 
            Die Geflügelpest zieht weitere Kreise - und Entwarnung ist bisher nicht in Sicht. Das akute Ziel lautet, die Ausbreitung zu stoppen.
Foto: Patrick Pleul/Symbolbild
Vogelgrippe auf dem Vormarsch: Was jetzt auf Supermarkt-Kunden zukommt
Die Vogelgrippe breitet sich weiter aus. Hunderttausende Tiere sind betroffen, Höfe unter Druck – und zu Weihnachten könnten Gänse knapp und teurer werden. Was jetzt für Verbraucher und Landwirte wichtig ist.
Vogelgrippe in Deutschland: Geflügelbranche schlägt Alarm
Die Vogelgrippe-Welle hat die Geflügelbranche in ganz Deutschland in Alarmbereitschaft versetzt - und wie sich die Tierseuche weiter ausbreitet, können auch Experten kaum vorhersagen. Das Krisenmanagement läuft jeweils vor Ort, und Betriebe wappnen sich mit Vorkehrungen gegen eine größere Ausbreitung. Welche Folgen für Supermarktkunden könnte es geben?
Wie ist der Stand des Infektionsgeschehens?
Das bundeseigene Friedrich-Loeffler-Institut rechnet damit, dass die Zahl der Fälle noch steigt. „Der Vogelzug ist im vollen Gange und der Virusdruck durch infizierte Wildvögel und deren Ausscheidungen sehr hoch“, sagte Präsidentin Christa Kühn. „Wir sehen nach wie vor ein sehr dynamisches Geschehen.“ Seit Anfang September wurden bisher 30 Ausbrüche in Geflügelhaltungen und 73 Fälle von Geflügelpest bei Wildvögeln registriert. Mindestens 22 Verdachtsfälle bei Wildvögeln und einer bei Geflügel waren demnach aktuell in Abklärung.
Was heißt das für die Landwirte?
Mittlerweile sind nach Angaben des Instituts mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten in Betrieben betroffen - und das in acht Bundesländern. Die Gegenmaßnahmen sind je nach Lage regional unterschiedlich: Zehntausende Tiere wurden schon getötet, es gelten örtliche Beschränkungen für den Handel, Transporte und Märkte. Das Wichtigste sei, das Ausbruchsgeschehen so klein wie möglich zu halten, sagte eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums. Dazu dienen klassische Sicherheitsmaßnahmen mit Desinfektionen, Tests toter Tiere und dass nur wenige Menschen auch mit Schutzmasken in Ställe gehen.
Könnte eine Stallpflicht helfen?
Die Geflügelbranche macht sich für ein bundesweites „Aufstallungsgebot“ stark. „Das ist eine der wichtigsten Maßnahmen, die die Politik treffen kann“, sagte der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Hans-Peter Goldnick, im ZDF. Gemeint sind amtliche Anordnungen, Geflügel aus Freilandhaltung vorübergehend in geschlossenen Ställen unterzubringen. Das Ministerium in Berlin verweist auf die generelle Zuständigkeit der Länder für die Tierseuchenbekämpfung und auf unterschiedliche Situationen vor Ort. Dies müsse zudem, auch wegen Tierschutzaspekten, sorgsam abgewogen werden.
Gibt es schon Auswirkungen in den Supermärkten?
Im Einzelhandel gibt es nach Branchenangaben bisher keine Hinweise, dass Kundinnen und Kunden häufiger zu Tiefkühl-Geflügel greifen. Bisher sei keine Veränderung im Kaufverhalten zu beobachten, berichtet der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels. Auch ein Sprecher der Supermarktkette Rewe sagte: „Wir spüren noch keine Auswirkungen.“ Die Schlachtsaison für Gänse beginnt laut Branche traditionell vor dem Martinstag am 11. November.
Und was ist mit den Preisen?
Zu möglichen Auswirkungen eines kleineren Angebots auf die Preise gibt es unterschiedliche Aussagen. Geflügel-Verbandspräsident Goldnick sagte, er glaube vorerst nicht, „dass wir kurzfristige Preisexplosionen haben“. Die Expertin der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft, Mechthild Cloppenburg, erwartet indes, dass Saisongeflügel - also Enten und Gänse - in diesem Jahr knapp wird. „Die Kunden werden das spüren, die Preise dürften steigen.“ Auch Weihnachtsgänse in der Gastronomie könnten jetzt teurer werden.
Woher kommt das Geflügelfleisch überhaupt?
Bei Hühnerfleisch spielen Importe keine große Rolle, der Selbstversorgungsgrad lag laut amtlichen Daten im vergangenen Jahr bei mehr als 105 Prozent. Allein aus heimischen Betrieben stammt das Geflügelfleisch in den Kühltheken aber nicht. Nur 20 Prozent der hier gegessenen Gänse kommen nach Angaben des Branchenverbands aus deutscher Produktion und rund 80 Prozent aus Ungarn und Polen. Der Selbstversorgungsgrad bei Entenfleisch lag bei 57 Prozent.
Können Betriebe mit Finanzhilfen rechnen?
Wenn ganze Bestände getötet werden müssen und nicht mehr verkauft werden können, erhalten Tierhalter eine Entschädigung von der Tierseuchenkasse ihres Landes. Zur Höhe der Zahlungen hatte Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) schon vor der jetzigen Welle eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Der Höchstbetrag von 50 Euro pro Tier soll auf bis zu 110 Euro herauf, um wertvollere Elterntiere von Gänsen und Enten berücksichtigen zu können. Es gibt schon grünes Licht der EU, nun sind Bundestag und Bundesrat am Zug.
Gibt es eine Impfung?
Eine Impfung gegen Vogelgrippe gibt es in Deutschland laut Bundesministerium derzeit nicht. Prinzipiell könnte sie in der aktuellen Krise auch nicht mehr helfen, da sie vorsorglich eingesetzt werde, sagte eine Sprecherin. Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung laufen Tests zu Impfungen am Friedrich-Loeffler-Institut, in den Niederlanden und in Frankreich.
Gibt es öfter Vogelgrippe-Wellen?
Vor allem zwischen Oktober und April grassierte die Vogelgrippe auch schon in vergangenen Jahren, wie es in einem Marktbericht der Bundesanstalt heißt. In der Saison 2021/22 habe es europaweit die bisher größte Welle mit fast 2.500 Ausbrüchen in Geflügelhaltungen und 48 Millionen getöteten Tieren gegeben. In Deutschland gab es demnach im vergangenen Jahr 96 gemeldete Fälle in der Landwirtschaft - und in diesem Jahr bis Ende März 49 neue. Dabei läuft die Ausbreitung über wilde Zugvögel, in diesem Jahr besonders über Kraniche. (dpa/dm)
 
            