VAR - Fair oder nicht die Realität?
Der deutsche Topschiedsrichter Felix Brych sagte am Sonntag im Sport1-„Doppelpass“, Schiedsrichter Michael Oliver habe am Ende „alles richtig“ gemacht, „auch wenn es bitter ist für Dänemark“. Anders sieht das der ehemalige FIFA-Schiedsrichter und TV-Experte Urs Meier: „Zweimal die falsche Entscheidung“, sagt der Schweizer.
„Der Video-Referee ist nicht im Stadion, er kriegt die Atmosphäre vor Ort gar nicht mit. Er sieht Situationen teilweise zu spät, dann verlangsamt. Die Bilder im Fernsehen sind nun mal nicht die gleichen wie die in Realgeschwindigkeit auf dem Platz“, sagt der 65-jährige Schweizer, der nach seiner aktiven Zeit als FIFA-Schiedsrichter vor allem als TV-Experte und Vortragsredner zum Thema „Entscheidungen“ unterwegs ist. „Zweimal hat der Schiedsrichter am Sonnabend in Dortmund falsch entschieden“, beurteilt Meier die Szenen in der 48. und 51. Minute.
Abseits - mit einer Fußspitze
Szene 1: Nach einem Freistoß drosch Joachim Andersen den Ball zum vermeintlichen 1:0 für die Dänen in die Maschen, Schiedsrichter Oliver entschied auf Tor, doch die Jubelarien der Dänen wurden jäh vom VAR gestoppt, der bei der Entstehung des Tors eine Abseitsposition festgestellt hatte.
Die TV-Bilder zeigten, dass Thomas Delaney mit einer Fußspitze vor seinem Gegenspieler gestanden hat. „Das Fernsehbild zeigt uns aber nicht, wann diese Szene festgehalten wurde, möglicherweise nach der Ballabgabe“, so Meier. „Wir glauben, was wir sehen“, aber ob das richtig ist, wissen wir nicht: „Jahrzehntelang wurde im Zweifelsfall immer für den Angreifer entschieden und für mich ist das mehr als ein Zweifelsfall.“
Keine unnatürliche Handbewegung
Szene 2: Noch krasser bewertet er eine Entscheidung, die drei Minuten später getroffen wurde: Wieder war Joachim Andersen beteiligt, aus kurzer Entfernung berührte er eine Flanke von David Raum im Strafraum mit der Hand, was live kaum zu sehen, auch nicht vom Schiedsrichter, der beste Sicht hatte. Und weiterspielen ließ. Nach Eingreifen des VAR entschied Oliver auf Elfmeter, den Kai Havertz zur deutschen 1:0-Führung verwandelte.
Für Urs Meier waren die Kriterien für eine Bestrafung nicht gegeben. Entscheidend sei, dass der Ball die Hand berührt habe, nicht umgekehrt. „Das muss der Schiedsrichter auf dem Platz entscheiden, wenn er keine unnatürliche Handbewegung und keine Absicht sieht, muss er weiterspielen lassen und seine Entscheidung auch mitteilen, das erwarte ich von einem Schiedsrichter“, so Meier.
Dänemarks Trainer sieht nicht ein Kriterium für einen Elfmeter
Der Videoassistent sehe in seinen Sequenzen nämlich nicht die Realität auf dem Platz, um die Szene insgesamt nach den festgelegten Kriterien zu bewerten. „Ich gönne den Deutschen, dass sie gewonnen haben, aber ich sehe nicht ein Kriterium für einen Elfmeter.“
Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand urteilte zum vermeintlichen Handspiel: „Ich habe echt genug von dieser lächerlichen Handregel“, sagte der 52-Jährige. „Wir können nicht erwarten, dass unsere Verteidiger mit den Händen auf dem Rücken laufen. Er ist normal gelaufen.“ Bundestrainer Julian Nagelsmann sagte zu der Szene: „Ich kann verstehen, dass die Dänen sich aufregen. Aber die Regel ist so. Der Arm ist abgespreizt.“ Zur Abseitssituation zeigte Hjulmand am späten Samstagabend immer wieder ein Bild von der Szene auf seinem Handy. „Mir wurde gesagt, was die Statistik angeht, macht das keinen Sinn. So sollten wir nicht den Videoschiedsrichter benutzen. Es geht um einen Zentimeter.“