Toni Kroos, der Unbeirrbare
Man darf noch einmal daran erinnern, dass Fußball-Deutschland den Kopf schüttelte, als Bundestrainer Julian Nagelsmann einen der größten deutschen Spieler aller Zeiten überzeugte, noch einmal das Trikot der Fußball-Nationalmannschaft überzustreifen. „Ich bin froh, dass ich es gemacht habe“, schrieb Kroos mit etwas Abstand zum Aus bei Instagram. „Ich habe in der Mannschaft immer mehr gesehen, als sie in den letzten Jahren gezeigt hat.“
Er sei sehr stolz auf das, was die Mannschaft geleistet hat. „Und das darf auch ganz Deutschland wieder sein.“ Und dann richtete Kroos noch einen Appell an die Fans: „Jetzt, wo Deutschland sein liebstes Kind zurückgewonnen hat: lasst es nicht mehr los! Der Weg dieser Mannschaft geht weiter. Und es hilft brutal, wenn ihr auch in schlechten Phasen zu ihr steht!“
Tolle Abschiedsworte. Selten hat einer in seiner Karriere alles richtig gemacht. Bei Kroos darf man nicht zu Unrecht vermuten, dass er genau das geschafft hat. Ganz selten hat einer so unbeirrbar, zielstrebig und klug seine Karriere geplant – und beendet.
Verkennung seiner Fähigkeiten
Rückblende. 2014 wird die deutsche Nationalmannschaft im Maracana in Rio de Janeiro zum vierten Mal Weltmeister. Kroos‘ Wechsel zu Real Madrid stand lange fest, bestätigen wollte es keiner. Auch er selbst lange nicht.
Es wurde sein Jahrzehnt bei den „Königlichen“, Kroos wurde im Madrid zum Weltstar, was man ihm in Deutschland nicht zutraute. Was für eine Verkennung seiner Fähigkeiten. Dem Champions League-Erfolg beim FC Bayern ließ Toni Kroos noch fünf weitere bei Real folgen.
Nach 114. Länderspielen ist Schluss
„Die Karriere von Toni kann man nicht hoch genug einschätzen. Ich glaube, was alle sehen, sind seine sportlichen Erfolge, die außergewöhnlich sind, die wahrscheinlich für einen deutschen Spieler einmalig bleiben, vielleicht für immer“, sagte der Bundestrainer voller Respekt und Anerkennung, als sich Kroos nach seinem 114. Länderspiel vom Rasen der Stuttgarter Arena verabschiedete.
Alle herzten ihn, nicht nur die Deutschen, auch die Spanier. Jeder wusste, dies war ein besonderer Moment. Eine große Karriere ging zu Ende, und jeder wollte sich bei ihm bedanken. Nagelsmann fiel bei der Gelegenheit ein: „Ich fand es ziemlich skurril, dass es kaum einen gab, der es gut fand, als ich ihn zurückholen wollte. Als er zurück war, hat dann jeder gesagt, die Idee hatte ich schon lange, warum macht er das jetzt erst, der Bundestrainer.“
Ein außergewöhnlicher Mensch auch fernab der Titel
Das 1:2 nach Verlängerung gegen Spanien im Viertelfinale der Europameisterschaft ging Kroos sehr nahe, die Beherrschung verlor er nie. Nagelsmann sagt: „Was höher anzurechnen ist als seine sportlichen Erfolge, ist sein Charakter, wie er als Mensch ist, wie er in einem traurigen Moment für ihn zur Mannschaft spricht, wie er Dinge bewertet. Diese Dinge sind außergewöhnlich und für mich in der Bewertung dieser Karriere höher anzusiedeln als sechs Champions-League-Titel.“
„Wir sind wieder auf Augenhöhe mit den Besten.“
Kroos sagte, er fühle eine „gewisse Leere“, die Enttäuschung über das Ende des Turniers, das mit dem ersehnten 35. Titel seiner Laufbahn enden sollte, überdeckte die Gedanken ans Karriereende. Dennoch sieht er seine Comeback-Mission beim Heimturnier erfüllt: „Wir sind wieder auf Augenhöhe mit den Besten.“
In Madrid eine Legende - ein Status, der ihm auch Deutschland zusteht
Auch wenn der Einzug ins Halbfinale und der erhoffte Titel ausblieben. Die Rückkehr in die Mannschaft sei die richtige Entscheidung gewesen, beteuert Kroos. Jupp Heynckes, der größte, stets überzeugte und einflussreichste Förderer dieser großen Karriere, sagt: „Ich habe vermutlich nie einen besseren Spieler trainiert als ihn.“
Kroos dominierte das Spiel der deutschen Nationalmannschaft in diesem Turnier genauso wie er es bei Real Madrid bis zuletzt tat. Vor wenigen Wochen noch feierte er seinen sechsten Champions-League-Sieg, 306 Spiele absolvierte er für den größten Verein der Welt - Kroos ist in Madrid längst eine Legende. Ein Status, der ihm auch in Deutschland zusteht.
Den Weg freimachen für die Weltmeister 2026
Nochmalige Rückblende. Als Kroos 2021 seine Karriere in der Nationalmannschaft beendete, weinten ihm die wenigsten eine Träne nach. Das Bewusstsein, dass man einen der größten deutschen Spieler aller Zeiten verlor, gab es nicht. Jetzt ist es offensichtlich. Man darf anderen in der Nationalmannschaft seine Einsichten wünschen.
Bei allen ihren Verdiensten, die unbestritten sind und bleiben, auch Thomas Müller und Manuel Neuer sollten das Finale ihrer Karrieren in der Nationalmannschaft erkennen – und den Weg frei machen für die anderen, die darauf warten, 2026 Weltmeister zu werden.
Toni Kroos