Die Einwechselspieler sorgten für die Wende. Nach einer Flanke von David Raum traf Niclas Füllkrug in der zweiten Minute der Nachspielzeit zum 1:1. Beide waren erst eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt worden. Es war harte Arbeit statt Party-Fußball. „Spielerisch war es nicht auf dem Niveau, das man von uns kennt“, räumte Kapitän Ilkay Gündogan in der ARD ein.
Julian Nagelsmanns ausgebremste Spaß-Fußballer aber haben trotzdem ihr Ziel erreicht und sind Gruppensieger. Die Versetzung ins Achtelfinale stand für beide Teams schon vor dem Anpfiff fest. Es ging lediglich noch um Platz eins - und um die Frage, wann die Deutschen gegen die Spanier spielen müssen. Jetzt drohen sie frühestens im Viertelfinale. Toni Kroos bemühte sich dann auch, das Positive zu sehen: „Wir sind glücklich, dass wir es geschafft haben. Wir haben zum wiederholten Mal gezeigt, dass wir mit einem Rückstand umgehen können“, sagte er.
Gegner im Achtelfinale steht erst am Dienstag fest
Wer der Gegner im Achtelfinale ist, steht erst am Dienstagabend nach den letzten Spielen in der Gruppe C fest. Gesucht wird dort der Gruppenzweite, außer England heißen die Optionen Dänemark, Slowenien oder Serbien.
Zunächst lief in Frankfurt vor 47.000 ausgelassenen Zuschauern für Deutschland alles nach Plan. Nach einer Anfangsphase, in der sich beide Teams neutralisierten, jubelten die Deutschen in der 17. Minute, weil Robert Andrich das Spielgerät mit einem Gewaltschuss aus gut 20 Metern ins Netz gedroschen hatte. Der italienische Schiedsrichter Daniele Orsato gab das Tor, aber der VAR-Regelkundler hatte zuvor im Strafraum ein hartes Einsteigen von Jamal Musiala als Foul gewertet.
Zehn Minuten später waren die schon vor dem Anpfiff gut gelaunten Schweizer Fans aus dem Häuschen und die Deutschen hatten ihren ersten Rückstand im Turnier zu verdauen. Über die linke Angriffsseite hatte Fabian Rieder halbhoch an den ersten Pfosten gepasst, Dan Ndoye war schneller als Jonathan Tah und spitzelte den Ball mit der Fußspitze unhaltbar für Manuel Neuer ins Netz. Schon zuvor wirkte die Defensive um Antonio Rüdiger fahrig und keineswegs souverän, vor allem im eigenen Spielaufbau. Nur vier Minuten nach der Führung verlor Rüdiger ein Laufduell gegen Dan Ndoye, der den Ball aber knapp neben das Tor setzte. Das war Glück.
Verteidiger Tah ist im nächsten Spiel gesperrt
Das Tor zeigte Wirkung auf beiden Seiten, die Schweizer spielten fortan so, wie das von den Deutschen erwartet wurde, die dagegen ziemlich konfus agierten. Bezeichnend das Foul von Jonathan Tah in der 37. Minute, der an der Mittellinie das Bein am Kopf seines Gegenspielers Breel Embolo ansetzte und mit der zweiten Gelben Karte im Turnier im Achtelfinale gesperrt sein wird.
Julian Nagelsmann war seiner Überzeugung treu geblieben und brachte auch in Frankfurt die Elf, die bisher in allen Gruppenspielen begonnen hatte, ohne Rücksicht auf mögliche Sperren. Der Rhythmus des Erfolgs sollte für alle Startelf-Spieler hochgehalten werden, doch davon war in Halbzeit eins nicht viel zu sehen, wenngleich Antonio Rüdiger und Kai Havertz kurz vor der Pause noch zwei gute Chancen hatten. Doch weil die Schweizer taktisch die deutschen Schlüsselspieler Toni Kroos, Ilkay Gündogan und Jamal Musiala geschickt aus dem Spiel nahmen, war die Schweizer Führung zur Pause verdient.
Später Kopfballtreffer von Füllkrug zum 1:1
Nach der Pause nahm das deutsche Spiel mehr Fahrt auf. Nagelsmann brachte für Jonathan Tah den Dortmunder Nico Schlotterbeck, der den Leverkusener auch am Samstag im Achtelfinale ersetzen dürfte. Auch David Raum und Maximilian Beier kamen, später noch Leroy Sané und Niclas Füllkrug, was das wilde Spiel der Deutschen belebte. Auffallend, dass auch Routinier Toni Kroos unter Druck Schwächen zeigte.
In der Schlussviertelstunde waren die Deutschen voll auf Offensive ausgerichtet, aber außer einem Fernschuss von Leroy Sané und einem Kopfball von Kai Havertz gab es wenig zwingende Chancen, dafür ein Tor nach einem Schweizer Konter, das aber wegen Abseits nicht gegeben wurde. Dass Manuel Neuer mit einer Glanzparade kurz vor Schluss das 0:2 verhinderte, schien erst Makulatur, dann aber wurde es zur Glanztat, denn fast im Gegenzug erziele Niclas Füllkrug nach einer butterweichen Flanke von David Raum in der 92. Minute das glückliche 1:1. „Nicht nur ich, alle Joker haben sehr gut funktioniert“, sagte Füllkrug zu seinem Treffer. Kapitän Gündogan sagte mit Blick auf die kommenden Spiele: „Von den Emotionen und der Bedeutung des Ausgleichs können wir in den kommenden Spielen profitieren. Ich glaube, dass man solche Spiele braucht während eines Turniers.“