Trotz Gold: Keine Zeit zum Feiern in Paris

Trotz Gold: Keine Zeit zum Feiern in Paris

Insgeheim hatte sich Lukas Märtens schon ausgemalt, wie das sein würde, bei Olympia Gold zu gewinnen. Aber am Ende war es dann doch viel gewaltiger, viel grandioser, viel einmaliger als vorgestellt. Über 400 Meter Freistil schwamm keiner schneller.

Es war ja nicht nur Gold, es war ja auch die erste Medaille für die deutsche Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Paris 2024. Sozusagen eine Medaille in zweifacher historischer Dimension. Wenig überraschend, dass Lukas Märtens doch ziemlich beeindruckt war am ersten Finaltag der olympischen Wettbewerbe.

„Die ganzen Eindrücke haben mich einfach übermannt. Ich gebe zu, ein-, zweimal habe ich vorher schon daran gedacht, in Paris Gold zu gewinnen, aber wenn es dann Realität ist“, 30 Minuten nach seinem Flug auf den Olymp steht Lukas Märtens immer noch im Bann seiner grandiosen Vorstellung. Die Nationalhymne zu hören auf dem Podium, mit den Freudentränen zu kämpfen, „das ist sehr besonders. Ich weiß nur, dass ich Gold gewonnen habe, was das am Ende bedeutet, werde ich erst in einigen Tagen begreifen, die letzten Meter waren die schwersten – und die schönsten“.

„Scheißegal, ob der Rekord nun gefallen ist“

Märtens ringt um Fassung, im Gespräch mit den Journalisten in der Nahkampfzone, neuzeitlich: Mixed Zone“, kommen die Worte zwar schon wieder schneller, aber man sieht ihm an, dass er erstmals zu begreifen versucht, was ein Olympiasieg mit einem anstellt, warum mit dem Anschlag nach 3:41,78 Minuten vor dem Australier Elijah Winnington in der riesigen La Defense Arena vor 20.000 Menschen alles anders geworden ist.

Weltrekordler Paul Biedermann hatte ihm gewünscht, dass er nicht nur Gold gewinnt, sondern auch Biedermanns seit den Weltmeisterschaften 2009 in Rom bestehenden Weltrekord (3:40,07) bricht. Das gelang nicht. Aber das war Lukas Märtens auch nicht wirklich wichtig. „Scheißegal, ob der Rekord nun gefallen ist oder nicht, ich bin ganz oben, ich habe auch die ganze Zeit souverän geführt“, sagt er. Und lacht, aber nur andeutungsweise. „Ich glaube, auch Bronze hätte mich gefreut, aber jetzt bin ich Olympiasieger, es ist unfassbar, unglaublich.“ Nach einem Jahr voller Höhen und Tiefen. Und dann richtet der junge Mann, 22 Jahre ist er alt, seinen Blick schon wieder nach vorn: „Vielleicht kann ich in Paris das eine oder andere Ding noch machen.“

Zwei Generationen mühten sich vergeblich

Der Magdeburger schwamm mit einer Entschlossenheit, die seine Trainer, Bundestrainer Bernd Berkhahn und Norbert Warnatzsch, ihm beigebracht haben. Sich nur auf ein Ding zu fokussieren, anstatt sich immer wieder zu verzetteln. Nach 350 der 400 Metern war er noch auf Weltrekordkurs, aber die letzte Bahn war dann nochmals extrem fordernd. „Das ist der schönste Tag in meinem Leben“, sagt am Abend nicht Lukas, sondern seine Schwester Leonie, ebenfalls Mitglied der deutschen Olympiamannschaft.

Michael Groß war 1988 in Seoul der letzte deutsche Olympiasieger im Schwimmen, unvorstellbare 36 Jahre ist das her. Mehr als zwei Generationen von deutschen Schwimmern haben sich seither vergeblich bemüht, beim wichtigsten Sportereignis auf dem Globus Gold im Schwimmen zu gewinnen.

Zeit zum Feiern muss warten

Vielleicht ist es die Wiedergeburt eines einstigen Erfolgssports, der mit dem Namen des „Albatros“ aus Offenbach verbunden ist. „Lukas Märtens musste vorweg schwimmen, das Gold ist gut für die Stimmung in der Mannschaft, aber schwimmen muss bekanntlich jeder immer selbst. Ich habe mich sehr über die deutschen Rekorde der Sprinter gefreut, die Mannschaft scheint gut vorbereitet“, kommentierte Groß am Sonntag im Gespräch mit dieser Zeitung.

Lukas Märtens schwimmt noch die 200 Meter Freistil, im Vorlauf am Sonntag erzielt er 1:46,33 Minuten, die 200 Meter Rücken und die Freistilstaffel. Aber das wird alles Kür sein. Ob er Schlaf gefunden hat nach Gold? „Zwei, drei Stunden vielleicht.“ Zeit zu Feiern gibt es nicht. „Es geht um Regeneration“, nichts anderes.

Staffel stellt neuen Rekord auf

Schon im Vorlauf über die 400 Meter hatte Märtens in 3:44,13 Minuten alle Konkurrenten hinter sich gelassen. Im April bei den nationalen Meisterschaften war er dem Fabelweltrekord von Paul Biedermann nahegekommen und mit der besten Zeit seit zwölf Jahren in die Favoritenrolle geschwommen. Allerdings hatte er in dieser Saison immer wieder gesundheitliche Probleme, die ihn zu Pausen zwangen. “Wir haben mich ganz gut hinbekommen, unter den ganzen Umständen“, sagte Märtens: „Perfekt ist der Zustand nie.“ Die ersten deutschen Rekorde in Paris stellte die 4x100-m-Freistilstaffel auf, die sich in 3:13,15 Minuten auf Platz acht für das Finale qualifizierte, und im Endlauf auf Rang sieben den Rekord nochmals auf 3:12,29 Minuten steigerte.

Ihr Autor

Christoph Fischer

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Erstellt:
28.07.2024, 15:53 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec

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