Wo ist Heide Howind? Die demente Frau (81) wird seit drei Monaten vermisst

Wo ist Heide Howind? Die demente Frau (81) wird seit drei Monaten vermisst

Heide Howind ist verschwunden. Der letzte Beweis, dass die demente Cuxhavenerin lebt, ist fast 100 Tage alt. Die Familie gibt die Hoffnung aber nicht auf.

Wo ist Heide Howind?

Demente Cuxhavenerin seit fast 100 Tagen verschwunden - Umfangreiche Suche bisher ohne Erfolg

An einem Betonpfeiler eines früheren Einkaufsmarktes im Cuxhaven klebt ein Plakat. „Heide Howind - Vermisst!!!“ ist darauf zu lesen. Der Text darunter ist vom Regen verwaschen, doch das Foto einer Seniorin mit weißblonden Haaren ist noch gut zu erkennen. Seit Anfang Februar hält gelbes Panzertape das Flugblatt an derselben Stelle. Ursula Kaiser und Ricarda Welger haben es aufgehängt. Wie viele andere Flugblätter, die längst verschwunden sind.

Heide Howind vermisst

© Leuschner

Verwaschen: Flugblätter wie dieses hatte die Familie nach dem Verschwinden von Heide Howind gedruckt und in der Stadt verteilt.

Heide Howind verschwindet nach Besuch bei der Tochter

Es ist der 3. Februar, ein Freitagabend, als Heide Howind ihre Tochter Ursula Kaiser und ihren Schwiegersohn zum letzten Mal in ihrer Wohnung besucht. „Sie kam regelmäßig zu uns, manchmal mehrmals am Tag“, berichtet die Tochter. Meistens blieb sie zum Essen. Immer sei sie anschließend ins „Karlchens“, eine nahe gelegene Kneipe, gegangen, meist um noch einen Tee zu trinken und dann den 1,1 Kilometer langen Heimweg fortzusetzen.

Heide Howind vermisst

© Heike Leuschner

Für Enkelin Ricarda Welger (links) und Tochter Ursula Kaiser ist die Ungewissheit um das Verschwinden von Heide Howind nur schwer zu ertragen.

Am Morgen des 4. Februar fährt Ursula Kaiser in die Wohnung ihrer Mutter, um ihr die Haare zu frisieren. „Wir haben uns fast täglich gesehen. Dass sie mal nicht zu Hause war, war nicht so ungewöhnlich“, sagt Kaiser. Mal sei ihr eine Verabredung eingefallen, mal habe sie - wie so oft - das dringende Bedürfnis gehabt, spazieren zu gehen.

Vor zwei Jahren kommt die Diagnose Demenz

Kaiser kauft an jenem Sonnabend für ihre Mutter ein, wie sie es oft tut in letzter Zeit. Denn Heide Howind leidet an Demenz. „Die Diagnose kam ungefähr vor zwei Jahren“, sagt die Tochter. Sie spricht von einem schleichenden Prozess. „Wir mussten uns immer mehr kümmern, sie begleiten. Irgendwann kam sie mit Geld allein nicht mehr zurecht.“

Auch an der Persönlichkeit von Heide Howind stellte die Familie Veränderungen fest. So sei sie früher nie allein abends oder nachts spazieren gegangen. Diese Ängste habe sie aber in letzter Zeit komplett verloren. Verlaufen habe sie sich nie. Trotzdem besorgte die Familie einen GPS-Tracker für Heide Howind, um zu wissen, wo sie sich aufhält. Doch das Gerät sei wenige Tage vor dem Verschwinden kaputt gegangen. Auch ihr Handy habe die Seniorin einige Tage vor dem 3. Februar verloren.

Heide Howind vermisst

© privat

Heide Howind wenige Monate, bevor sie verschwand.

Als die Tochter am 4. Februar vom Einkaufen zurückkommt, ist die Mutter immer noch weg. „Da hab ich noch gedacht: Sie geht wohl irgendwo spazieren.“ Dass sich Heide Howind den gesamten Tag über nicht gemeldet habe, sei seltsam gewesen. „Aber das ist durchaus mal vorgekommen, deshalb habe ich mir nicht großartig Gedanken deswegen gemacht.“

5. Februar: Familie meldet Heide Howind als vermisst

Sonntagfrüh fährt Kaiser wieder zu ihrer Mutter. Die Einkäufe sind unberührt, das Bett gemacht. „Da wusste ich, dass sie gar nicht zu Hause war.“ Ursula Kaiser fährt mit ihrem Mann zuerst ins Krankenhaus und dann zur Polizei.

Dass Menschen als vermisst gemeldet werden, kommt relativ häufig vor. Nach Auskunft des Landeskriminalamts Niedersachsen gelten aktuell in Niedersachsen insgesamt 1.236 Personen offiziell als vermisst. Die meisten Menschen (1141), die als vermisst gelten, sind unter 60 Jahre alt.

Bei der Polizeiinspektion Cuxhaven (PI) wurden in den Jahren 2022 und 2021 jeweils rund 100 Personen als vermisst gemeldet. „Hierunter fallen zum Beispiel ältere Personen aus Pflegeheimen oder Jugendliche, die in Wohnhilfeeinrichtungen untergebracht sind“, berichtet Stephan Hertz, Sprecher der PI Cuxhaven. Meistens würden die Personen innerhalb von 24 Stunden wieder auftauchen.

Aber nicht immer. Am 10. Dezember vergangenen Jahres war ein 91 Jahre alter Geestemünder nach einem Einkauf nicht nach Hause zurückgekehrt. Die Polizei suchte nach dem Mann. Drei Tage später wurde er tot in Schiffdorf gefunden. Die Polizei sprach von einem Unglücksfall.

Wie im Fall des 91-jährigen Bremerhaveners wurde auch bei der 81 Jahre alten Heide Howind aus Cuxhaven eine umfangreiche Suche eingeleitet. Dabei kamen unter anderem Spürhunde und ein Polizeihubschrauber zum Einsatz. Anwohner und Zeugen seien mehrfach befragt worden. Jeder Hinweis über mögliche Aufenthalte, auch im Bereich von Kleingartenvereinen oder Lokalen, sei intensiv geprüft worden.

Parallel zur Polizei suchte auch die Familie nach der verschwundenen Mutter und Großmutter - vor allem in Cuxhaven, aber auch in Bremerhaven und im Umland. Die frühere Gastronomin war bekannt. In der Seestadt hatte Heide Howind von Anfang der 1980er bis in die 1990er Jahre mit ihrem Mann die Großraumdiskothek „Bahamas“ betrieben und in Wremen über viele Jahre den „Wattenkieker“.

Familie sucht über soziale Netzwerke - bis zu ebay Kleinanzeigen

Enkelin Ricarda Welger ruft Medien auf, sie bei der Suche zu unterstützen, druckt und verteilt mit der Familie Flugblätter mit den wichtigsten Daten und Fotos ihrer Oma. Und sie mobilisierte die sozialen Netzwerke auf der Suche nach Heide Howind - bis hin zur Rubrik „Zu Verschenken“ bei ebay Kleinanzeigen. Doch Hinweise blieben rar.

Klar ist heute, dass Heide Howind nach dem Besuch bei ihrer Mutter noch in der Kneipe „Karlchens“ war. Gegen 22 Uhr wurde sie zuletzt in einem Burger-Restaurant in der Innenstadt gesehen. Dann verliert sich für ihre Familie ihre Spur.

Die Polizei stellte ihre „zielgerichteten Suchmaßnahmen“ am 12. Februar ein. „Hinweise, die danach noch bei der Polizei eingehen, werden sofort überprüft. Das gilt auch jetzt noch“, teilt Polizeisprecher Hertz mit. Doch die Chancen, eine vermisste Person noch lebend zu finden, würden mit fortschreitender Dauer schwinden. „Gleichwohl“, so Hertz, „ist nicht auszuschließen, dass sich Frau Howind wohlbehalten an einem derzeit unbekannten Ort aufhält. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist jedoch gering.“

Seher behauptet, die tote Oma gefunden zu haben

Unter den Hinweisen, die die Familie erhalten hat, war auch der eines sogenannten Sehers. „Ein Mann, der uns Koordinaten geschickt hat, wonach die Oma tot in einem Bach liegt“, erzählt Ricarda Welger. Die Polizei geht auch diesem Hinweis nach. Ohne Erfolg.

Mittlerweile glaubt die Enkelin, dass es sich bei dem Hinweisgeber um einen Wichtigtuer handelt. „Er gibt immer neue Koordinaten. Wenn sie irgendwann gefunden wird, und sei es zehn Kilometer weiter, behauptet dieser Mensch, er hätte es gewusst. Er will aber nur Aufmerksamkeit.“

In den ersten Tagen nach Heide Howinds Verschwinden haben ihre Enkelinnen abwechselnd in der Wohnung der Oma übernachtet - „um da zu sein, wenn sie auftaucht“. Später installierte die Familie eine Kamera, die bei Bewegungen in der Wohnung Bilder aufs Mobiltelefon übertrug. Mittlerweile hat die Familie die Wohnung aufgelöst. „Weil wir jetzt wissen, dass sie dort nicht mehr alleine leben können wird“, sagt Ursula Kaiser.

Familie hofft immer noch auf Zeugenhinweise

Der Tochter fällt es schwer, über ihre Gefühle nach der monatelangen Suche nach der Mutter zu reden. Die Ungewissheit sei nur schwer zu ertragen. Trotzdem geht die Familie bewusst an die Öffentlichkeit, weil sie hofft, irgendwann noch den entscheidenden Zeugenhinweis zu erhalten.

Enkelin Ricarda glaubt, dass ihre Oma entweder entführt wurde oder tot ist. Bei Tochter Ursula wechseln die Gedanken: „Zu Anfang dachte ich, sie liegt irgendwo hinterm Busch, ist hingefallen, hat sich den Kopf aufgeschlagen, irgendwann findet sie jemand.“ Das könne sie sich jetzt nicht mehr vorstellen. „Es laufen so viele Menschen rum, die sie kannten. Man hätte sie längst finden müssen, wenn sie nicht mehr leben würde.“ Ihre größte Angst kreist um den Gedanken, ob ihre Mutter zu jemandem ins Auto gestiegen sein könnte. „Hoffentlich hat sie niemand und tut ihr etwas an.“

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Erstellt:
10.05.2023, 17:03 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 47sec

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