99-Jähriger versteht Wirbel nicht
Sein Bundesverdienstkreuz zurückzugeben, hat Albrecht Weinberg aus Leer ganz spontan entschieden. Als er mitbekam, dass sein Freund Luigi Toscano, ein Mannheimer Fotograf, seine Auszeichnung als Protest gegen die gemeinsame Abstimmung von CDU, FDP, BSW und AfD im Deutschen Bundestag zurückgeben wolle, habe er sich spontan entschieden: „Das mache ich auch!“
Im Hause Weinberg klingelt das Telefon
Seitdem klingelt bei Weinberg das Telefon. Auch die Redaktion kontaktiert Weinberg, es meldet sich seine Lebensgefährtin Gerda Dänekas. Weinberg sei gerade in einem Telefonat mit einem anderen Reporter, sagt sie entschuldigend. Sie wisse auch nicht, ob der 99-Jährige noch etwas Neues erzählen könne. Schließlich würden ja alle Reporter doch dasselbe fragen.
Doch dann hat Weinberg doch noch kurz Zeit. Die große Aufregung um seine Person hat ihn überrascht: „Da habe ich nicht mit gerechnet. Ich bin ein Nobody, ich bin politisch nicht aktiv.“ Trotzdem, was er sagen könne, sei „immer dasselbe“. Was er zum Erstarken der Rechtspopulisten zu sagen habe, sei bekannt. „Die Menschen brauchen mich nur googeln.“
Im Jahr 2012 aus den USA nach Ostfriesland zurückgekehrt
Dass Friedrich Merz „mit den Rechtsradikalen unter eine Decke geht“, habe er aber nicht für möglich gehalten. Weinberg überlebte die Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen sowie mehrere Todesmärsche. Im Jahr 2012 kehrte er aus den USA nach Ostfriesland zurück, wo er heute lebt und an Schulen über seine Erlebnisse und eine mögliche Machtübernahme von Rechtsextremen diskutiert.
„Für einen, der das hinter sich hat, was ich hinter mir hab“, sei deshalb klar gewesen: „Das Ding kann ich nicht mehr tragen.“ Große mediale Aufmerksamkeit wollte er aber mit der Rückgabe seines Bundesverdienstkreuzes, das er 2017 für seine Verdienste um die Erinnerungskultur verliehen bekam, aber nicht erzeugen.
99-Jähriger freut sich über große Demonstration
Dass es am Samstag in Leer eine große Demonstration gegen die gemeinsame Abstimmung geben soll, hat Weinberg mitbekommen. „Das finde ich toll.“ Hingehen kann er selbst leider nicht: „Ich bin ja nur ein paar Wochen von den 100 Jahren entfernt.“