„Hallo Anton, Emre hier“: Botschaft von DFB-Spieler rührt Jungen zu Tränen

„Hallo Anton, Emre hier“: Botschaft von DFB-Spieler rührt Jungen zu Tränen

Anton ist zehn, sitzt im Rollstuhl. Kicken kann er nicht, dafür ist er begeisterter Fußballfan, reist der deutschen Mannschaft hinterher. Das hat sich bis zur DFB-Elf herumgesprochen. Nun gab es für den Jungen ein ganz besonderes Geschenk.

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Seine muskulösen Oberarme zieren gewaltige Tribal-Tattoos, auf der Brust erstreckt sich ein drachenähnliches Wesen in schwarzer Farbe, das buschige Etwas im Gesicht lässt erahnen, dass in diesem Schotten ganz viel Wikinger steckt.

Ian friert nicht. Der Insulaner scheint abgehärtet. Manchmal reicht ein Stück Tartan um die Hüfte. Der Fußball an sich entfacht ja das Feuer. Mit einem einnehmenden Lächeln legt dieser Bär von Mann den Arm liebevoll um den Rolli von Anton kleine Hillmann. Freunde im Nationaldress und Kilt stoßen dazu, zeigen vor dem Auftaktspiel der Deutschen in München Zähne.

Anton leidet an Muskeldystrophie

Ein besonderer Schnappschuss vor der Allianz-Arena. Einer von vielen. Anton ist zehn, leidet seit seiner Geburt an Muskeldystrophie Typ Duchenne. Kicken kann er nicht, dafür ist er begeisterter Fan. Reist der deutschen Mannschaft mit Mama Ulli oder Papa Matze aus dem heimischen Ibbenbüren im Tecklenburger Land hinterher. Bis in den bajuwarischen Süden, nach Stuttgart, Frankfurt oder Dortmund. „Da kommen ein paar Kilometer zusammen“, grinst er. Berlin als Krönung?

Hunderte zusätzliche Rollstuhlplätze sind nach Vorschrift der UEFA extra für die Spiele in den Stadien eingerichtet worden. „Noch zu wenige“, wie Matthias kleine Hillmann findet. Das Interesse sei doch enorm. Befremdlich: Nach dem Kräftemessen der europäischen Nationen werden diese Flächen wieder größtenteils verschwinden. Die Stadien werden den Betreibern auf Ausgangsstatus zurück übergeben.

Antons Herz schlägt für Werder Bremen

Nachhaltig ist das nicht. Ein Politikum. Anton ist das für den Moment egal. Er genießt diese turbulenten Wochen. Sammelt eifrig EM-Accessoires. Sein „Museum“ bietet inzwischen ein buntes Potpourri an Bildern, nationalen wie internationalen Club-Leiberln, Flaggen, Fußbällen oder Autogrammen. Viele Sammlerstücke sind von seinem Lieblingsverein Werder Bremen. Seit Dienstag ist seine „Galerie“ um ein verschwitztes Jersey reicher.

Es ist das Achtelfinale gegen die Dänen in Dortmund, das den Jungen vollends mitreißt. Nach dem 2:0 sieht er, wie Emre Can sein Dress in unmittelbarer Nähe an einen Mann und eine Frau verschenkt. „Mama, ich möchte das Trikot einmal berühren“, wünscht er sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher. Und setzt Ulrike kleine Hillmann mächtig unter Druck. Denn das Pärchen, das an diesem Abend so großes Glück hat, ist im Nu verschwunden.

Wilde Odyssee durch die Stadionwelt

Der Beginn einer wilden Odyssee durch die Stadionwelt mit all seinen Menschenmassen. Und obwohl diese Aktion der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht, werden die beiden vor den Toren der mächtigen Arena wie durch ein Wunder fündig. Plötzlich stehen die „Can-Jünger“ vor ihnen. „Darf ich Sie etwas fragen?“, stammelt Mama kleine Hillmann verlegen − und erklärt die Situation.

Ein kleiner Traum wird wahr: Anton kleine Hillmann posiert mit dem Trikot, das Emre Can zuvor noch getragen hat.

© Ulrike kleine Hillmann

Ein kleiner Traum wird wahr: Anton kleine Hillmann posiert mit dem Trikot, das Emre Can zuvor noch getragen hat.

Das Verständnis und die Sympathie sind groß, das Eis ist schnell gebrochen. Anton deckt sich mit dem übergroßen Trikot in seinem Rolli zu, posiert völlig entflammt für ein Foto, das er dem Papa schickt. Handynummern werden ausgetauscht. Der Wahnsinn! „Fußball verbindet eben“, sagt Ulrike kleine Hillmann.

„Hallo Anton, Emre hier.“

Keine 48 Stunden später ploppt eine Videobotschaft auf dem Mobiltelefon bei ihr auf. „Hallo Anton, Emre hier, ich hoffe, dir geht es gut. Ich habe gehört, du bist ein großer Fan von uns. Danke dir dafür, und feuere uns weiter an. Dir alles, alles Gute für die Zukunft, also, ganz liebe Grüße, mach‘s gut. Ciao.“

Anton kratzt sich erst mal am Kopf, ist hin und weg. „Das Pärchen ist mit Emre Can befreundet“, klärt Ulrike kleine Hillmann auf. Sachen gibt's.

Bei Anton kullern Freudentränen

Einen Tag darauf fährt am Nachmittag das Postauto vor. „Ein Paket für Anton kleine Hillmann“ − fast wie Weihnachten. Der öffnet ungeduldig den Karton, kippt überwältigt auf die Seite, kreischt: „Oh mein Gott!“ Tränen kullern. In den Händen von Anton liegt das Stück Stoff mit der Rückennummer 25, das Can am Samstag nach seiner Einwechslung trug. „Das war eigentlich für den Sohn des Mannes gedacht“, bringt Ulrike kleine Hillmann Licht ins Dunkle.

Anton glaubt fest ans Weiterkommen

„Als er von unserer Begegnung erfuhr, wollte er das Trikot unbedingt Anton schenken. Und nun liegt es bei uns zu Hause.“ Anton, anfangs sprachlos, lässt es sich dann nicht nehmen, und schickt dem Absender eine Videobotschaft zurück: „Emre, du bist ’ne geile Sau, danke.“ Mit dem Wunsch, dieses Material an den Nationalspieler weiterzuleiten.

Am Freitag steigt das Viertelfinale in Stuttgart gegen Spanien. Anton ist total heiß drauf. Mama Ulli stöbert jede freie Minute in der Euro-App nach Tickets. Dann München, Berlin? Ein Traum. „Ich glaube fest dran“, sagt Anton.

Ihr Autor

André Fischer

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Erstellt:
03.07.2024, 16:26 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec

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