DIESES MUSTER NUR NACH ABSPRACHE
An der Goodison Road L4 4EL dürfte es am Sonntag, 18. Mai, beim Heimspiel gegen den FC Southampton ziemlich emotional zugehen. Das ist in Liverpool die Adresse, an dem mit dem Goodison Park eines der ältesten Fußball-Stadien der Welt steht.
Am 24. August 1892 eröffnet, war es das erste große englische Fußball-Stadion und auch in vielen anderen Dingen Vorreiter. Nach 133 Jahren nun geht die von den Fans des Vereins und den Menschen der Stadt respektvoll „The Grant Old Lady“ genannte Spielstätte in Rente. Ein für den Verein einschneidendes Ereignis, sogar Paul McCartney wird sich diesen Moment nicht nehmen lassen. Der Ex-Beatle ist bekennender Everton-Fan und soll den Abschied musikalisch untermalen.
FC Everton verließ 1891 die Anfield Road
Eigentlich hatte der 1878 gegründete FC Everton zunächst an der Anfield Road gespielt. Nach dem Gewinn der Meisterschaft 1891 jedoch verlangte Grundstücks-besitzer John Houlding mehr als das Doppelte an Platzmiete, woraufhin Everton auf der anderen Seite des Stanley Parks ein eigenes Grundstück erwarb.

© Bradley Collyer
Nach 133 Jahren ist die Geschichte des Goodison Parks an ihr Ende gekommen.
Während Houlding 1892 mit dem FC Liverpool einen eigenen Club gründete, baute Everton 1400 Meter entfernt ein für die damalige Zeit revolutionäres Stadion und dieses sukzessive immer weiter aus. Nach schon zuvor nie dagewesenen zwei Doppelstock-Tribünen war es 1938 das erste mit deren vier und 1971 dann das erste mit der bis heute so markanten dreistöckigen Tribüne.
Haller und Beckenbauer trafen gegen die UdSSR
Mit jener Ausstattung war der Goodison Park bei der WM 1966 nach dem Wembley-Stadion das modernste. Folgerichtig fanden hier fünf Partien des Turniers statt, darunter das Halbfinale zwischen Deutschland und der UdSSR. Helmut Haller sowie Franz Beckenbauer schossen das DFB-Team zum 2:1 und damit ins Finale von Wembley.
Für zwei deutsche Vereinsmannschaften hingegen lief es weniger gut. So scheiterte Borussia Mönchengladbach am 4. November 1970 im Achtelfinale des Europapokals der Landesmeister, als es im Goodison Park zum ersten Elfmeterschießen in der Geschichte der Europacup-Wettbewerbe kam.
Bonbon-Fabrik bringt dem Club den Spitznamen „Toffees“ ein
„Dennoch hat mich Gladbach beeindruckt“, sagt Colin Harvey. Der 80-Jährige war seinerzeit im Mittelfeld von Everton unterwegs und kreuzte die Wege mit Günter Netzer. 15 Jahre später war Harvey im Trainerstab der „Toffees“, wie der Verein wegen einer im Stadtteil ansässigen Bonbon-Fabrik genannt wird.
Und es ging alles andere als elegant zu, als im Halbfinal-Rückspiel des Europapokals der Pokalsieger der FC Bayern zu Gast war. Nach dem 0:0 in München und einem 1:0 zur Pause geriet das Spiel für die Bayern zum Albtraum. Von den unglaublich lauten Zuschauern angestachelt rannte, grätschte und kämpfte sich Everton zum 3:1, danach meinte Stürmer Andy Gray: „Wir wussten, wir brauchen nur ein Tor. Alles andere würde das Stadion erledigen.“
Im Goodison Park wurden viele Spiele gedreht
Für diese Atmosphäre war der Goodison Park bekannt und gefürchtet. So wurden entscheidende Spiele gedreht, so gelang manch wichtiger Treffer auf den letzten Drücker. „Das Stadion hat uns angetrieben, bis der Ball drin war“, sagte Stuart Graham über sein 3:2 gegen den AFC Wimbledon, das am letzten Spieltag der Saison 1993/94 neun Minuten vor Ultimo den Abstieg verhinderte.
Im letzten Derby gegen Liverpool spät den Ausgleich erzielt
Gegen Liverpool am 12. Februar dieses Jahres wuchtete James Tarkowski den Ball in der achten Minute der Nachspielzeit zum 2:2 ins Netz und verhinderte so, dass die große alte Dame bei ihrem letzten Merseyside-Derby eine Niederlage erleben musste. „Ich glaube, die „Roten“ sind froh, dass wir umziehen“, meinte Mo Maghazachi.

© Thomas Schulz
Ab der nächsten Saison spielt der FC Everton im Bramley Moore. Das Stadion steht in den alten Docks direkt am River Mersey.
Der Abschied ist für den FC Everton alternativlos
133 Jahre Goodison Park sind an ihrem Ende angekommen. Nach - ohne spielfreie Kriegsjahre - 124 Saisons, davon 121 in der ersten Liga, heißt es am Sonntag „Farewell Goodison“. „Der Abschied fällt schwer. Aber wir müssen ausziehen, wenn wir vorwärtskommen wollen“, sagt Ian Snodin, von 1987 bis 1995 bei Everton. Das Stadion genügt den Ansprüchen der Premier League schon lange nicht mehr, Sicherheitsbestimmungen können nur schwer erfüllt werden.
Wirtschaftlich hinkt der FC Everton hinterher
Ein Ausbau ist durch die Lage mitten in einem Gebiet voller Wohnhäuser unmöglich. Von den Ausgängen der Haupttribüne bis zu den Türen von Häusern sind es keine zehn Meter. Das alles ist charmant, die Premier League damit allerdings mittelfristig nicht mehr zu stemmen. Mit nur zwölf Logen wurden in der Saison 2023/24 aus Eintrittsgeldern die drittniedrigsten Einnahmen der Liga generiert. Everton hinkt wirtschaftlich hinterher, der Bau der neuen Spielstätte war alternativlos.
Rund 600 Millionen Euro kostet das Bramley Moore, statt 39.414 Zuschauer fasst das in den alten Docks direkt am River Mersey gelegene Stadion 52.888. „Unsere Fans müssen die Atmosphäre des Goodison hierher transportieren“, sagt Graham. Damit das neue Zuhause eine ähnliche Geschichte schreiben kann wie das alte.