denn unsere Choreografie ist wahnsinnig schnell und es sind extrem viele Highlights drin.“
Trotz einiger Patzer in den Pirouetten am Ende der Choreografie zog noch Moon Dance, ebenfalls aus der Mongolei, mit dem winzigen Vorsprung von 0,35 Punkten an der TSG vorbei. Weltmeister wurde schließlich mit 36 Punkten souverän Titelverteidiger Grün-Gold Bremen. Der übersprudelnden Freude bei der TSG tat das aber keinen Abbruch. „Natürlich waren wir knapp an der Silbermedaille dran, aber wir haben nicht Silber verloren, sondern Bronze gewonnen“, sagte Trainer und Tänzer Lars-Ole Rühmann.
Kritik an den Wertungsrichtern
Dennoch, die Wertungen bei der Tanz-WM sorgten für ordentlich Aufruhr. Nicht wenige sahen die TSG vor Moon Dance. Und vor allem Platz sechs für Vize-Europameister HSV Zwölfaxing aus Österreich mit nur 31,56 Punkten für ihr anspruchsvolles, temporeiches und sauber vorgetragenes Programm sorgte für erstaunte Gesichter. Denn selbst die Ukrainer mit einer deutlich leichteren Choreografie wurden vor ihnen platziert. Der russische Angriffskrieg auf das Land wurde mit „Unbreakable“ vertanzt und sorgte für Gänsehaut, tänzerisch konnten die Ukrainer jedoch nicht vorne mithalten.
„Ich fordere die Tanzsportverbände der Länder Österreich, England und Niederlande höflich auf, Einspruch gegen das Ergebnis und Wertungssystem zu erheben“, haute mit Nick Dieckmann ein einstiger Weltmeister-Tänzer und nun Trainer beim niederländischen Team Double V, dass das Finale verpasste, noch vor Ort ein deutliches Statement bei Facebook heraus. „Was heute in Braunschweig passiert ist, ist nicht akzeptabel und muss definitiv untersucht werden.“
„Jetzt haben wir auf Anhieb beim allerersten Turnier Bronze geholt in dieser neuen Konstellation - das ist mega. Aber wir wollen weiter, wir wollen mehr!“
„Wir haben uns selber belohnt, sind mega happy und freuen uns einfach. Jetzt können wir weiterarbeiten. Wir haben einen Monat bis zur deutschen Meisterschaft, gehen da mit einem Medaillenrang hin und werden versuchen, uns da weiter zu steigern“, sagt Beutler und richtet den Blick damit direkt wieder nach vorne auf die nationalen Titelkämpfe am 12. November in der Bremer ÖVB-Arena. „Bildtechnisch hat sich das Team echt gut gesteigert, aber es muss einfach die Abgeklärtheit noch kommen und sie müssen von sich überzeugt sein. Aber da sind sie auf einem sehr guten Weg. Jetzt haben wir auf Anhieb beim allerersten Turnier Bronze geholt in dieser neuen Konstellation - das ist mega. Aber wir wollen weiter, wir wollen mehr!“
Endergebnis:
1. Grün-Gold-Club Bremen, Deutschland 36,00
2. Moon Dance, Mongolei 33,75
3. TSG Bremerhaven, Deutschland 33,40
4. Star, Mongolei 32,85
5. Adagio, Ukraine 32,51
6. HSV Zwölfaxing, Österreich 31,56
Drei Fragen an Lars-Ole Rühmann, TSG-Trainer und-Tänzer

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Lars-Ole Rühmann. Foto: Ralf Masorat
Glückwunsch zur Bronze-Medaille, wie war das Gefühl auf der Fläche? Das war mega, wir haben uns echt gespürt. Von Anfang an haben wir Gas gegeben, es bis zum Ende durchgehalten und sind nach vorne geprescht. Das es so klappt im Finale, das ist was ganz besonderes. Wenn man auf der Fläche ist, man in diesen Groove reinkommt und es einfach läuft, das merkt man und es treibt einen immer mehr nach vorne. Man hat immer mehr Energie und kann immer noch mehr geben. Das ist ein echt tolles Gefühl, weswegen man überhaupt tanzt. Dann noch Bronze - unglaublich.
Hätten Sie nach dem Umbruch wirklich damit gerechnet, dass es gleich eine Medaille werden könnte? „Natürlich haben wir uns das erträumt, und wir Trainer wussten auch, was in der Mannschaft steckt und was wir erreichen können. Aber dass es dann auch klappt... Die Mannschaft ist so unerfahren und die Wahrscheinlichkeit, dass man seine Trainingsleistung auf der Fläche zeigen kann, ist klein. Normal funktioniert das auch bei den Top-Mannschaften nicht immer.
Was war das Erfolgsrezept? Nach dem offenen Training eine Woche vor der WM hat das Team gemerkt: Wir können es ja. Es hat sehr viel Kritik bekommen. Von uns Trainern, aber auch von anderen Leuten, die uns das vielleicht nicht gegönnt haben und uns schon totgesagt haben. Und die Mannschaft hat trotzdem weiter trainiert, uns vertraut und an sich geglaubt. Und dann ist das tolle Ergebnis dabei herausgekommen.

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Die Tänzer und Tänzerinnen der TSG Bremerhaven steigerten sich von Runde zu Runde und wurden am Ende mit Platz drei belohnt.
Matthias Beutler

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